Carezza: Geheimtipp in der Klemme

“Der Schnee lebt von der Kälte”, sagt Georg Eisath, der Präsident von Carezza Ski, dem Skigebiet, das früher einmal unter Karersee und Karerpass bekannt war. Das war in den 70 er Jahren “eigentlich am Ende” wie er sagt, und das hatte er, als er noch Chef von Technoalpin war, dem Marktführer unter den Schneekanonenherstellern, aus Krise und Sissi-Nostalgie hinein in den Wettbewerb eines modernen Skigebiets gezogen. Und wenn die Kälte den Ausschlag gibt, so der Beschneiungsexperte, dann ist der Kunstschnee dem aus den Wolken deutlich überlegen. Denn “hundert Zentimeter Naturschnee bringen nur 10 Zentimeter Piste.”

Was Eisath auf die Pisten legen lässt, und was bis in den April halten soll, sind 60 Zentimeter. Und dies schaffen die Kanonen, wenn es ein  “Kältefenster” gibt, und das gab es schon im Vorjahr. Der Kompaktschnee, wie Eisath ihn nennt, wirkt wie eine Isolierschicht. Es muss schon zehn Tage lang zehn Grad plus haben, damit diese Schicht schmilzt. Und deswegen, und das ist es, was den Gast in diesem Südtiroler Skigebiet alleine interessiert und freut (neben der grandiosen Küche), kann man in Carezza wunderbar und jeden Tag neu auf perfekt und dafür preisgekrönten Pisten skifahren.

“Mehr Gäste müssen ins Gebiet, wenn Carezza leben soll”

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Der Rosengarten im winterlichen Abendrot, Foto: Heiner Sieger/schönessüdtirol.de

Man könnte die Pisten, die einen vom Karerpass auf der Höhe über Moena im Fleimstal bis runter nach Welschnofen bringen, mit Fug und Recht einen “Geheimtipp” nennen, und viele Gäste, die abends in der Paolinahütte bei Schrammelmusik im Lichte des Enrosadira, des leuchtenden Rosengarten, den Tag ausklingen lassen, wollen unbedingt, dass es so bleibt, und dass die Journalisten das Leben genießen, aber keinesfalls darüber schreiben sollen. Aber Georg Eisath sieht das anders, und wir wären auch sonst auf Einladung des Fremdenverkehrsamtes nicht hier.

Denn leider ist Stillstand Rückschritt, und das Engagement und die Investitionen der Vergangenheit sind morgen nichts mehr wert, wenn man auf die Veränderungen nicht reagiert. “Mehr Gäste müssen ins Gebiet, wenn Carezza und mit ihm das Tal leben soll.” Und die bekommt man, glaubt er, durch eine Vergrößerung des Angebots und eine Verbesserung der Zufahrt. So wurde im Dezember eine neue Liftanlage, der 6er Sessellift Tschein eingeweiht. Er verbindet die Zone südöstlich der Moseralm, Paolina und Latemar, mit den Laurin Pisten im Nordwesten des Skigebietes.

Neuer Tschein-Lift steigert die Attraktivität

Die neue Anlage verläuft auf einer Länge von knapp 2.000 Metern, garantiert einen bequemen Aufstieg zum „Tschein“ Berg in nur 6 Minuten und ersetzt den bisherigen 3er Sessellift. Der rund 710m längere Lift startet 550m weiter südlicher Richtung Moseralm. Die neue Bergstation wird rund 80 Höhenmeter höher angelegt als die bisherige. Die Skifahrer kommen somit in den Genuss eines zusätzlichen Pistenteils unterhalb der Kölner Hütte Richtung Moseralm.

Die „Tschein“-Piste, bekannt als sehr sonnige und attraktive Piste, erfährt eine zusätzliche Aufwertung: die teils rote und teils blaue Strecke bietet für jeden etwas: für die Könner eine steile Abfahrt, für weniger geübte Skifahrer leichte Ausweich-Varianten. Einhergehend mit der Steigerung der Attraktivität der „Tschein“-Piste wird die „Moser“-Piste beim Skilift Moseralm mit einem Family Fun Park ausgestattet. Der Übungs- und Spaßhang soll künftig speziell auf die Bedürfnisse von Kindern und Freestyle-Anfängern zugeschnitten werden. Hier können die Kleinen und Großen auf mehreren Lines ihre ersten Schritte in die Freestyle-Welt wagen. Das Set-Up setzt sich zusammen aus einer Serie von Kickern, Boxen und Whoops.

Hubertus-Lift in Carezza; Foto: Herbert Holzamer/Schönessüdtirol.de
Hubertus-Lift in Carezza; Foto: Herbert Holzamer/Schönessüdtirol.de

Nach dem Neubau der Kabinenbahn Hubertus, des Sesselliftes Pra di Tori, des Skiliftes Le Pope im Jahr 2008 und der Realisierung der Kabinenbahn Welschnofen im Jahr 2013 ist der neue Sessellift Tschein bereits die fünfte neue Aufstiegsanlage im Skigebiet Carezza, die inzwischen Abfahrten von 41 Kilometer Länge eröffnen. Neu sind auch ein Fun Park für sprungbegeisterte Snowboarder, ein Naniland für die “Zwerge” mit unterschiedlichem Gefälle von 5 und 8 Prozent und ein Trainingshang, auf dem der Eisath-Sohn und Rennfahrer Florian übt, der auch von Skiclubs und Trainingsgruppen reserviert werden kann. So wurde der Anspruch, mit Preisen ausgezeichnetes Familienskigebiet zu sein, manifestiert.

Daneben ist Carezza “alpines Klimaskigebiet”, wohinter sich der Versuch verbirgt, den Einsatz von Wasser, Energie und Pistenpflege zu optimieren. Das Wasser kommt weitgehend aus eigenen Speichern, Pumpen, Kanonen und Hydranten werden vom Computer gesteuert, und auch den Pistenfahrzeugen wird per GPS mitgeteilt, welche Strecke sie zu fahren und aufzubereiten haben. Das Konzept spart Kosten – was dazu beiträgt, die Skipasspreise niedrig zu halten – und ist so gut, dass Eisath es schon an andere Skigebiete verkaufen konnte. Aber außer umweltbewusste Skifahrer, wenn sie nicht per se Wintersport ablehnen, wird das wenig Gäste anziehen.

Dem Zukunftsprojekt “Latemarrunde” fehlt die Förderung des Trentino

Georg Eisath, Chef der Bergbahnen im Skigebiet Carezza, Foto: Herbert Holzamer/Schönessüdtirol.de
Georg Eisath, Chef der Bergbahnen im Skigebiet Carezza, Foto: Herbert Holzamer/Schönessüdtirol.de

Daher geht Eisaths Blick über die Hänge von Carezza hinaus zu den Nachbarn. Sein Lieblingsprojekt ist die “Latemar- Runde”, in Anlehnung an die Sella Ronda, die Touristenattraktion in den Dolomiten. Sie bringt eine Verbindung nach Moena und Soraga, später über Predazza sogar eine Verbindung mit dem Skigebiet Obereggen, mit dem Carezza im Tourismusverband Eggental verbunden ist. Dieses Projekt hat als “Mobilitätsprogramm” nicht nur einen 1. Preis der Arge Alp gewonnen, es soll auch 2017 umgesetzt werden, besser sollte. Denn jetzt, so Eisath, “spucken uns Trentiner Assessori in die Suppe.”

Diese “Assessori” sind Referenten auf Provinzebene, die meinen, dass man Carezza im benachbarten und mithin feindlichen Ausland Südtirol nicht fördern müsse. Daher denkt der umtriebige Präsident nun an eine Verbindung mit Tiers, St. Zyprian und Nigerstraße per Gondel, was auch im Sommer von Interesse wäre, womit man sich aber dem Verdacht aussetzt, das Sportgerät Alpen weiter perfektionieren zu wollen. Und da die Dolomiten UNESCO-Naturerbe sind, besteht da auf allen politischen Ebenen erhöhte Wachsamkeit.

Was bleibt ist der Versuch, beim “Bruder” Obereggen zu wildern. Eisath: “Wir sind das traditionelle Bozner Skigebiet, wo man Skifahren lernt, doch dann zieht es die Skifahrer zum Latemar. Dabei erreicht man in nur 15 Minuten von Bozen Nord die Kabinenbahn im Ortszentrum von Welschnofen.” Das nur durch das Latemar-Runde zu beseitigende Problem ist eben, dass man in den Bus oder das eigene Auto steigen muss, um zum anderen Skigebiet zu kommen, und auch der gemeinsame Skipass “Valle Silver” im Verbund von Dolomiti-Superski vermag daran nichts zu ändern. Die Skipass- und Pauschalen-Preise sind inzwischen zudem so komplex, dass lediglich das direkte Nachfragen eine verlässliche Antwort geben kann.

Eine gewisse Schadenfreude beim Nachbar Obereggen

Nachmittag an der Moseralm; Foto: Herbert Holzamer/Schönessüdtirol.de
Nachmittag an der Moseralm; Foto: Herbert Holzamer/Schönessüdtirol.de

Wie zwischen den Tälern in Südtirol nicht unüblich, kann man in Obereggen sogar eine gewisse Schadenfreude heraushören, dass der gar so erfolgreiche Eisath, der mit Schneekanonen ein Vermögen gemacht hat, in der Klemme ist zwischen Investitions- und Betriebskosten einerseits und der Tatsache, dass viele Leute die Nachrichten vom Klimawechsel und Schneemangel für bare Münze nehmen und ihre Skier schreddern. Und auch wenn Eisath sagt, “mit einem Klimawandel von bis zu zwei Grad können wir aufgrund der Nutzung von Kältefenstern noch 100 Jahre leben” – die Bilder von weißen Bändern in brauner Wiese haben ihre Effekte.

Der Gast, der sich nicht abhalten lässt, genießt in Carezza neben den Skipisten 20 Kilometer Wanderwege und 16 Kilometer Langlaufloipen. Und erst am 3. April ist Schluss mit dem Betrieb der Lifte. Vermutlich genau zu einem Zeitpunkt, wenn – wie so oft in der Vergangenheit – die Pisten unter Naturschnee versinken. Das freut dann nur die Tourengeher.

Information:
Ski Area Carezza, I – 39056  Karersee (BZ), Tel. +390471619520, www.carezza.it

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Hans-Herbert Holzamer

Autor Kurzvorstellung:

Freier Journalist und Autor

Hinweis: Dieser Beitrag wird regelmäßig von Mitgliedern der Reise-Stories Redaktion wie Heiner Sieger, Gerhard Fuhrmann und Jupp Suttner auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft. Falls Sie Anmerkungen zu diesem Beitrag haben, kontaktieren Sie bitte direkt hier die Redaktion.

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