Trumpfkarten Natur und Kultur im zauberhaften Gelderland

Er wurde zwar nicht in der Provinz Gelderland geboren, sondern weiter nördlich in Groningen, er war dennoch einer der größten Kulturphilosophen und Historiker des vergangenen Jahrhunderts. Die Rede ist von Johan Huizinga (1872 – 1945), der in seinem klassischen Werk „Homo Ludens“, das in deutscher Übersetzung erstmals 1939 in Amsterdam erschien, so eindrucksvoll dem Menschen als Denker (homo sapiens) und dem Handwerker (homo faber) den Menschen als Spieler (homo ludens) zur Seite stellte. Und in seinem bahnbrechenden Essay zur Kulturgeschichte und Anthropologie eine Theorie der Kultur entwarf, deren grundlegendes Element das Spiel ist und den Menschen als Spieler zur Triebfeder kultureller Entwicklung deutet. Ohne seinen Drang und seine Fähigkeit zum Spielen gäbe es nach Huizinga keine Dichtung, keine Wissenschaft, keine bildende Kunst, keine Philosophie und kein Recht. Auch keinen Tourismus, möchte man ergänzen, denn in der Lust am Entdecken, am ungezwungenen, spielerischen Aneignen des Unbekannten, liegt eine wichtige Triebfeder der Reisenden. Und wenn wir dann noch aus neuen, bereichernden Kulturelementen eigene verkrustete Handlungsmuster überwinden, geht uns ein Licht auf: der Ursprung der Kultur liegt im Reisen und im Spiel. Gibt es etwas Schöneres?  

Die Niederlande sind ein Fahrradland, auch im Nationalpark Hoge Veluwe.

Was aber hat das nun mit der niederländischen Provinz Gelderland zu tun? Nun, einmal davon abgesehen, dass Johan Huizinga in Gelderland im Rhedener Ortsteil De Steeg in einem ihm vom Nazi-Regime zugewiesenen Landhaus starb, kann man hier in dieser ländlichen Gegend wunderbar nachempfinden, wie bedeutend und stilbildend das spielerische Element für die Verbindung von unverfälschter Natur und bewundernswerter Kultur ist. Die drei Zauberworte sind dabei Hoge Veluwe, Het Loo und Kröller-Müller. Noch nie gehört? Das ist mit Sicherheit keine Schande, denn gerade in süddeutschen Gefilden kennt man eher den kleinsten Weiler in einem abgelegenen Alpental als Orte im gelderländischen Flachland. Das sollte man allerdings bei nächster Gelegenheit ändern, denn hier bekommt man auf wundervolle Art und Weise vor Augen geführt, dass man mit spielerischer Leichtigkeit so scheinbar gegensätzliche Elemente wie die Natur und die Kultur verbinden kann, ohne an Ernsthaftigkeit zu verlieren. Und trotz der Ehrfurcht weckenden Hochkultur die ungezwungene Verspieltheit behält, die von einer mal wilden, mal gezähmten Natur zusammengehalten wird.

Im Nationalpark Hoge Veluwe gibt es mächtige Bäume und Wälder.

Das Gelderland erstreckt sich im östlichen Teil der Niederlande, eine Provinz, die an Deutschland, insbesondere an den Kreis Kleve grenzt und deren Landschaft eine faszinierende Vielfalt von sanften Flussauen entlang des Rheins bis zu malerischen bewaldeten Hügeln und weitläufigen Sanddünen umfasst. Gelderland ist die Provinz der Niederlande, die über die größte Grundfläche verfügt, mit einer beeindruckenden Größe von 5136 Quadratkilometern und rund 2,06 Millionen Einwohner/innen. Die Provinzhauptstadt Arnheim hat 166.000 Bewohner. Die wechselvolle Geschichte dieser Provinz erstreckt sich über Jahrhunderte und besitzt eine große Bedeutung für die gesamten Niederlande. Mit stolzer Berechtigung trägt Nimwegen den Titel als die älteste Stadt der Niederlande, sie ist lebendiger Zeuge vergangener Epochen und bedeutender historischer Ereignisse, wie dem Frieden von Nijmegen von 1678-79 oder der Belagerung der Stadt  im Jahre 1678. Im Jahre 100 n. Chr. gegründet,  zeichnet sie sich nicht nur durch eine lebendige Atmosphäre aus, sondern beeindruckt auch mit historischer Architektur, charmanten Plätzen und einer pulsierenden Kulturszene. Sehenswürdigkeiten wie die St.-Stevenskerk und die Waalbrücke fügen sich nahtlos in das Stadtbild ein. Nijmegen bietet nicht nur kulturelle Schätze, sondern auch gemütliche Cafés, Restaurants und Grünflächen, die das Flair dieser historischen Hansestadt unterstreichen. In diesem geschichtsträchtigen Landstrich offenbaren sich die Spuren einer reichen Vergangenheit. Auch Apeldoorn ist eine charmante Stadt, in der das Leben einen nahezu spielerischen Charakter zu haben scheint.

Stille Ecken und weite Felder wechseln sich ab im Nationalpark Hoge Veluwe.

Der Nationalpark De Hoge Veluwe ist ein herausragendes Naturreservat. Der Park umfasst unterschiedlichste Landschaftsarten, darunter  Heide, dichte Wälder und sogar Sanddünen. Neben seiner natürlichen Schönheit beherbergt er auch das Kröller-Müller-Museum. Der Park ist ein besonderer Ort, der Besucher/innen zu erholsamen Spaziergängen und kulturellen Entdeckungen einlädt und natürlich über ein ausgedehntes Fahrrad- und Wanderwegenetz verfügt. Auch Autos dürfen im Schritttempo den weitläufigen Nationalpark durchfahren, ohne dass es zu stressigen Staus kommt, denn die Zufahrt in den Park wird kontrolliert und mit einer Gebühr versehen.

Die Skulpturengärten im Kröller-Müller Museum begeistern die Besucher.

Das Kröller-Müller Museum, im Herzen des Nationalparks De Hoge Veluwe gelegen, beherbergt eine beeindruckende Privatsammlung von Kunstwerken, darunter höchst bedeutende Werke von Vincent van Gogh und die größte private Van-Gogh-Sammlung der Welt. Helene Kröller-Müller (1869 – 1939) erwarb mit großer Hingabe Bilder von Van Gogh, Picasso, Mondrian und vielen anderen Künstlern. Sie war eine eigenwillige Frau mit einem Lebensziel: ein Museum für ihre einzigartige Sammlung zu bauen und es dem niederländischen Volk zu schenken. Da die Wirtschaftskrise in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts ihren Traum zerstörte, überließ sie ihre umfangreiche Kunstsammlung dem niederländischen Staat unter der Bedingung, dass er den Bau des Museums übernehmen sollte. So entstand das heutige Kröller-Müller Museum im Nationalpark De Hoge Veluwe. Helene Kröller-Müller war eine bedeutende Mäzenin im frühen 20. Jahrhundert und eine der ersten Frauen in Europa, die eine große Kunstsammlung zusammenstellte. Sie wurde 1869 in Deutschland geboren und heiratete 1888 den Niederländer Anton Kröller. Unter der Leitung ihres Ehemannes entwickelte sich die von ihrem Vater gegründete Firma Müller & Co. zu einem sehr erfolgreichen Unternehmen. Der wirtschaftliche Erfolg bildete die Grundlage, auf der Helene Kröller-Müller 1907 ihre Kunstsammlung begann. Und sie erlebte, wie ihr Traum Wirklichkeit wurde, als das Kröller-Müller Museum 1938 im Nationalpark Hoge Veluwe seine Türen öffnete, und war bis zu ihrem Tod 1939 Direktorin des Museums. Architekt des Gebäudes war der Belgier Henry van de Velde. In den 1970er Jahren kam ein weiterer Flügel hinzu, der auf einem Entwurf des niederländischen Architekten Wim Quist beruhte. Moderne Meisterwerke inmitten von Wald und Nationalpark, das Kröller-Müller Museum beherbergt eine beeindruckende Sammlung von Kunstwerken des 20. Jahrhunderts. Diese Sammlung umfasst unter anderem führende Vertreter des Kubismus, des Futurismus und der Avantgarde: Pablo Picasso, Georges Braque, Giacomo Balla, Vilmos Hùszar, Fernand Léger, Barbara Hepworth und viele mehr.

Natur und Kultur gehen in Gelderland eine harmonische Symbiose ein.

Helene Kröller-Müller sammelte außerdem Werke von De Stijl und war Mäzenin des bekannten De-Stijl-Künstlers Bart van der Leck. Das Museum bildet die Schatzkammer von De Stijl, ferner gehören auch mehrere Werke von Piet Mondrian und Theo van Doesburg zur Sammlung. Im Jahre 1948 wurde Bram Hammacher neuer Direktor des Museums. Er verlieh ihm eine neue Dimension, indem er Skulpturen mehr Platz einräumte. Hammacher reagierte damit auf den Nachkriegstrend, bei dem Bildhauer ihre Arbeiten unter freiem Himmel zeigten und mit der Erfahrung des Raumes in der Natur, dem Wechsel von Licht und Jahreszeiten experimentierten. Unter großem landesweitem Interesse wurde 1961 der Skulpturengarten eröffnet, der heute mit 25 Hektar und gut 160 Skulpturen zu einem der größten Skulpturengärten Europas zählt, in denen die Verbindung von Kunst und Natur spielerisch unterstrichen wird. Ein einzigartiger Ort, um Kunst inmitten der natürlichen Schönheit der Veluwe zu erleben. Das Museum und sein modernes Präsentationskonzept lassen eine ungezwungene, nicht mit erhobenem Zeigefinger daherkommende Atmosphäre entstehen, in der man sich wohlfühlt und große Kunstwerke mit den Füßen auf dem Boden genießen kann.

Der Paleis Het Loo weckt königliche Gefühle.

Und am Nordrand des Nationalparks wird dem Ganzen im wahrsten Sinne des Wortes die Krone aufgesetzt: Paleis Het Loo heißt das märchenhafte Anwesen. Das königliche Schloss in Apeldoorn fasziniert mit seiner prächtigen Architektur und den wundervollen Gärten. Das Schloss diente einst als königliche Residenz der Oranier und bietet Einblicke in das Leben des niederländischen Königshauses.

Die Geschichte des niederländischen Königshauses kann man im Paleis Het Loo hautnah erleben.

Die opulenten Räume sind mit historischen Artefakten und königlichen Sammlungen geschmückt. Die weitläufigen Gärten und der Barockpark laden Besucher/innen zu einem malerischen Spaziergang ein, während das Schloss selbst die Geschichte der niederländischen Monarchie zum Leben erweckt.

Die Barockgärten in Het Loo sind von formaler Ästhetik geprägt.

Und auch hier herrscht wieder eine verspielt-vergnügliche Atmosphäre, wird doch neben all den bedeutenden Ausstellungsstücken rund um das niederländische Königshaus zum Beispiel auch der „Iron Throne“ aus der berühmten Fantasy-Serie Game of Thrones als Zeichen der Macht gezeigt, deren man sich aber nie sicher sein kann.

Im Paleis Het Loo ist auch der Iron Throne aus Game of Thrones zu sehen.

Und wen sollte man von den grandiosen Orten in Gelderland zuerst besuchen? Lassen sie die Würfel entscheiden, hier gewinnen sie immer.

Allgemeine Informationen

Niederländisches Büro für Tourismus & Kongress, https://www.holland.com/de

Übernachten: Bastion Hotel Apeldoorhet Loo, https://www.bastionhotels.com

Attraktionen:

Het Nationale Park De Hoge Veluwe, www.hogeveluwe.nl

Kröller-Müller Museum, www.krollermuller.nl

Paleis Het Loo, www.paleishetloo.nl

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Jörg Berghoff

Autor Kurzvorstellung:

Jörg Berghoff führt als freier Autor und Journalist seit 1998 ein Pressebüro für Tourismus, Kultur und Sport. Als Reisejournalist spezialisiert auf Irland, Großbritannien, Europa und Australien. Studium der Kunstgeschichte und Ethnologie, Winzermeister und Buchhändler.

Hinweis: Dieser Beitrag wird regelmäßig von Mitgliedern der Reise-Stories Redaktion wie Heiner Sieger, Gerhard Fuhrmann und Jupp Suttner auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft. Falls Sie Anmerkungen zu diesem Beitrag haben, kontaktieren Sie bitte direkt hier die Redaktion.

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