Spiel mir das Lied vom Jedermann

Jeeedermaaaannnnnn!!!!!! Drohend donnert der Ruf über den Domplatz. Den Menschlein auf der Freiluft-Tribüne kriecht eine Gänsehaut über den Rücken. Jeeeeedermaaaannnnnn!!!!!! Der Atem stockt. Natürlich weiß man, wie die Sache ausgeht. Aber trotzdem: Faszinierend, spannend, berührend und schaurig ist die Story des Hugo von Hofmannsthal auch mehr als neun Jahrzehnte nach ihrer Erstaufführung noch. Und sie verweist in punkto Aufmerksamkeits-Erregung bei den Salzburger Festspielen sämtliche anderen Darbietungen nach wie vor auf die Ränge. Was zwar eine unglaubliche Ungerechtigkeit gegenüber den Weltklasse-Aufführungen der Wiener und Berliner Philharmoniker ist – aber was sollen diese grandiosen Orchester schon ausrichten gegen den Hype, den der Jedermann und die Frage, wie groß das Temperament und der Busen der Buhlschaft sind, bei den Medien auslösen.

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Foto oben:

Salzburg bei Nacht

Fotocredit & Copyright:

Tourismus Salzburg GmbH – auch für alle anderen Fotos dieses Reports mit Ausnahme von Bill Frisell auf der Bühne (Foto: Jupp Suttner)

Text:

Jupp Suttner

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Die Salzburger Festspiele geben unbestritten den Höhepunkt des Salzburger Jahres und das Stück vom  Sterben des reichen Mannes wiederum bildet das PR-mäßig Bedeutendste dieser Juli-August-Periode. Anschließend jedoch, die nächsten Monate, heißt es, herrsche in der Residenzstadt an der Salzach tote Hose. Was die meisten Einheimischen nach der Fremdenflut des Sommers zwar durchaus begrüßen würden – jedoch nicht der Wahrheit entspricht. Denn zwischen dem Jedermann im Sommer und dem Christkindlmarkt im Dezember findet noch ein wunderbares weiteres Ereignis statt: Jazz & the City. Seit 18 Jahren bereits. Dieses Mal von 25. bis 29. Oktober. Und wer weiß – vielleicht wird es ja wieder ein Wunder setzen wie bei der letzten Austragung 2016. Denn:

 

Da trat nun auch bei den JAZZ-Nächten der Jedermann auf! Nach dem Sommer nun auch im Herbst! Zwar nicht im gewaltigen üblichen Brimborium. Aber faszinierend auf völlig andere Art: Im Mozarteum spielte Bill Frisell, Experten gemäß „einer der gefühlvollsten und geräuschgenialsten Gitarristen des amerikanischen Jazz“ – und interpretierte

Bill Frisell (links) & Band

mehr als dreißig Minuten lang Ennio Morricones „Spiel mir das Lied vom Tod“: als gewissermaßen Hommage an die Jedermann-Stadt. Die Menschen saßen mit brennenden Augen und offenen Mündern wie implodiert auf ihren Sesseln – ehe sich am Ende die Begeisterung in schier einer Explosion des Jubels entlud.

 

(Hier die Originalversion via Youtube: )

 

https://www.youtube.com/watch?v=At5nYDFDzXw

 

Der Norddeutschen Tina Heine (43) war damit zum Einstand als neuer Intendantin ein beachtlicher Coup gelungen. Zwischen 2009 und 2015 hatte sie das ELBJazz-Festival in Hamburg berühmt gemacht, ehe sie anschließend den Job in Salzburg antrat. Der Unterschied zwischen der Waterkant und den Alpen? „In Hamburg“, so die aus Celle stammende Heine letztes Jahr nach dem Frisell-Auftritt zu  Reise-Stories.de, „bin ich schon beinahe als Chaotin verschrien gewesen. Und hier wiederum gelte ich fast als Organisations-Genie –  wenn ich nur mal nach einer Excel-Tabelle frage…“ In diesem Salzburger Hier, in dem „schon um 17 Uhr der Wein aufgemacht wird“. Ois easy gewissermaßen im barocken Süden.

 

Und trotz dieser Lässigkeit entsteht stets erneut Dynamisches in der 153 000-Einwohner-Stadt – zum Beispiel die 19. Ausgabe von Jazz & the City in rund sieben Wochen, wenn wieder improvisierte Töne in die alten Gassen gebracht werden. Denn das Programm ist – obwohl in den Anfangsjahren eigentlich für die lokale Szene gedacht gewesen – „zunehmend internationaler geworden“, wie Tourismus Salzburg-Pressesprecherin Martina C. Trummer verlauten lässt. „Es sind nicht die großen Namen, die den Ruf des Festivals bescheren, sondern das individuelle Entdecken der BesucherInnen: die Vielfalt der europäischen Jazzszene, die Entwicklungen an der amerikanischen Ostküste, und das, was als Welt- und elektronische Musik die Begegnung mit dem Jazz sucht.“

Fünf Tage, 50 Bühnen, 100 Konzerte und – FREIER EINTRITT!

„Dies geschieht äußerst lustvoll und atmosphärisch“, heißt es bei den Verantwortlichen und zwar an Konzert-Örtlichkeiten, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Beispielsweise

 

in den Weiten der barocken Kollegienkirche mit ihren neun Sekunden Nachhall,

 

auf der Probebühne der Universität Mozarteum,

 

im Blaue Gans Weinarchiv,

 

auf engstem Raum im urigen Restaurant Pauli Stubm,

 

über den Dächern der Stadt im M32 beim Museum der Moderne,

 

im Landestheater,

 

in der Getreidegasse

 

und in einem leerstehenden Mietshaus.

 

Dort könnte man sich natürlich heimlich einquartieren, als sozusagen Kulturhausbesetzer auftreten – so man zum Jazz-Festival kein Quartier in Salzburg bekommen würde. Doch diese Sorge besteht kaum – denn bei aller Anziehungskraft sorgt Jazz & the City beileibe nicht für Hotel-Engpässe wie im Sommer die Festspiele. Unser Tipp:

 

Dennoch früh die Übernachtung(en) buchen – um auch ja ein Bett in der Altstadt oder deren Nähe zu erhalten. Denn alle Auftritte zu Fuß besuchen und hinterher in eines der Restaurants oder eine der Bars einkehren zu können, statt sich noch mit dem Auto auf die Socken machen zu müssen, erscheint äußerst erstrebenswert.

 

Nicht dass sie im Oktober-Ende-Nebel noch dem Jedermann auf der blätternassen Fahrbahn begegnen.

 

Jupp Suttner

Jedermann am Domplatz

 

Infos:

 

www.salzburgjazz.com

 

www.salzburg.info

 

www.salzburgerland.com

 

www.austria.info

Der Busen der Buhlschaft – nicht für jedermann, aber für Jedermann

 

Weitere Details zu Jazz & the City sind folgendem Text zu entnehmen, verfasst von der Tourismus Salzburg-Pressestelle:

 

Jazzit, Musikum, Künstlerhaus und Universität Mozarteum

In diesem Jahr gibt es dank Fördermitteln der Stadt Salzburg erstmals eine Kooperation mit dem Club Jazzit, der ein „Gastspiel“ auf einer Altstadtbühne gibt und gleichzeitig seine Türen im Bahnhofsviertel für weitere Auftritte von Festivalkünstlern öffnet. Einige der Musiker, die hier präsentiert werden, sind Salzburger, deren musikalische Laufbahnen bei unzähligen Jazzit-Auftritten und -Sessions ihre Anfänge nahmen: Pianist Elias Stemeseder, Saxofonist Fabian Rucker mit Namby Pamby Boy oder auch Saxofonist und Bassist Peter Fürhapter mit The Rasp.

 

Die Spielorte werden durch die neu geknüpften Kooperationen zur Universität Mozarteum, dem Jugendzentrum Yoco im Markussaal und dem Musikum Salzburg ergänzt.

„Uns ist es sehr wichtig, im Rahmen des Festivals einen Scheinwerfer auf die Akteure und Institutionen zu richten, die das ganze Jahr hindurch für musikalischen Vielfalt sorgen und die Salzburger Altstadt für alle Altersgruppen anziehend machen“, konstatiert Intendantin Tina Heine, seit ihrem Antritt im letzten Jahr und sorgt auch in diesem Jahr für eine konsequente Umsetzung dieses Gedankens.

 

Out Of The Box

„Out of the Box“ steht dafür, über den eigenen Horizont hinaus zu denken. Die Altstadt von Salzburg wird bei diesem Format unter die Lupe der Kreativen genommen. Im Rahmen des von Bund und Land geförderten gleichnamigen Projekts widmen sich Musiker des Festivals im Austausch mit Medizinern, Architekten, Stadtplanern, bildenden Künstlern, Schauspielern, Historikern u.a. in einer zweitägigen Zusammenkunft dem Thema „Improvisation und Stadt“ – mit offenem Ausgang. Dabei laden sie die Festivalbesucher immer wieder zum Partizipieren ein – im Künstlerhaus oder im fiktiven Chelsea Hotel im Andräviertel.

 

Residenzen

Ermöglicht wird dies insbesondere durch die langen Aufenthalte der Musiker in der Altstadt. Man könnte fast von Residenzen sprechen.

So wird der norwegische Pianist Bugge Wesseltoft, nicht nur solo zu hören sein, sondern an einem anderen Abend Künstler seines Labels ‚Jazzland’ präsentieren; von der jungen Gruppe Moksha und der Sängerin Rohey bis hin zum heimischen Radio.String.Quartet. Auch der finnische Gitarrist Kalle Kalima, der mit A Novel of Anomaly die Bühne des Republic bespielt, hat gleich für die ganze Festivalwoche verlängert und wird bei der Neuauflage des ‚Sofakonzerts’ im Gitarrenladen „Riverside Guitars“ an die Tradition der Vorjahre anknüpfen und Musik ganz intim an „winzigen” Spielorten erlebbar machen.

Ein besonderes Augenmerk liegt auf der holländischen Saxofonistin Marike Van Dijk. Stereography heißt ihr Projekt, das sie gemeinsam mit New Yorker- und österreichischen Musikern (u.a. Lukas Kranzelbinder, David Helbock, Christoph Pepe Auer) öffentlich proben und anschließend zur Aufführung bringt. Die meisten der teilnehmenden Musiker, wie der amerikanische Sänger Jeff Taylor oder die britische Singer-Songwriterin Katell Keineg, werden während des Festivals bei weiteren spontanen Zusammenkünften – den Blind Dates – zu hören sein.

Den längsten Anreiseweg hat eine Gruppe junger Musiker aus Zimbabwe – Mokoomba wird das Festival am Mittwochabend eröffnen, und die ganze Woche über an unterschiedlichen Orten zu erleben sein.

Eher beständig ist da der Spielort der Fusion- und Kultband Azymuth. Die drei brasilianischen Musiker spielen neben ihrem eigenen Programm zudem an drei Abenden zur Late Night Session im Festivaljazzclub im Sternbräu.

 

Lange Nächte

Die Nächte werden von unterschiedlichen DJ Sets aus Salzburg, London und Berlin aufgemischt. Apropos Berlin. Mit dem XJazz Festival der deutschen Hauptstadt sind im Rahmen einer Kooperation Festivalmacher Sebastian Studnitzky mit seinem Projekt Memento und die Berliner TechnoJazz Band Komfortrauschen zu Gast in Salzburg. Zu entdecken sind 47 Soul – vier junge Palästinenser, die in unterschiedlichen Ländern leben, und ihren Wunsch nach Freiheit mit gut tanzbarem ‚Shampstep’ besingen. Mit den sphärisch elektronischen Klängen von Nils Petter Molvaer & Stian Westerhus kann man die Nacht ausklingen lassen.

 

Die weibliche Seite der Weltmusik

Den roten Faden spinnen bei der World Music die Frauen: von Nataša Mirković, die sich, begleitet von Michel Godard, sephardischen Liedern widmet, über die ungarische Gitarristin Zsófia Boros, die junge brasilianische Band Quartabê, die Angolanerin Aline Frazão und die in Wien lebende israelische Sängerin Timna Brauer bis zu den Neapolitanerinnen von Assurd. Den Abschluss findet dieser Reigen beim Grand Finale im Landestheater mit den Italienerinnen Lucilla Galeazzi und Elena Ledda, die sich mit dem Ensemble Bella Ciao alten Arbeiter- und Partisanenliedern ihrer Heimat widmen.

 

Kinder- und Familienprogramm, Künstlerkollaborationen, Workshops für Musiker, Kinofilme sowie ein breites kulinarisches Angebot machen dieses fünftägige Festival zu einer Festwoche für alle Altersgruppen. An diesen Tagen lässt sich eine Vielfalt spüren, die den Charme der Salzburger Altstadt auch jenseits der schönen Kulissen auslotet.

Der freie Eintritt für alle Veranstaltungen wird ermöglicht durch eine großzügige Unterstützung der Altstadtunternehmer sowie treuer Sponsoren und Förderer, die dieses Fest seit vielen Jahren begleiten.

Mag. Inga Horny, Geschäftsführerin des Altstadtverbandes ergänzt: „Mit ‚Jazz & The City Salzburg’ verankern wir die Altstadt im Heute und sind gleichzeitig immer auch auf der Suche nach dem, was noch kommt“.

 

Die bisher bestätigten Künstler des Festivals:

Andromeda Mega Express Orchestra | Mokoomba | Azymuth | Bugge Wesseltoft | Shayna Steele | Kalle Kalima | Nik Bärtsch‘s Ronin | A Novel of Anomaly | 47Soul | Christian Muthspiel und Steve Swallow | Die Strottern und Jazzwerkstatt Wien | Bella Ciao | Drops & Points by Pascal Schumacher | Marike van Dijk | Airelle Besson | Daniel Erdmann’s Velvet Revolution | Blow Trio | Miklin-Känzig-Hart | Shabaka and the Ancestors | Stian Westerhus & Nils Petter Molvaer | Reis Demuth Wiltgen | First Gig Never Happened | Strobes | Tingvall Trio | Platypus | Fresh Dixie | KUU! | Nane Frühstückl | Hang Em High | Timna Brauer & Elias Meiri mit Vox Gotica | Angelika Niscier | Random Control | Socalled | Dejan Pecenko Quartett | Holler My Dear | Marina & The Kats | Rohey | Radio.String.Quartet | Moksha | Shalosh | Zsófia Boros | Katell Keineg | Komfortrauschen | Memento | Jeff Taylor | Volker Goetze | Ali Boulo Sante Cissoko | The Rasp | Namby Pamby Boy u.v.a.

 

 

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