Unser aller Sehnsucht nach einer kurzen Auszeit, grenzenloser Freiheit und weitläufiger Natur wurde im vergangenen Jahr wohl noch stärker. Jetzt, wo der Sommer langsam in den Herbst übergeht, sollte man die Zeit nutzen, seine „Sehnsüchte“ zu erfüllen. Dazu ein Vorschlag: ESTLAND, die Schönheit des Nordens.
Text: Girasole
Redigiert von Gerhard Fuhrmann
Eine Reise in ein modernes Land mit vielen Traditionen, wilden Küsten, unberührter Natur und einer lebhaften Hauptstadt, deren Ortskern zum UNESCO Weltkulturerbe zählt.
Estlands unberührte Natur
Über 2.000 Inseln, 3.794 Kilometer Küste, fast die Hälfte des Landes ist mit Wald bedeckt, weite Moorlandschaften und sechs große Nationalsparks – Estland ist abwechslungsreich und somit das perfekte Reiseziel für Naturliebhaber. Auf den Ostseeinseln ticken die Uhren noch etwas langsamer als auf dem Festland, wer Entspannung sucht ist hier genau richtig. Ob auf der größten aller estnischen Inseln Saaremaa oder auf Hiiumaa, Muhu, Kihnu, Ruhnu oder Vormsi, Reisende können abschalten und die Gelassenheit des baltischen Insellebens kennenlernen. Was bei einem Estlandurlaub niemals fehlen sollte? Der Besuch eines Moores. Das Viru-Hochmoor verfügt beispielsweise über einen der am besten zugänglichen Moorpfade im Land. Der Lehrpfad führt durch die für Lahemaa typischen Wald- und Moorlandschaften, ist 3,5 Kilometer lang und hat auf halber Strecke einen Aussichtsturm.
Lahemaa, das ist der größte und älteste Nationalpark und liegt im Norden des Landes. Er vereint felsige und sandige Ostseeküstenabschnitte, weite Wiesen und eben jene mystischen und beeindruckenden Moorgebiete.
Der Soomaa Nationalpark ist für seine Hochmoore und die schönen Wanderwege bekannt. Außerdem kann man hier die „fünfte Jahreszeit“ erleben. Das ist die Zeit zwischen Winter und Frühjahr, wenn der Schnee schmilzt und sich der Park mit Wasser füllt. Dann können die Wälder mit einem Kanu erkundet werden.
Orchideenliebhaber, Robben-Fans und Vogelfreunde sind im Nationalpark Vilsandi richtig. Er befindet sich im Westen der Insel und besteht aus 150 kleinen Inseln. Tierische Begegnungen gibt es auch im Nationalpark Alutaguse: In der neuen Bärenbeobachtungshütte besteht die einmalige Chance, die beeindruckenden Raubtiere in freier Wildbahn zu bewundern. Aus sicherer Entfernung können neben Braunbären auch Marderhunde, Seeadler, Biber und Elche beobachtet werden. Mit 11.000 Hektar ist Karula der kleinste Nationalpark Estlands.
Einzigartige Übernachtungsmöglichkeiten
Pulsierende Städte, einzigartige Naturlandschaften, eine tolle Küche und herzliche Begegnungen mit den liebenswert-schrulligen Einheimischen sind wichtige Komponenten, um einen unvergesslichen Urlaub zu schaffen. Was dabei nicht fehlen darf? Der perfekte Rückzugsort. Für die schönste Zeit des Jahres bietet Estland zahlreiche einzigartige Unterkünfte. Wie wäre es zum Beispiel mit einer Nacht in einer Windmühle? Die liebevoll renovierte Windmühle auf der Sõrve Halbinsel auf Saaremaa ist der perfekte Zufluchtsort, um dem stressigen Alltag zu entfliehen, den Wellen zu lauschen, die gegen die Ohessaare Klippen schlagen und romantische Stunden zu zweit zu genießen.
Wer die nächste Stadt nicht ganz so weit hinter sich lassen möchte, der kann das gemütliche Baumhaus, nur wenige Kilometer südlich von Tallinn, besuchen. Umgeben vom dichten Wald lassen sich hier entspannte Urlaubstage mit bis zu vier Personen verbringen. Eine Auszeit auf dem See bieten hingegen die fünf Campingfässer in Paekalda. Das Highlight ist hier die Glaswand in den Holzfässern, die einen freien Ausblick auf den See bietet – unvergessliche Sonnenaufgänge über dem Wasser inklusive!
Etwas luxuriöser, und mit einem mindestens genauso schönen Blick ausgestattet, sind die Aussichtshäuser an der Westküste der Insel Wormsi am unter Naturschutz stehenden Kalksteinufer. Die Häuser bestechen mit riesigen Panoramafenstern – zum einen auf den Wald, zum anderen auf das baltische Meer ausgerichtet. Für den perfekten Ausklang eines eindrucksvollen Tages sorgen gemütliche Grillabende auf der Terrasse des Hauses. Ein weiteres Highlight ist das Spiegelhaus mitten im Wald. Drei komplett verspiegelte Wände sorgen nicht nur für eine Rundum-Aussicht, sondern machen die Unterkunft nahe Tallinn auch zu einem ganz besonderen Blickfang inmitten der Natur.
Tradition trifft auf Moderne in Tallinn
Pulsierende Hauptstädte voller Gegensätze sind nichts ungewöhnliches, bei gerade einmal 430.000 Einwohnern und einer Fläche halb so groß wie München aber doch etwas verwunderlich. Die estnische Hauptstadt Tallinn bietet malerische Altstadt und moderne Geschäftswelt, hippe Künstlerviertel und weitläufige Strandabschnitte – für jeden Geschmack etwas. Kulturinteressierte finden in der von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärten mittelalterlichen Altstadt nicht nur eine der am besten erhaltenen Stadtmauern Nordeuropas und die Ratsapotheke, die als die älteste, durchgehend in den gleichen Räumlichkeiten betriebene Apotheke Europas gilt, sondern auch viele Handelshäuser aus der florierenden Hansezeit.
Wer auf der Suche nach kreativen Künstlerateliers, bunten Häusern und hippen Restaurants ist, kommt im Stadtteil Kalamaja auf seine Kosten oder schlendert durch das Hafenviertel Noblessner, in dem auf eindrucksvolle Weise die historischen Industriegebäude der ehemaligen U-Boot-Werft mit modernem Städtebau verbunden wurden. Aktivurlauber machen sich nach Rocca al Mare auf und spazieren durch das Estnische Freilichtmuseum oder am weitläufigen Strand bis zum charmanten Yachthafen von Kakumäe entlang. Für einen malerischen Blick über die Stadt lohnen sich die 157 Stufen der Patkulschen Treppe von der Unterstadt hinauf auf den Domberg zur Aussichtsplattform. Dort liegen Besuchern die Stadtmauer, die Tallinner Türme und der Hafen zu Füßen.
Schätze aus der Natur
Auf den ersten Blick wirkt die estnische Küche deftig und einfach, doch sie ist eng mit der Natur und deren Jahresverlauf verbunden und bringt so eine abwechslungsreiche Vielfalt hervor. Während im Frühjahr mit jungen Fichtentrieben, Löwenzahn, Sauerampfer und Bärlauch gekocht wird, stehen im Spätsommer Pilze, Heidel- und Preiselbeeren im Fokus. Die Esten sind stolz auf ihre Schätze der Natur und werden gerne zu Jägern und Sammlern, wenn es um leckeres Essen geht. Regionale Produkte und kulinarische Hochgenüsse schließen sich keinesfalls aus, was zahlreiche Gourmet- und Sternerestaurants genauso wie kleine, alteingesessene Lokale beweisen.
Die Qualität der estnischen Küche spiegelt sich auch in den zahlreichen Platzierungen in der Gastrobibel der nordischen Länder, dem White Guide Nordic, wider. 82 Restaurants haben es auf die Liste geschafft. Zur bunt gemischten Gastroszene zählen auch viele charmante Cafés, deren Besuch sich nicht zuletzt wegen der feinen Schokopralinen und Marzipanfigürchen lohnt.
Wer ein leckeres Souvenir aus Estland mit nach Hause nehmen möchte, kann sich in verschiedenen Workshops an der Herstellung der süßen Leckereien versuchen oder kauft auf einem der vielen Märkte ein „must leib“. Das dunkle, malzige Sauerteigbrot hat den Esten eine regelrechte Brotkultur beschert, wie man sie sonst nur aus Deutschland kennt. Viele junge Menschen haben den Großeltern Löcher nach den besten alten Rezepten in den Bauch gefragt und das traditionelle Brot auf Roggenbasis zurück auf die Teller des Landes gebracht.
Von Saunen, Digitalisierung und Liedern
Samstag ist Saunatag und die Sauna so etwas wie der soziale Kitt Estlands. Die Schwitz-Tradition hat eine lange Geschichte, bereits Quellen aus dem 13. Jahrhundert bestätigen die Verwendung eines „viht“ – was im Deutschen mit Sauna-Quirl übersetzt werden kann – bei Saunagängen. Mit den kleinen Bündeln aus Zweigen schlagen sich die Leute, auch gegenseitig, um den Kreislauf noch zusätzlich anzuregen, bevor es dann nach draußen in den See oder das erfrischende Meer geht.
Im Südosten Estlands gibt es eine weitere Besonderheit: Die dort bekannten Rauchsaunen kommen ohne Schornstein aus und gehören mittlerweile zum UNESCO Weltkulturerbe. Wie tief das Saunieren in der estnischen Kultur verankert ist, zeigt auch ein alter Volksglaube, demzufolge man in der Schwitzhütte niemals streiten sollte. Die guten Geister, die keine Streitigkeiten kennen, würden dadurch sehr irritiert werden.
Generell sind Aberglaube und heidnische Bräuche in Estland stark verbreitet, nur 32 Prozent bekennen sich zu einer Glaubensrichtung und bei wichtigen Lebensentscheidungen ziehen viele Esten Hellseher oder Wahrsager zu Rate. So mag es auf den ersten Blick erstaunlich sein, wie fortschrittlich das Land zugleich ist: Sogar im letzten Winkel der Wälder gibt es eine 4G-Internetverbindung, Firmen werden online bequem von zu Hause aus gegründet, ihre Steuererklärung machen Esten innerhalb von zehn Minuten im Netz. Nach der 1991 erlangten Unabhängigkeit hat das Land direkt den Sprung ins 21. Jahrhundert gewagt und gibt seitdem das Tempo der Digitalisierung vor. Geblieben ist die Liebe zu den Traditionen, zu denen auch die vielen Volkslieder zählen. Über 113.000 verschiedene Lieder fasst das Repertoire, das bei den vielen Festen zum Besten gegeben wird und von Tänzen in der bunt gestreiften Nationaltracht begleitet wird. Höhepunkt ist das große Sänger- und Tanzfestival auf dem Tallinner Sängerfeld. Die nächsten Festivals finden 2023 (Sänger- und Tanzfestival für Jugend) und 2025 (Das große Sänger- und Tanzfestival) statt.
Sicheres Reisen
Das Auswärtige Amt der deutschen Bundesregierung hat Estland ab sofort von der Liste der Risikogebiete genommen. Und auch die Schweiz verkündete, dass Estland nicht mehr auf der BAG-Risikoliste steht und die Rückreise in die Schweiz somit ohne Quarantäne erfolgen kann. Vollständig Geimpfte und Genesene dürfen ohne Quarantäne nach Estland reisen. Aufgrund der niedrigen Inzidenzen in Deutschland, Österreich und der Schweiz entfällt für Reisende aus diesen Ländern, die keine Impfung oder eine Genesung vorweisen können, ebenfalls die Quarantänepflicht in Estland. Vor Ort gelten für Reisende aktuell nur folgende zwei Corona-Schutzmaßnahmen: Das Tragen einer Maske wird in überfüllten oder engen Räumen empfohlen und sollte nach Aufforderung medizinischen Personals oder der Betreiber auf jeden Fall Folge geleistet werden. Außerdem wird darum gebeten, in öffentlichen Räumen so viel Abstand wie möglich zu halten.
Reisende können sich zudem an dem Label „You are safe here“ orientieren, das entweder an Eingangstüren oder auf Webseiten zu finden ist und Einrichtungen bestätigt, dass sie sich an alle geforderten Verhaltens- und Umgangsregeln des Gesundheitsamtes halten. Um das Siegel zu führen, müssen die Betriebe an Fachseminaren teilnehmen. Mit Hilfe eines entsprechenden Filters können Gäste hier auch gezielt nach sicheren Unterkünften suchen. Änderungen der allgemein geltenden Sicherheitsmaßnahmen werden stetig auf der offiziellen Webseite aktualisiert.