Der Besuch der Moutarderie Edmond Fallot in Beaune/Burgund ist eine Zeitreise in die spannende Geschichte des französischen Senfs. In den historischen Gemäuern werden zwar die Senfkörner noch nach alter Tradition kalt in Steinmühlen gemahlen – aber auch innovative Senfsorten kreiert.
Das unscheinbare Tor in der Rue du Farbourg Bretonniere in Beaune lässt keinesfalls erahnen, welch faszinierende Welt des Senfs (franz.: „Moutarde“) sich in den dahinter liegenden Gebäuden verbirgt. Die Luft allerdings ist schon leicht angereichert mit dem würzigen Duft von frisch gemahlenem Senf. Das Anwesen in der heimlichen Hauptstadt Burgunds beherbergt die Moutarderie Edmond Fallot, eine der ältesten und letzten unabhängigen Senfmanufakturen Frankreichs. Seit 1840 wird hier in Beaune, unweit von Dijon, nach traditioneller Art Senf hergestellt.
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Die freundliche, deutschsprachige Führerin Manuela empfängt die Gäste und nimmt sie mit auf eine Zeitreise durch die Geschichte des Senfs. Schon im 13. Jahrhundert wurde in dieser Region Senf produziert, erzählt sie. Auch der berühmte Dijon-Senf hat hier seine Wurzeln.
In Beaune mahlen die Mühlsteine noch langsam
In den historischen Gemäuern in Beaune werden die Senfkörner noch immer nach alter Tradition kalt in Steinmühlen gemahlen. Der intensive Geruch in der Produktionshalle zeugt davon, dass hier echtes Handwerk betrieben wird. Beim Rundgang durch die Produktion lässt sich zum Beispiel durch wandhohe Fenster verfolgen, wie die schweren Mühlsteine mit Hilfe von Seilzügen millimetergenau aufeinandergelegt werden. Immerhin wiegt ein Mühlstein aus Granit zwischen 300 und 400 Kilo. Er kann bis zu zehn Jahre lang verwendet werden. Das leichte Brennen in den Augen während der Führung ist ein Phänomen, dass auf die Wirkung der Senföl-Glycoside zurückzuführen ist, die durch alle Ritzen dringen.
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Die Moutarderie Fallot in Beaune ist einer der letzten Senfhersteller, der noch mit Mühlsteinen arbeitet, um den Senf zu erzeugen. „Das ist eine relativ gemächliche Prozedur. Die Steine drehen sich langsam, sie heizen sich nicht auf, und damit auch nicht die Senfkörner, die zwischen den Steinen gemahlen werden. So können sie das Aroma und vor allem die Schärfe des Senfs behalten“, erklärt Manuela den Herstellungsprozess. „Das ist essenziell, denn in Frankreich essen die Leute nur scharfen Senf. Es gibt weder milden noch süßen Senf wie in Deutschland.“ Die jährliche Produktion der Moutarderie Fallon von 2000 bis 2500 Tonnen Senf im Jahr mutet stattlich an, ist aber wenig im französischen Vergleich, nämlich nur zwei Prozent der Gesamtproduktion im Land.
Das Geheimnis der schwarzen Senfkörner
Für die Senfherstellung werden vier Grundprodukte benötigt: als erste Zutat natürlich die Senfkörner, dann noch Wasser, Essig und Salz. Eine ganz leichte Schwefelzugabe hält den Senf dauerhaft gelb. Die Zutaten werden zwischen zwei Mühlsteinen zu einer Paste verrieben. Bis zum Ende des 19. Jahrhundert hat man anstatt dem Wasser eine Essigmischung, einen Verjus, verwendet. Ein Verjus ist ein grüner Saft von Trauben, die nicht reif waren und daher sauren Saft ergaben. Und mit diesem sauren Traubensaft wurde der Senf schonend erzeugt. Die Reblausplage Ende des 19. Jahrhunderts und der daraus entstandene Weinmangel führte schließlich zur Umstellung von Verjus auf Essig.
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Senf stammt aus derselben Pflanzenfamilie wie Raps, ist also ein Kreuzblüter. Die Blüten selber riechen allerdings weniger streng. Einer der weltgrößten Produzenten von Senfkörnern ist längst nicht mehr Frankreich, sondern Kanada. „Bis zum Beginn der Zweitausender Jahre kamen die hier verarbeiteten Senfkörner fast alle aus Kanada. Inzwischen ist die Produktion etwas vielfältiger und spezifischer. Das heißt, Senf, der hier in Frankreich ausgesät wird, ist nicht derselbe, der zum Beispiel in Deutschland ausgesät wird. Das Geheimnis des französischen Senfs sind die ganz kleinen, fast schwarzen Senfkörner. In Deutschland sind es blonde Senfkörner, in Indien sind’s rote Senfkörner. Je dunkler das Senfkorn ist, desto schärfer ist der Senf. Daher wird hier nur dunkler Senf ausgesät“, so Manuela.
Beaune setzt jetzt auf „Moutarde de Bourgogne“
Die Senfherstellung war ursprünglich ein Nebenerwerb der Köhler, die diese als saisonale Tätigkeit betrieben, die sich gut mit dem Rhythmus der Köhlerei vereinbaren ließ. 1840 gab es daher in und um Beaune noch 20 Moutardiers. Der bekannteste französische Senf, der „Dijon-Senf“ ist übrigens nicht geschützt und bezieht sich nicht auf den Herstellungsort, sondern nur auf ein bestimmtes Herstellungsverfahren.
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Im Jahr 1937 wurde durch einen Rechtsstreit der regionale Herkunftsschutz für Dijon-Senf aufgehoben. Seitdem ist die Bezeichnung nur noch an das Rezept, nicht an den Ort gebunden. Dijon-Senf kann theoretisch überall auf der Welt nach dem Originalrezept produziert werden, solange das Herstellungsverfahren eingehalten wird. Daher haben viele große französische Senfmarken ihre Produktion ins Ausland verlagert. Die letzte Senffabrik in Dijon selbst schloss 2009.
Aligoté macht den Senf cremiger und feiner
Gleichzeitig starteten rund um Beaune die Bemühungen, die regionale Identität des Senfs wiederherzustellen. So wurde die Marke „La Moutarde de Bourgogne“ (Senf aus Burgund) geschaffen, die zu 100 Prozent aus regionalen Zutaten hergestellt wird. Seit 2009 gibt es ein geschütztes europäisches Qualitätslabel „Burgundersenf“, das eine Produktion ausschließlich mit Senfkörnern aus Burgund garantiert. Auch Fallot kehrte wieder zu den regionalen Wurzeln zurück. So stammen alle hier verwendeten Senfkörner seit 2019 aus Frankreich – ein wichtiger Schritt zur Wiederbelebung des lokalen Anbaus.
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„Zudem hat man bei diesem Produkt die herkömmlich genutzte Wasser-Essig Lösung ausgetauscht gegen einen autochthonen Weißwein aus Burgund, dem Aligoté. Die Verwendung von Aligoté macht den Senf cremiger und feiner im Geschmack, allerdings auch weniger lange haltbar als Senfvarianten mit Essig. Die Nutzung von Wein statt Essig ist eine Anlehnung an das ursprüngliche Rezept des frühen Dijon-Senfs“ erzählt Manuela während der Führung durch das Senfmuseum der Fabrik.
In Beaune wird kulinarisches Kultuerbe des Burgund bewahrt
Zum Ende der Besichtigung führt Manuela die Gäste in die Probierstube. Hier lassen sich die verschiedenen kreativen Senfsorten kosten, die Fallot in den vergangenen Jahren entwickelt hat: 30 verschiedene Sorten von aromatisiertem Senf stellt die Moutarderie Fallot in Beaune inzwischen her. Zum Beispiel mit Walnüssen, Honig, Balsamico-Essig, Schokolade, Safran, Estragon, Basilikum, Rosmarin, grüner Pfeffer, Lebkuchen, Curry, Feige sowie der japanischen Frucht Yuzu, einer Mischung zwischen Zitrone und Mandarine.
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Besonders spannende Neuinterpretationen der Burgunder Spezialität sind die regionalen Varianten, wie der mit Cassis und der mit Lebkuchengewürzen verfeinerte grobe Senf. Ohne einige Gläser des scharfen Goldes im Gepäck verlässt nach der Verkostung wohl niemand diesen besonderen Ort. Beim Abschied von der Manufaktur wird klar: Hier in Beaune wird nicht nur Senf produziert, sondern ein Stück kulinarisches Kulturerbe bewahrt. Die Moutarderie Fallot ist ein lebendiges Zeugnis dafür, wie Tradition und Innovation auch heute noch Hand in Hand gehen können.
Weitere Informationen zur Moutarderie Fallot in Beaune:
Moutarderie Fallot
31 rue du Faubourg Bretonnière, 21200 Beaune
https://www.burgund-tourismus.com/sit/la-moutarderie-fallot-sensations-fortes
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Fotos: Heiner Sieger