Brenninger war heute eine rechte Flasche gewesen beim Bolzplatz-Kick. Er war ein paar Mal überlaufen worden und hatte deshalb zwei Gegentreffer verschuldet. Weshalb er ausnahmsweise auf die dritte Halbzeit verzichtete. Um dem Spott der Mitspieler zu entgehen. Denn diese Mistkerle versuchten garantiert wieder, seine plötzliche Langsamkeit, die sich in letzter Zeit offenbart hatte, in Zusammenhang mit dem kleinen Ring zu setzen, der sich – ebenfalls in letzter Zeit – um seine Körpermitte geschlungen hatte. „Wennst so weiter machst“, hatte der Gerd gefrozzelt, „schaust bald aus wie der Buffy!“. Der Ettmayer. Jahrgang 1946, Österreicher, VfB Stuttgart einst, 1,72 m, 85 kg, Schwergewicht – und ein Supertechniker. 34 Tore in weniger als 100 Spielen für die Schwaben.
Zu Hause hatte Brenninger – als 1968 Geborener eine Generation jünger als der Gerd – natürlich sofort nach gesehen, was es mit diesem Buffy damals auf sich hatte. Und war bei Wikipedia auf folgenden Dialog gestoßen:
VfB-Trainer Albert Sing: „Buffy, du spielst nicht, Du bist zu dick“
Buffy: „Ich war schon immer so.“
„Es gibt Bilder von Dir, da warst Du dünner.
Buffy: „Die sind wahrscheinlich mit einer Schmalfilmkamera gemacht.“
Darum also hatte Brenninger auf die dritte Halbzeit verzichtet – um dem Buffy-Vergleich zu entgehen, der ihn allmählich zu nerven begann. So lag er denn nun zu Hause auf der Couch, berichtete seiner Frau, wie super es heute gelaufen sei („Weißt ja – an mir kommt keiner vorbei!“) und las ihr aus der Zeitung vor:
„Stell’ Dir vor, der Pep Guardiola hat verfügt, dass alle Bayern-Spieler jeden Morgen auf die Waage müssen. Und wer zu viel wiegt – muss 250 Euro Strafe bezahlen!“
„Eine gute Idee“, sagte Brenningers Frau. „Das führen wir auch ein.“
Brenninger erblasste.
„Wieso denn das?“
„Weil Du wieder ein bisschen auf Zug kommen musst – hast in letzter Zeit schon mal in den Spiegel geschaut?“
„Na ja. Okay. Das ist ein Kilo zuviel, aber…“
„Ein KILO? Du meinst wohl eine TONNE!”
So hatte seine Frau ihn noch nie beleidigt. Auch wenn sie Recht hatte.
„Okay, meinetwegen zwei Kilo. Und ich nehm’ ab morgen ja auch ab. Heut’ geht’s nicht mehr, weil’s schon zu spät ist zum Anfangen. Aber ab morgen – speck ich ab!“
Seine Frau hievte die rechte Augenbraue in die Höhe: „Und wenn Du übermorgen nicht weniger auf der Waage hast als morgen – dann sind 250 Euro fällig!“
„Spinnst Du! Die 250 Euro sind doch gedacht für Kaliber, die so viel verdienen wie ein Bayern-Profi!“
„Okay“, lenkte seine Frau ein, „die verdienen zehn Mal mehr als Du – also musst Du nur 25 Euro bezahlen.“
„Zehn mal mehr? Du hast ja wirklich keine Ahnung. 250 mal mehr als ich verdienen die!“
Brenningers Frau guckte überrascht. „Und warum bist Du dann kein Fußball-Profi geworden, wenn die so viel verdienen? Hättest leicht werden können – denn früher warst Du schlank!“. Brenninger dachte an eine Schmalfilmkamera.
Sie einigten sich auf 1 Euro Strafe bei Gewichts-Überschreitung.
„Und was krieg’ ich bei UNTERschreitung?“, fragte der Brenninger.
„Eine gute Figur“, sagte seine Frau. Und freute sich bereits auf die neue Facon ihres Mannes. Stellte sich vor, wie er in aufrechter Haltung mit flachem Bauch vor ihr stünde. Wie einst.
Brenninger nickte. Und stellte sich gleichfalls etwas vor: Wie er dem Gerd dann den Ball ablaufen würde. Gleich morgen würde er beginnen! Um es noch bis zum Oktoberfest zu schaffen. Bis zum 21. September, dem Tag des Anzapfens. Dann ging, das war klar, 16 Tage lang nichts mehr mit Abnehmen.
Ja mei – lohnte es sich denn da überhaupt noch, jetzt, nur zwölf Tage zuvor, damit zu starten? Und was war mit nach dem Oktoberfest, wenn schon bald die Kirchweih-Antn- und St. Martins-Gans- und Lebkuchen- und Christkindlmarkt- und Weihnachts-Platzerl-Zeit begann?
Brenninger seufzte. Es würde – täglich 1 Euro Strafe – ein teurer Herbst werden. Aber ein genussreicher! Und die Kick-Saison war eh bald zu Ende. Es genügte doch vollkommen, nächstes Frühjahr fit zu sein. Und wer weiß:
Vielleicht war bis dahin ja auch aus dem Gerd ein Buffy geworden.
Der Brenninger ist ein typischer Freizeitsportler – und oftmals auf Reisen. Was er unterwegs und zu Hause erlebt, lesen Sie jeden Dienstag hier.
* Niedergeschrieben von Jupp Suttner.