Kulinarische Komödie in vier Gängen

In der 16. Dinner-Show Palazzo von Harald Wohlfahrt tauchen die Gäste unter dem Motto Show „Kings and Queens“ in die Zeit der Ritter und Edelfrauen ein.

Mehr als 400 000 Besucher besuchten in den zurückliegenden 15 Jahren das Stuttgarter „Palazzo“. In der 16. Runde verpasst der 39 Jahre alte Regisseur Maximilian Rambaek der Show mit „Kings and Queens“ dem „Palazzo“ einen neuen Touch. Weniger artistische Darbietungen als früher, dafür mehr Musical mit vielen komödiantischen Einlagen. Es ist die Geschichte vom König, alias Varieté-Veteran Jean-Pierre Poissonnet, der seine Tochter Dani verheiraten will. Doch die ist überemanzipiert und gibt sich mit ihrem Nasenpiercing, dunklem Augen-Make-up und ihrer schrillen Kleidung so gar nicht wie eine standesgemäße Prinzessin.

Überhaupt: Reihenweise durchgeknallte Typen wie der flötenspielender Teilzeithenker lassen den bunten Reigen nur entfernt an das klassische Märchen erinnern. Dazu gehören auch die unscheinbaren Ordensbrüder, verkörpert von den Zwillingen Roman und Slava Zhovnytskyy, die den Tisch als Bühne nutzen. Mit ihren präzise aufeinander abgestimmten Bewegungen zeigen sie Stepptanz vom Feinsten – bis ihnen der Schweiß von der Stirn rinnt. Was federleicht aussieht, ist Schwerstarbeit.

Während sich die Prinzessin mit einem ihrer Verehrer zum Abendessen trifft, bekommen auch die Gäste den Hauptgang serviert: Rinderrücken an Bohnengemüse mit provenzalischer Kräuterkruste und Sherryessig-Jus. Die vegetarische Variante kommt als rote Bete mit Ziegenfrischkäse, glasiertem Gemüse und Meerrettichschaum an den kerzengeschmückten Tisch. Der Zwischengang ist eine gelungene Komposition aus Birnen-Gorgonzola-Bonbon mit gepickelten Karottenwürfeln und Topinambur-Emulsion

Logistische Meisterleistung

Das Menü stammt einmal mehr von Harald Wohlfahrt. Der Spitzenkoch war 25 Jahre lang ununterbrochen vom Guide Michelin mit drei Sternen geadelt worden, ehe er im Sommer 2017 nach Streitigkeiten seinen Abschied aus der „Schwarzwaldstube“ in Baiersbronn verkündete. Er habe nun mehr Freiheiten als früher, sagte er bei der Premiere der neuen Show Mitte November. “Ich kann heute öfter im Palazzo sein als früher – und davon profitieren letztlich auch die Gäste. Denn wenn man das Niveau hochhält, sind sie begeistert und motiviert, wieder zu kommen.”

In der Küche des Spiegelpalasts scheint er gleichwohl nur die Herrschaft über die Herde zu übernehmen. Anders ist die viel zu lange gegarte Lachsforelle zur Vorspeise nicht zu erklären, die mit Gurke, Sauerrahm und Basilikum zur Vorspeise gereicht wird. Dass das kulinarische Niveau nicht an die exorbitante Qualität in der Schwarzwaldstube heranzureichen vermag, verwundert angesichts von bis zu 370 Gästen nicht. Auf 80 Quadratmetern muss die Küchenbrigade das Menü für sämtliche Besucher zubereiten, die einzelnen Gänge erreichen binnen zehn Minuten die Tische. Das bedeutet, dass alle zwei Sekunden eine Speise die Küche verlässt – eine logistische Meisterleistung. Um für das Wohl der Gäste zu sorgen, legt jeder Servicemitarbeiter pro Abend rund zehn Kilometer zurück. Auf der Höhe ihres Schaffens zeigt sich die Palazzo-Küche ebenso beim tadellosen Rinderrücken zum Hauptgang wie beim intensiv-fruchtigen Dessert aus Mango-Orangensalat und Kokoseis.

Modern adaptierte Erzählung aus dem Mittelalter

Die Übergänge zwischen den Showacts sind so fließend, dass es nicht einmal eines sonst so fest verankerten Conferenciers bedarf, der alles zusammenhält. Lüstern, lasziv und feuchtfröhlich geht es im Schein von 140 Kronleuchtern zu, wenn Artistin Frédérique Cournoyer-Lessard mitten in der Manege ein Bad nimmt. Stahlketten ziehen sie in die Luft ziehen und wirbeln sie durch das Zelt.

Das Duo Zinzi Oegema und Evertjan Mercier verliert in seiner preisgekrönten Hand-auf-Hand-Darbietung nie den Kontakt zueinander, während es bei den Argentiniern Daniela Sat und Facundo Salazar am Fangstuhl manchmal so wirkt, als würden sie sich einfach fallen lassen. Alchimist Poki wiederum scheint es zu gelingen, mit seinem Balance-Act und seiner Kontaktjonglage außer Kraft zu setzen die Gesetze der Physik. Auf die Frage, warum er Künstler geworden ist, antwortet er verschmitzt: „Ich glaube, jeder wurde als Künstler geboren, nur haben es manche vergessen.“

Für die vortreffliche musikalische Begleitung während des kurzweiligen Abends sorgt wieder die fünfköpfige Band Sidewalkers um Frontfrau Bella Nugent, die in zahllosen Outfits bisweilen selbst Teil des lustig-schrägen Spiels wird. Die Künstlertruppe und die musikalischen Protagonisten sind ausgesprochen harmonisch aufeinander abgestimmt und die modern adaptierte Erzählung aus dem Mittelalter bietet viele komödiantische Einlagen. Dies benötigt Zeit und Raum, um sich zu entfalten – was eine kleine Einschränkung fordert: Im Unterschied zu den vergangenen Jahren kommt die Weltklasse-Artistik zugunsten der Show kurz. Dies sollte Freunde des hochklassigen Varietés jedoch nicht davon abhalten, das dreieinhalb Stunden dauernde Dinnershow-Erlebnis zu besuchen.

Die Show„Kings and Queens“ wird noch bis zum 15. März in dem Zirkuszelt auf dem Cannstatter Wasen zelebriert. Karten und weitere Infos gibt es auf www.palazzo.org

Fotos: Palazzo

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Christian Daniel Euler

Autor Kurzvorstellung:

Mit dem Journalismus beschäftigt sich Christian Euler seit einem knappen Vierteljahrhundert. Sein täglich Brot verdient der studierte Volkswirt zwar mit Beiträgen zum Thema Wirtschaft und Finanzen. Seine wahre Leidenschaft sind aber das Reisen und die Restaurants. Über die wirklich schönen Dinge des Lebens schreibt der weitgereiste Winzersohn seit zehn Jahren.

Hinweis: Dieser Beitrag wird regelmäßig von Mitgliedern der Reise-Stories Redaktion wie Heiner Sieger, Gerhard Fuhrmann und Jupp Suttner auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft. Falls Sie Anmerkungen zu diesem Beitrag haben, kontaktieren Sie bitte direkt hier die Redaktion.

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