Grenzerfahrungen in Bad Leonfelden

„Wenn Du über die Pfeilspitze die Zielscheibe anvisierst, dann geht’s daneben“, erklärt Katharina Reichtomann und korrigiert die angespannte Haltung ihres Eleven Fred, der zum ersten Mal diese moderne Sportvariante eines Flitzebogens hält. Es dauert etwas bis die richtige Haltung erreicht ist und er versteht, dass der Unterarm maßgeblich die Richtung und Flughöhe seines bunten Kunststoffpfeils bestimmt.

Bogenschiessen im Kurpark
Bogenschiessen im Kurpark

„Technik und Konzentration haben einen höchst positiven Effekt auf Körper und Seele. Es kommt darauf an, nicht das Negative eines Fehlschusses zu kritisieren, sondern bewusst Positives daraus abzuleiten“, erklärt die Kurärztin den recht philosophischen Ansatz bei der Einweisung in diesen traditionsreichen Sport. „Natürlich müssen gewisse Sicherheitsregeln, speziell in der Gruppe, eingehalten werden.“ Wer die in verschiedenen Abständen platzierten Zielscheiben zufriedenstellend bewältigt hat, begibt sich auf einen kurzen Naturparcours, in dem es gilt dreidimensionale Tierfiguren von Biber bis Wolf wie in der Frühzeit der Menschheitsgeschichte zu erlegen. Trifft einer der jeweils fünf verfügbaren Pfeile, dann wird nicht mehr geschossen. Therapeutisches Bogenschießen gehört zum zukunftsweisenden Konzept Bad Leonfeldens im oberösterreichischen Mühlviertel.

Steinkreis am Falkensteiner Hotel
Steinkreis am Falkensteiner Hotel

Denn Wellness und Kur waren gestern, Wohlfühlen ist jetzt angesagt. So zumindest lautet das überzeugende Credo der jungen Kurstadt an der Grenze zu Tschechien. Die stimmige Bäderkultur blickt hier in der gefälligen Mittelgebirgslandschaft dennoch schon auf eine lange Tradition zurück, die der Lebkuchenfabrikant Franz Kastner Ende des 18. Jahrhunderts eher zufällig begründete. Geplagt von Gicht erkannte er die heilsame Wirkung frisch aufbereiteter Moorpackungen aus dem nahen Waldgebiet Leonfeldens. Bereits wenig später entstand das Kurbad, dessen Ursprünge immer noch ersichtlich sind. Beim Spaziergang durch den Wald, dem heutigen Kurpark hinter dem Natur- und Wohlfühlhotel erleben die Besucher die Grundlagen therapeutischer wie vorbeugender Behandlungen.

Das kalte Wechselbad, rustikal mit groben, regional typischen Felsen angelegt, regt über die Füße die Durchblutung ganz im Sinne des Pfarrers Kneipp an. Und gleich daneben taucht man elegant und ohne Scheu den Ellenbogen ins eiskalt plätschernde Quellwasser, lässt dabei den Daumen hoch aufragen. Ein weiteres, klassisches Verfahren um müde Kräfte wieder in Schwung zu bringen, ganz ohne High-Tech und eine Geste voller Symbolik des 21. Jahrhunderts. Die Krönung jedoch stellt das alte Moorbad dar, gleich gegenüber der Stelle, an der die feuchte dunkelbraune Masse wie ehedem nach Bedarf abgebaut wird. Auf einer uralten Bank sitzend baumeln dabei die Füße im brackigen Moorwasser. Der hohe, kräftigende Mineralgehalt hebt die optischen Unzulänglichkeiten auf, denn die unteren Extremitäten müssen danach erst einmal gewaschen werden.

Wassertreten im Kurpark
Wassertreten im Kurpark

Der Rundweg hält jedoch auch modernere Methoden zur körperlichen Auffrischung bereit. Barfüßig ist der Parcours zu bewältigen, der mit unterschiedlichen Böden ausgelegt wurde. Während spitze Kieselsteine die Fußsohlen leicht piesacken, entspannen diese beim Gang über weichen Sand und warmen Mulch. Wohlige Gefühle durchströmen den Körper. Ein mächtiges Holzxylophon sorgt für akustische Entspannung sofern die geschliffenen Äste nicht zu fest malträtiert werden. Dumpf verhallt ihr Klang im dichten Wald unter den Wipfeln der Nadel- und Laubbäume. Ein ähnliches Geräusch wie das Aufschlagen des Pfeiles auf der Zielscheibe.

Romantische Moldau in Rosenberg
Romantische Moldau in Rosenberg

Vor nunmehr 26 Jahren endete das Kapitel des kalten Krieges zwischen Ost und West, fiel der Eiserne Vorhang. Die stete latente, aber durchaus fühlbare Bedrohung war vorüber. Mühlviertel und Böhmerwald konnten wieder durchatmen, die aus ihrer Heimat Vertriebenen kehrten zurück zu ihren tschechischen Wurzeln, den Weilern, Dörfern und Städten jenseits der Moldau. Grenzkontrollen gibt es kaum mehr, in den Kontrollstellen sind nun Geschäfte mit zollfreien Waren, bunte Märkte oder sogar Spielcasinos eingezogen.

Im Nationalpark an der Teufelswand
Im Nationalpark an der Teufelswand

Dem touristischen Angebot in der Region verschaffte das Ganze einen enormen Aufschwung. Bootsfahrten auf dem Lipno-Stausee gehören nun ebenso zu den beliebten Aktivitäten wie das Kanuwandern auf dem Fluss, der sich schwungvoll durch Wald und Feld in Richtung Krumlov, dem früheren Krumau, windet und malerische Orte passiert. Die Fliegenfischer lassen sich von den Wassersportler kaum aus der Ruhe bringen. Mountainbiker, Radwanderer und Wanderer finden hier wie dort ideale Bedingungen in allen Schwierigkeitsstufen vor. Eine Herausforderung bleibt indes die beeindruckende Teufelswand, ein imposanter, hoher Wall aus unzähligen Granitfelsen, die der Leibhaftige höchstpersönlich angehäuft haben soll, um damit gegen das nahe Kloster Vyssi Brod vorzugehen. Schön zum Ansehen, doch kaum zu bewältigen. Weniger anstrengend ist der Aufstieg auf den Baumkronenweg, der eigentlich Baumwipfelweg heißen müsste, da er zwischen 70 bis 100 Jahre alten Kiefern und Fichten angelegt wurde. Auf komfortablen und kaum schwankenden Holzstegen geht es baumaufwärts bis die höchste Bahn erreicht ist und fantastische Aussichten bietet. Wer nicht wieder herunterlaufen mag und allen Mut zusammennimmt, wählt die Abkürzung: eine spiralförmige Rutsche.

Zwischen Bäumen in luftiger Höhe
Zwischen Bäumen in luftiger Höhe

Einen neuerlichen Schub hinsichtlich der touristischen Zusammenarbeit von Ost und West gab die Landesausstellung 2013 unter dem Motto „Alte Spuren – neue Wege“, an der grenzüberschreitend neben Bad Leonfelden und Freistadt zwei weitere Gemeinden in Tschechien beteiligt waren. Man investierte nicht nur am äußeren Erscheinungsbild, sondern arbeitetet am gegenseitigen Verständnis und brachte auch die Infrastrukturen auf einen aktuellen Stand. Neue Rad-, Reit- und Wanderwege wurden eingerichtet, die Wintersporteinrichtungen am Sternstein optimiert. In luftiger Höhe übrigens garantiert der Aussichtsturm von kaiserlichen Ehren ebenfalls eine perfekte Übersicht weit über die Wälder und Landesgrenzen hinaus. Diese fehlt hin und wieder auf dem Hauptplatz, dessen Westende die beiden runden Türme des Rathauses und der mächtige Turm der Pfarrkirche St. Bartholomäus ziert. Es kommt nämlich vor, dass der feierlich geweihte, am ersten Tag des Wonnemonats aufgestellte Maibaum urplötzlich verschwindet. Aus dem Aufrichten eines Ersatzbaumes machten die Leonfeldner dann gleich wieder ein neues Fest, mit Dirndl, Blasmusik und viel Tradition.

Fest auf dem Stadtplatz von Bad Leonfelden
Fest auf dem Stadtplatz von Bad Leonfelden

Die Backwaren der Firma Kastner gibt es übrigens noch immer. Lebkuchen, Pfefferkuchen, getunkte Früchte und Kekse hergestellt im Familienbetrieb seit 1607, sind längst kein reines Saisongeschäft in der Weihnachtszeit mehr. Mit dem Lebzeltarium schuf man in Bad Leonfelden ein lebendiges Zentrum rund um das aus dem Märchen bekannte Hexenhaus, das ebenfalls ein zeitgemäßes Gewand erhielt. Beim Rundgang durch die Ausstellung gibt es spannende Einblicke in den Herstellungsprozess, Wissenswertes rund um die Zutaten und die Möglichkeit ein eigenes Lebkuchenherz selbst zu gestalten. Dabei setzt lediglich die Größe des Herzens der Kreativität Grenzen.
Information:
Kurverband Bad Leonfelden, Ringstraße 7, A-4190 Bad Leonfelden, www.badleonfelden.at

Anreise:
Flug mit Austrian Airlines nach Linz-Hörsching oder Bahn zum Hauptbahnhof Linz. Von hier aus geht es in gut 30 Minuten nach Bad Leonfelden.
Unterkunft:
Moderner Vertreter des Wohlfühltrends ist das Falkensteiner Hotel & Spa Bad Leonfelden. Architektonisch bemerkenswert vereint es intelligent Granit und Holz in exponierter Lage. 107 Zimmer und großer Acquapura Spa-Bereich mit vielerlei Anwendungen. www.badleonfelden.falkensteiner.com
Essen und Trinken:
Wie überall in Österreich bietet auch das Mühlviertel Kulinarisches auf höchstem Niveau. Modern aufbereitet z.B. im Spa Hotel Bründl (www.hotelbruendl.at) oder Falkensteiner Hotel. Zu empfehlen neben regionalen Weinen das Freistädter Bier). Traditionell und zünftig geht es zu bei den Schmankerlabenden im Schmankerldorf Vorderweißenbach. Hier haben sich die Wirte des Ortes zu gemeinsamen Aktivitäten zusammengeschlossen und servieren gutbürgerlich-deftig wie die Familie Lummerstorfer vom Kirchenwirt.

Infos:
schmankerldorf.at

Die Recherche wurde unterstützt vom Kurverband Bad Leonfelden und Oberösterreich Tourismus

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Udo Haafke

Autor Kurzvorstellung:

freiberuflicher Foto-Designer und Bildjournalist, Autor diverser Bildbände, Kalender und Reiseführer, Ausstellungen im In-und Ausland, freie Mitarbeit bei verschiedenen Tageszeitungen im Bundesgebiet.

Hinweis: Dieser Beitrag wird regelmäßig von Mitgliedern der Reise-Stories Redaktion wie Heiner Sieger, Gerhard Fuhrmann und Jupp Suttner auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft. Falls Sie Anmerkungen zu diesem Beitrag haben, kontaktieren Sie bitte direkt hier die Redaktion.

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