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Brenninger zog es wieder einmal aufs Land. In die heile Welt. Mit dem Rad. Also begab er sich via Münchner S-Bahn vor die Tore der Stadt und strampelte ab dort in Richtung Erding. Gen Weißbier sozusagen, denn wie gesagt: Brenninger suchte an diesem Tag die heile Welt.
Und fand sie auch prompt. An einem Trafo-Häuschen gleich neben den Gleisen. Dort war in etwa 20 Zentimeter hohen Lettern hin gekrixelt:
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JENNY VINCSI FIKCT JEDEN
„Das mag ja durchaus sein“, dachte sich Brenninger, beim Vorbeifahren den Kopf wendend, „dass diese Jenny jeden fikct. Bis auf einen. Jenen, der das ans Trafo-Häuschen gepinselt hat.“
Denn für Brenninger war klar, was diese Jenny sich gedacht hatte:
Wenn einer das schon nicht richtig schreiben kann, was er möchte, also nicht einmal die Theorie beherrscht – wie soll das dann erst in der Praxis aussehen? Bringt er da – so wie hier die Buchstaben – die Arme und Beine und sonstiges durcheinander?
Armer Tropf, dachte sich der Brenninger. Aber irgendwie erheiterte ihn auch das harte Schicksal des nichtgefikcten sicherlich jungen Mannes und er stieg in die Pedale, dass sein Bike geradezu wieherte vor Freude über das angeschlagene Tempo.
Der Brenninger schoss also über die Landstraße dahin und dachte an dies und dachte an das – aber dann kam ihm doch wieder dieser Spruch ins Gemüt. Und da fiel ihm die Angelegenheit mit dem Annamirl ein. Das Annamirl war ein recht loses Mädchen an seiner Volksschule gewesen und die Buben, die von ihrem losen Wesen nichts ab bekamen, verfassten durchaus rachsüchtig einen Reim, den sie an die Wand des Hortgebäudes kritzelten:
ANNAMIRL,
ZUCKERSCHNÜRL,
FLICKT DEM FRANZ
SEI HOSENTÜRL.
Der Franz, das muss man wissen, war ein rotzfrecher Kribbe (wie man in Bayern politisch unkorrekt sagt) und radelte fast jede Woche ein bis zwei Mal mit dem Annamirl – aber auch mit anderen frühreifen Mädchen – in den Wald. Seine Frage an die junge Damenwelt lautete immer ganz direkt: „Gähst mit in Woid?“. Eine Frage, die zu stellen die anderen Buben NIE gewagt hätten. Weshalb sie auch nie in den Wald kamen, sondern zur gleichen Zeit brav im Sportverein trainierten. Wie der Brenninger zum Beispiel.
Die Zugetanheit des forschen Franz zum zarten Geschlecht führte ihn als Lehrling in ein Münchner Hotel, wo er als Page durchaus Erfolg genoss. Und wo er in späteren Jahren – als ein mit allen Wassern gewaschener Liftboy – sicher einmal eine reiche Amerikanerin im Aufzug kennen und sie ihn lieben gelernt hätte. So dass er dank seiner Chupze und auch seines Charmes dadurch vielleicht ein Millionärinnen-Gatte geworden wäre. Aber mit 22 Jahren starb der Franze – urplötzlich. Und man weiß bis heute nicht recht, an was. An gebrochenem Herzen jedoch garantiert nicht.
Was aber wohl aus dem Annamirl geworden ist?, sinnierte der Brenninger, als er einen malerischen Bach entlang fuhr, neben dem ein Wald lag, der ein so schön dichtes Gehölz auf wies wie damals die Forste, die der fesche Franz stets bevorzugt hatte. (Denn er schätzte die Blickdichtheit, der junge Genießer.)
Ach ja, das Annamirl. Zum letzten Mal hatte der Brenninger sie vor etwa zwanzig Jahren getroffen. Zufällig. In der Innenstadt. Vor einem Schaufenster. Sie sah trotz ihrer bestimmt schon 28 Jahre immer noch klasse aus. Und als sie ihn auch erkannte und ihm in die Augen sah und lächelte – da wäre der Brenninger gerne mit ihr in den Wald geradelt. Aber rund um den Marienplatz gibt es keinen Wald und so war er froh, dass er diese Frage zu stellen nicht wagen musste.
Aber wenn sie JA gesagt hätte? Ein heißes Bild stieg bei diesem Gedanken vor Brenninger auf. Und er schnaufte nun ein wenig. Rutschte unruhig auf dem Sattel hin und her. Und wusste plötzlich, was genau das eigentlich ist: ein Radständer.
Schade, dass seine Frau nicht dabei war, dachte er. Sie wären jetzt sofort in den Wald abgebogen. Hätten sein kleines Problem genossen. Und wären hinterher zwar voller Tannennadeln gewesen. Aber hätten dennoch glückselig in einen Baum geritzt:
DAS LEBEN IST VERFIKCT SCHÖN.
Jupp Suttner
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Wer den Brenninger nicht kennt: Der ist 47 Jahre jung, 1,77 m groß, bisweilen bis zu 80 kg schwer und ein typischer Freizeitsportler. Er ist auch oftmals auf Reisen. Was er unterwegs und zu Hause erlebt, lesen Sie jeden Dienstag auf Reise-Stories.de – niedergeschrieben von Jupp Suttner. Wobei schon allein am Alter ersichtlich ist, dass der Autor NICHT der Brenninger ist. Wer genau hinter B. steckt – wer weiß das schon…
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