Der Schnee knirscht unter den Ski, klare Bergluft füllt die Lunge mit jedem Atemzug, dazu der Blick auf ein Gipfelpanorama, das seinesgleichen sucht: Bewegung in der Einsamkeit des Tiroler Lechtals hat etwas Meditatives.
Skitourengeher finden in dieser österreichischen Naturparkregion zwischen den Lechtaler und Allgäuer Alpen ein wahres Paradies. Und gerade jetzt, wenn die Tage wieder länger werden, die Sonne intensiver wärmt, zieht es Tourengeher hinaus.
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Die Faszination der Berge gepaart mit Bewegung fernab von Massentourismus erleben: Dies war nicht nur die Intension unserer Reise-Stories-Reporterin Katja Bauroth, sondern aller Teilnehmer der 1. Lechtaler Skitourentagen in Tirol. Mehr Sicherheit für den Einzelnen gepaart mit Selbstbestimmung und Kenntnissen über die Berge wollten die Initiatoren hierbei mitgeben. Das ist den Bergsportprofis mehr als gelungen.
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Kurz innehalten, umschauen. Am Hang laufen zwei Gamsen. Ihr dunkelbraunes Fell ist zwischen dem mäßig mit Schnee bedecktem Gestein schwer auszumachen. „Vallu“ wird ungeduldig, will weiter. Ich schiebe die Ski, die Leine spannt am Bauchgurt des Rucksacks. Der kräftige Husky erleichtert das Gehen bergauf, eine gute Grundkondition braucht’s trotzdem.
Es ist meine zweite Skitour innerhalb der 1. Lechtaler Skitourentage und meine erste mit der vierpfotigen Aufstiegshilfe. Ich genieße sie in vollen Zügen. „Vallu“ gehört zum tierischen Team von Ski- und Bergführer Hubertus Lindner, der nur „Hubs“ oder „Hubsi“ genannt wird. Er betreibt im Lechtaler Auszeitdorf Gramais, mit aktuell 39 Einwohnern die kleinste Gemeinde Österreichs auf über 1300 Metern gelegen, die Bergschule Lechtal und ist Teil der Arbeitsgemeinschaft Lechtal Guiding. Deren Gründer Martin Fiala, ehemaliger Skirennläufer und Olympiateilnehmer im Deutschen Skiverband, hatte die Idee zu den Lechtaler Skitourentagen und setzte sie mit dem Tourismusverband Tiroler Lechtal um.
Veranstaltung am Puls der Zeit
Mit dieser einwöchigen Veranstaltung, die komplett oder in Mehrtagespaketen gebucht werden konnte, liegt die Region am Puls der Zeit: Laut Deutschem (DAV) und Österreichischem Alpenverein (ÖAV) wächst die Zahl der Skitourengeher jährlich um sechs bis zehn Prozent. Die Lust auf das individuelle Erlebnis Natur und Berg wurde zum einen von der Pandemie beschleunigt, zum anderen von steigenden Preisen für alpines Pistenvergnügen. Das geben auch einige der internationalen Gäste in Bezug auf ihre Teilnahme bei den Skitourentagen an.
Hierbei vermitteln Profis in launigen Vorträgen am Abend im Gemeindesaal Elbigenalp das Know-how rund um Ausrüstung, Tourenplanung, Gelände- sowie Lawinenkunde und sie erwärmen die Herzen der Bergfans jeden Alters und Könnergrades mit eindrucksvollen Fotos von Skitouren. Die stehen dann natürlich auch in der Praxis an.
Die Intension des Events fasst Martin Fiala wie folgt zusammen: Die Lechtaler Skitourentage sollen Appetit auf diese als Geheimtipp geltende Skitourenregion machen und gleichzeitig für mehr Sicherheit sowie Selbstbestimmung jedes Einzelnen bei diesem Wintersport sorgen. Dass gerade die Sicherheit wichtig ist, zeigen Unglücke in jüngster Vergangenheit, bei denen Tourengeher durch Lawinen starben.
Eine komplexe Thematik
Warum wird „Vallu“ eigentlich nicht müde? Das frage ich mich schnaufend bei jeder Spitzkehre, die ich mehr oder weniger gut mit den Atomic-Latten hinbekomme. Die Hangneigung beträgt in diesem Abschnitt über 30 Grad. Das zählt schon als Steilhang. Später „kraxelt“ die Gruppe noch eine Rinne mit über 40 Grad Neigung empor.
Große und geringe Zusatzbelastung, Abstände einhalten – mir schießen gerade alle möglichen Hinweise aus den Vorträgen durch den Kopf. Sogenannte „Fischmäuler“ – Zugrisse, die sich durch die Schneedecke ziehen und den Boden freilegen – lösen unter sich Gleitschneelawinen aus. Altschnee ist am tückischsten: Befinden sich in der Schneedecke kritische Schwachschichten und kommt dann Neuschnee dazu, sind diese nicht nur schwer zu erkennen, sondern bergen Lawinengefahr. Grob erklärt.
Wie komplex diese Thematik ist, macht Bergführer „Hubs“ bei einer Lawinenübung deutlich. Den Wetterbericht mit Wind und Neuschneemeldungen zu verfolgen (etwa über www.alpenvereinaktiv.com) und die Lawinenlage zu kennen (Hubs: „Der Lawinenbericht ist das Fundament der Tourenplanung“; etwa über lawinen.report und whiterisk.ch) sind genauso wichtig bei einer Tourenplanung wie das Festlegen einer möglichen Ausweichroute.
Bei der Ausrüstung gibt’s keine Kompromisse: Lawinenverschüttetensuchgerät (LVS), Sonde, Schaufel, Erste-Hilfe-Paket, Biwaksack, Stirnlampe, Multifunktionswerkzeug, Sonnencreme, etwas Warmes zum Unter- und Überziehen und eventuell fürs Freeriden einen Airbagrucksack, der im Ernstfall das Risiko minimiert, tief verschüttet zu werden, stehen auf der Packliste.
Das neueste Equipment wird den Teilnehmern der Lechtaler Skitourentagen von den Kooperationspartnern kostenlos gestellt.
Das Finale braucht auch Mut
Die finale Rinne liegt vor uns. Jetzt zählt noch einmal Ausdauer. Und Mut: Denn nach dem Aufstieg kommt die Abfahrt und die will im unpräparierten Gelände auf schmalen Wegen mit und ohne Tiefschnee nicht nur gelernt sein, sondern auch die Kraft muss dafür ausreichen. Oder wie Hubs sagt: „Fitnessstudiotraining bildet gerade mal eine 50-prozentige Basis fürs Tourengehen.“
Genau das ist der Punkt: Viele „Schreibtischtäter“ meinen, sie müssten nach einer Woche im Büro ein Sonnenfenster am Wochenende nutzen und mal eben für eine Skitour in die Berge – ohne Planung und Vorbereitung. Das geht eben nicht immer gut.
Mit der Natur im Einklang zu leben ist die Herausforderung – und das bezieht sich nicht nur auf das Tourengehen. Das Tiroler Lechtal ist prädestiniert für diesen Sport, bietet sanfte Hänge für Einsteiger genauso wie steile Herausforderungen für Könner.
Ich persönlich möchte den knirschenden Schnee unter den Ski, die klare Bergluft in der Lunge und das traumhafte Gipfelpanorama auf diese Art nicht mehr missen. Allerdings werde ich Skitouren auch weiter nur mit ausgebildeten Bergführern gehen.
Einen Podcast mit Martin Fiala und Hubertus Lindner zu den 1. Lechtaler Skitourentagen gibt es zu hören auf Spotify, Amazon Music, Podigee, Apple Podcasts und Deezer.
Zur Region
Eingebettet zwischen den Lechtaler und Allgäuer Alpen liegt die Naturparkregion Lechtal. Namensgeber ist der Lech, der auf seinem Weg Richtung Donau die Umgebung prägt. Die Ferienregion Tiroler Lechtal steht für einen nachhaltigen sowie authentischen Tourismus und ist das ganze Jahr über Ziel für Naturliebhaber und Ruhesuchende. Wanderer begeben sich auf den 125 Kilometer langen Lechweg, der durchs Tal mit 14 Ortschaften führt. Der Winter lädt zum Schneeschuhwandern, Skilanglauf und Skitourengehen ein. Kontakt zur Region: Lechtal Tourismus, Untergiblen 23, A-6652 Elbigenalp, Telefon 0043/5634/5315, info@lechtal.at, www.lechtal.at
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