Im Engadin macht die Sonne Überstunden

Wenn es um Wintersport geht, dann ist in St. Moritz so ziemlich alles möglich. Ob Pistenwedeln, Schneeschuhwandern, Snowboard- und Schlittenfahren oder Langlaufen, die größte Wintersportregion der Schweiz zwischen Corviglia, Corvatsch und Diavolezza hat eine Menge zu bieten. Außerdem sagt man, dass im Engadin die Wintersonne Überstunden macht. Also warum nicht vor Ort testen, ob dies alles stimmt.

Nach einem bittersauren Schluck Heilwasser von der Quelle aus Bad Moritz, die 1815 entdeckt und nach dem Namenspatron Hl. Mauritius benannt wurde, bekommt man genug sprudelnde Energie, um in St. Moritz auf Entdeckungsreise zu gehen. Die eigentliche Entstehung verdankt der legendäre Wintersportort dem Hotelier Johannes Badrutt, der seinen englischen Sommergästen 1864 Sonne von Weihnachten bis Ostern versprach, ansonsten wolle er ihre Reisekosten übernehmen. Braungebrannt und bestens erholt kehrten die Gäste wieder nach Hause. Das Experiment war geglückt und damit fiel der Startschuss für den boomenden Wintersport. Die ersten Europameisterschaften im Eislaufen und Eishockey fanden statt und der legendäre vier Kilometer lange Natureiskanal „Cresta Run“ von St. Moritz nach Celerina liefert bis heute spannende Bobabfahrten mit gewagten Kurven. Zahllose Sportevents begeistern auch ganz aktuell das internationale Publikum.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bei einem Bummel durch die viel besuchte Alpenstadt, mit ihren renommierten Hotels, chicen Boutiquen und Restaurants, entdeckt man auch Schlemmeroasen wie die Design Metzgerei „Hatecke“, wo Timucin Heilbronn feinstes Bündnerfleisch oder Hirschsalami auf dem Holzbrett serviert. Und im Café Hauser nebenan schneidet Katia gerade die süßen Spezialitäten an wie Engadiner Nuss- oder Maronentorte.

Skiweltmeisterschaft 2017
Mit dem Guide Susi Wiprächtiger geht es dann in der Chantarella Standseilbahn auf das Sonnenplateau der Corviglia (2486 m), wo neben den zahlreichen leichten, mittel und schweren Abfahrten ab 06. bis 19. Februar 2017 die FIS Alpinen Ski Weltmeisterschaften stattfinden. „Für die Herren beginnt die drei Kilometer lange Abfahrt mit dem Freien Fall“, erklärt die Skilehrerin Wiprächtiger. „Das ist die absolute Herausforderung und zugleich Markenzeichen der Corviglia.“ In wenigen Sekunden beschleunigen die Rennläufer auf 140 Stundenkilometer. Das Tempo wird durch ein Gefälle von 100 Prozent oder 45 Grad erreicht, wenn es 150 m in die Tiefe geht.
Noch herrscht auf der Corviglia Ruhe. Der Chef der Quattro Bar, Enrico Galatti, plaudert mit seinen Gästen und man genießt die prächtige Wintersonne bevor der Rummel beginnt.
Statt Höchstgeschwindigkeiten und Pistenrausch bietet die knappe zwei stündige Fahrt mit dem Bernina-Express Entschleunigung pur. Die „Kleine Rote“, wie die Rhätische Bahn genannt wird, rollt durch UNESCO Welterbe, eine Wunderwelt aus Eislandschaft und Hochgebirge bis nach Poschiavo an die italienische Grenze. Beeindruckende Bilder ziehen an einem  vorbei, da man ganz nah an den Gletschern, markanten Gipfeln und zugefrorenen Gebirgsseen herankommt. Steigt man in dem kleinen Ort Poschiavo aus, so lacht wieder die Sonne und es überrascht die untypische Architektur aus dem 19. Jahrhundert. Im sogenannten Spaniolenviertel reihen sich stattliche Villen und Palazzi aneinander, die so in Graubünden einzigartig sind.
Kaspar Howald, Kunsthistoriker, führt durch die engen Gassen. „Aus wirtschaftlichen Gründen mussten viele Puschlaver im 19. Jahrhundert nach Australien, Russland oder Amerika auswandern“, erzählt Howald. „Vorwiegend als Zuckerbäcker verdienten sie sehr gut im Ausland und
kehrten nach circa zwanzig Jahren wieder nach Poschiavo zurück. Da sie ihren erworbenen Reichtum nicht verbergen wollten, engagierten sie den venezianische Architekt Giovanno Sottovia. Er erbaute ihre schmucken Palazzi im neoklassizistischen Stil“.

 

 

 

Italienische Palazzi
Reichverzierte Fassaden mit Erkern und Balkonen schmücken noch heute die Gebäude, zu denen meist auch ein Gemüse- und ein Blumengarten gehört.
Die spätgotische Stiftskirche San Vittore mit einem mächtigen, romanischen Turm und das alte Frauenkloster harmonieren keineswegs mit den prächtigen Villen. Sie gehören zum gewachsenen Dorfzentrum, dem sogenannten  Borgo des imposanten Ortes.
Einen Blick hinter die Kulissen der alten, dicken Mauern ermöglicht Claudia Zazzarini, die bemüht ist, die Tradition des Webens wiederzubeleben. „Es sollen die tradierten Farben und Muster verwendet werden“, meint sie und zeigt eine Auswahl handgewebter Tücher und Tischdecken in pastellfarbenen Mustern.
An einem zwei Meter breiten Webstuhl sitzt Jessica Coreiadefreitas und demonstriert mit starkem Körpereinsatz, wie aus den vielen gespannten Fäden Leinen gewebt wird.
Im Restaurant „Motrice“ liegen die Leinentischdecken auf. Und bald schon wird auch die kulinarische Spezialität der Region dampfend heiß aufgetischt. Köchin Ornella hat das schmackhafte Pastagericht „Pizzocheri“ aus Buchweizen, Gemüse, Speck und Käse wie immer frisch zubereitet.

Rätoromanisches Guarda
Im Gegensatz zum attraktiven, sportlich ambitionierten Oberengadin mit Wintersportorten wie St. Moritz,  bietet das Unterengadin im Südosten des Landes ein eher beschauliches Bild. Urige Bergdörfer liegen vereinzelt hoch oben auf den Hängen und sind nur über enge Serpentinenstraßen erreichbar.
Einer der Vorzeigeorte ist das rätoromanische Guarda, das majestätisch auf 1653 m Höhe thront.
Geht man durch die engen Gassen, links und rechts typische Engadiner Häuser, so wird man nicht müde, die reichen Verzierungen der Fassaden mit fantasievollen Sgraffittiornamenten mal floral oder mit Tierfiguren zu bewundern. Bunt bemalte Bauernhäuser mit breiten geschnitzten Holztoren, verzierte, tiefliegende Fensternischen und Erker entführen den Besucher ins 19. Jahrhundert, als  voll bepackte Heuwagen über das holprige Kopfsteinpflaster polterten und in den Ställen Kühe und Schafe standen.
Selbst ein Besuch in der Ostaria Crusch Alba, wo in der alten Zirbenholz getäfelten Stube munter das Kaminfeuer lodert, sich Einheimische ihre dampfende Gerstensuppe schmecken lassen und sich dabei auf Rätoromanisch unterhalten, glaubt man noch immer die Zeit wäre stehengeblieben.

EVA-MARIA MAYRING
Informationen:
Das offizielle Reiseportal Tourismus Engadin St. Moritz
www.engadin.stmoritz.ch

Essen und Trinken:
Engadiner Spezialitäten gibt es im:
„Restorant Uondas da l’En“
www.rosatsch.ch

Restaurant „Motrice“ in Poschiavo
www.ristorante-motrice.ch

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