Die Sanierung der Luegbrücke auf der Brenner-Autobahn A13 sorgt für erhebliche Verkehrsbehinderungen und wirtschaftliche Bedenken. Seit dem 1. Januar 2025 ist die stark frequentierte Strecke nur noch einspurig in beide Richtungen befahrbar, was zu kilometerlangen Staus und Verzögerungen führt.
Die aktuelle Verkehrssituation am Brenner
Die Einschränkungen auf der Brennerautobahn haben bereits in den ersten Tagen des Jahres 2025 zu massiven Verkehrsbehinderungen geführt. Am Freitag, dem 3. Januar, bildeten sich kilometerlange Staus:
- 8 km Stau zwischen Sterzing und dem Brennerpass auf der A22
- Über 2 km stockender Verkehr zwischen Brennerpass und Nösslach auf der A13
Reisende mussten für eine normalerweise 20-minütige Strecke bis zu zwei Stunden einplanen. Diese Situation ist besonders kritisch, da jährlich rund 14 Millionen Fahrzeuge diesen Abschnitt passieren.

Wirtschaftliche Auswirkungen der Staus am Brenner
Die Verkehrsbeschränkungen treffen die Wirtschaft in Südtirol und den angrenzenden Regionen hart. Der Hoteliers- und Gastwirteverband (HGV) zeigt sich alarmiert und warnt vor langfristigen Konsequenzen, insbesondere für den Tourismus. HGV-Präsident Manfred Pinzger betont: „Unter den gegebenen Voraussetzungen ist an ein erfolgreiches Wirtschaften in den nächsten drei Jahren nicht zu denken.“
Der HGV kritisiert die plötzliche Umsetzung der Einschränkungen ohne Rücksicht auf die verkehrsreiche Feiertagszeit. Pinzger erklärt: „Eine Brücke, die am 31. Dezember noch doppelspurig befahrbar war, sollte auch eine Woche länger ohne Bedenken nutzbar sein.“

Forderungen des Südtiroler Hotel- und Gaststättenverbandes und Ausblick
Der HGV fordert eine Überarbeitung des Fahrtenkalenders, um den Verkehrsfluss zu verbessern und Staus zu reduzieren. Zudem werden Nachverhandlungen mit der ASFINAG und der Tiroler Politik angestrebt, um eine bessere Abstimmung und Entlastung des Verkehrs zu erreichen, besonders an verkehrsintensiven Tagen. Die aktuelle Situation am Brenner verdeutlicht die Herausforderungen, die während der gesamten Bauzeit bis 2028 zu erwarten sind. Eine Lösung, die sowohl die Sicherheit als auch die wirtschaftlichen Interessen berücksichtigt, scheint dringend erforderlich.
Die Reise-Stories-Redaktion führte zur Situation am Brenner ein Interview mit Manfred Pinzger, Präsident des Südtiroler Hoteliers- und Gastwirteverbandes (HGV).

„Viele unserer Betriebe haben sich bereits darauf eingestellt, dass die Gäste früher im Hotel ankommen“
Reise-Stories: Haben die Südtiroler vorab Gespräche mit der ASFINAG geführt, um den Beginn der Einspurigkeit um eine Woche zu verschieben, um die Rückreisewelle abzuwarten?
Manfred Pinzger: Der Südtiroler Landeshauptmann, die Handelskammer aber auch die Brennerautobahn A22 haben in den letzten Monaten in zahlreichen Gesprächen und Verhandlungen mit den Entscheidungsträgern in Tirol alles versucht, um die Doppelspurigkeit so lange wie möglich aufrecht zu erhalten. Schlussendlich war es wohl nicht möglich, die bis zum 31.12.2024 geltende statische Genehmigung für eine permanente Zweispurigkeit auch für das Jahr 2025 zu erhalten.
Angekündigt ist, dass der Verkehr an 170 bis 180 verkehrsreichen Tagen am Brenner doch über zwei Spuren laufen soll. Stimmt das und wie glaubwürdig ist das, nach der Erfahrung des vergangenen Wochenendes?
Das stimmt. Mitte Dezember hat die ASFINAG einen Fahrtenkalender veröffentlicht, in dem jene Tage vermerkt sind, an denen die Luegbrücke pro Richtung zweispurig befahren werden kann. Wieso das Wochenende nach Neujahr nicht in diese Kategorie fiel, muss nun aufgearbeitet und geklärt werden.
Die von der Handelskammer Bozen präsentierte Studie „Worst Case Brenner“ beschäftigt sich mit der einspurigen Befahrbarkeit und deren Auswirkungen: Einbußen von 174 Millionen bis 600 Millionen Euro für die Südtiroler Wirtschaft. Mit welchen Auswirkungen rechnen die Südtiroler Hotel- und Gaststättenbetriebe für ihr Geschäft?
Als Tourismussektor sind wir auf eine gute Erreichbarkeit unserer Destination angewiesen. Mit Blick auf die Buchungslage sind derzeit keine größeren Anomalien im Vergleich zu den vergangenen Jahren ersichtlich. Viele Gäste passen ihren Anreiseplan auch dahingehend an, dass sie in der Nacht anreisen, um ohne Verzögerungen in Südtirol anzukommen. Von den Beherbergungsbetrieben ist im Gegenzug Flexibilität gefragt. Insofern bleiben wir weiterhin optimistisch, dass 2025 trotz allem wieder ein gutes Jahr wird.
Ist auch die Versorgung mit Lebensmitteln gefährdet? Rechnet der Verband mit Lieferverzögerungen?
Absolut nicht. Generell bin ich zwar der Ansicht, dass ein laufendes Justieren des Fahrtenkalenders notwendig ist, die Situation aber nicht dramatisiert werden darf. Baustellen und Beeinträchtigungen entlang der verschiedenen Haupttransitrouten sind leider nichts Ungewöhnliches. Das ist die Folge, wenn öffentliche Verwaltungen nicht oder zu spät in Infrastrukturen und in deren Erhalt investieren.
Wie wird sich die Situation auf andere Pässe auswirken, zum Beispiel den Reschenpass?
Einige Gäste werden sich sicher überlegen über andere Routen nach Südtirol zu kommen, falls für sie die Anreise nachts oder an den Tagesrändern nicht in Frage kommt. Insofern kann es durchaus sein, dass mehr Anreiseverkehr über den Reschen oder auch das Pustertal kommen wird.
Für die letzte Meile, also die Fahrt von den Bahnhöfen und vom Flughafen zum Beherbergungsbetrieb, haben wir als HGV den „Südtirol Transfer“ ins Leben gerufen, der unkompliziert online gebucht werden kann. Insofern ist eine Anreise nach Südtirol ohne Auto möglich und wird vermehrt praktiziert.
Welche Ausweichmöglichkeiten und Verkehrsverlagerungen bestehen für Reisende? Was empfehlen die Südtiroler Beherbergungsbetriebe ihren Stammgästen bzw. potenziellen Neu-Gästen zum Umgang mit der Situation?
Die Anreise mit dem Zug wird mittlerweile von vielen Gästen genutzt, aber auch der Flughafen Bozen ist am Wachsen. Für die letzte Meile, also die Fahrt von den Bahnhöfen und vom Flughafen zum Beherbergungsbetrieb, haben wir als HGV den „Südtirol Transfer“ ins Leben gerufen, der unkompliziert online gebucht werden kann. Insofern ist eine Anreise nach Südtirol ohne Auto möglich und wird vermehrt praktiziert. Sollte man trotzdem mit dem Auto anreisen wollen, so empfiehlt es sich die Nacht oder die Tagesränder zu nutzen, um den Überlastungen auszuweichen.
An welchen Lösungen arbeiten Wirtschaft und Politik zur Minderung der Auswirkungen für den Südtiroler Tourismus?
Viele unserer Betriebe haben sich bereits darauf eingestellt, dass die Gäste früher im Hotel ankommen und dementsprechend betreut werden, bis ihr Zimmer bezugsfertig ist. Vonseiten der Politik fordern wir, dass über ein zwischenzeitliches Aufheben des Nachtfahrverbots für LKWs durch Tirol weiterverhandelt wird, um den Schwerverkehr nicht nur auf den Tag zu konzentrieren, sondern dadurch eine Entzerrung der Verkehre zu ermöglichen.
Fotos: HGV; Porr-Gruppe