Anna lächelt, während die warme Herbstsonne ihr Gesicht streichelt und Sie auf die Weinfelder vor Ihrer Finca schaut. Gelehnt an einen Orangenbaum genießt ein Glas ihres frischen jungen Weißweins aus eigener Lese. Sie gönnt sich einen Luxus, der so simpel ist, wie niveauvoll: Das pure Leben. Einfach nichts tun und die Abgeschiedenheit in sich aufsaugen.
Das ist es, was die Gäste hier auf der Finca, die von Anna und ihrem Mann suchen und geboten bekommen. Ein Aufenthalt im Einklang mit der Natur. Dabei liegt der Hof nur 15 Autominuten von der Inselhauptstadt Palma entfernt in der Gemeinde Esporles im San Pedro-Tal und gleicht einem Reservoir in völliger Isolation. Hier waren nicht immer Weinberge, erklärt mir Anna, eigentlich erst seit 2022, denn vorher gab es hier nur Orangenbäume. Die Umgestaltung folgt dem Bestreben, das Landstück besser und anders zu nutzen. Einst war dieser Hof ein Teil eines großen Landstücks, das später aufgeteilt und verkauft wurde. Anna liebt den mediterranen Lebensstil, das schöne, das Ansehnliche. Und ihre Liebe zum Detail prägt dieses Anwesen. Von kleinen Wasserbecken durchzogen grenzt sich der Wohnteil mit seinen luxuriösen und dennoch unscheinbaren Villen von den Bio-Weinfeldern ab. Der Pool in der Mitte ist zum Sonnenaufgang ausgerichtet, die Leichtigkeit der Konstruktion geht einher mit der Unbeschwertheit, die sich auf dieser Finca leben lässt. Das Haupthaus grenzt an den künftigen Veranstaltungssaal, in dem dann auch ein Restaurant und eine gemütliche Lounge in traditionell-modernem Stil den Gast erwartet. Hier hat sich Francina, die Tochter des Hauses und Innenarchitektin verwirklicht.
Ich wandere mit Anna durch den mediterranen Wald, geprägt durch die iberische Eiche und Platanen, der hinter der Finca liegt und zum Anwesen gehört. Ein paar Vögel zwitschern, ein Rotmilan kreist über unseren Köpfen und ich entdecke einen Baum, den ich zuvor nirgends gesehen habe. Den Erdbeerbaum, deren Frucht auch Madronius genannt wird und nur auf den Balearen, dabei vornehmlich auf Mallorca vorkommt. Die Früchte schmecken süß und sind weich, sie zergehen im Mund. Wie ein Kind in einem Märchen fühle ich mich in diesem Moment. Und tatsächlich bedeutet der Name der Finca ja auch die Art der Weitergabe von Fabeln und Märchen durch die Eltern an ihre Kinder. Rondaia, ein typisch mallorquinischer Begriff, der die Überlieferung von Traditionen, Märchen, Sagen und Lebensweisen der Inselbewohner an die Nachkommen meint. Spannend, stelle ich erstaunt fest. Auf einem Hochplateau gelangen wir zu einem Weiteren Weinfeld, Ganz anderer Boden, andere Konditionen mitten im Wald. Ein weiterer Versuch der Familie, hier den süßen Rebensaft zu gewinnen. Und mitten im Feld steht wie aus dem Nichts ein Tisch, reich gedeckt mit mallorquinischen Spezialitäten und Wein. Da fehlt die Salami vom iberischen Schwein eben sowenig, wie das Gemüse aus dem eigenen Anbau, das süße Mandelgebäck und das saftige, frische Brot. Ein Erlebnis für die Gäste, verpackt in einen liebevoll organisierten Picknickkorb, den man überrascht vorfindet, begibt man sich auf die Wanderung über das große Anwesen. Entspannt und vollkommen erholt sehne ich mich nach mehr Erlebnissen dieser Art auf der Insel im Mittelmeer.
Valdemossa – das Liebesnest von Frederic Chopin
nach so vielen entspannenden Erlebnissen im Inselinneren, fernab der Küste, wo sich Subkultur und Niveaulosigkeit ein permanentes Stelldichein geben, zieht es mich noch ein Stück weiter hinauf in die Berge. Über steile Serpentinen mit traumhaften Ausblicken auf die Bergwelt der Insel, gelange ich in das 410 Meter hoch gelegene Bergdorf Valdemossa. Hier hat sich bereits ein anderer, sehr berühmter Reisender verliebt in die Kulisse des heute doch sehr quirligen Bergdorfs. Valdemossa, im Nordwesten der Insel gelegen. Der polnische Komponist und Musiker Frederic Chopin und seine Lebensgefährtin, die Schriftstellerin Georg Sand fanden hier im Winter 1838/39 eine kurze Zeit des Glücks. Chopin erkrankte dabei leider an einer Lungenentzündung. In ihrer Unterkunft im Kartäuserkloster, mit Blick auf das Tal bewohnten Chopin und Sand den Zellen 2 und 4, und für beide war es „die romantischste Behausung der Erde“. An so einem romantische n Ort lässt sich das Gefühl der herbstlichen Erholung wohltuend erleben. Das Kloster selbst und das Museo Municipal, durchaus sehenswert, kann ich in Valdemossa ebenfalls besuchen, doch mich zieht es fort von dem Rummel des Zentrums, der geprägt ist von touristischen Läden, in die kleinen, engen Gassen des Dorfes. Hier lässt es sich nachempfinden, wie beschaulich dieses Höhendorf wohl ist, wenn keine Massen an Reisenden in den Ort strömen.
Die Finca im Nordwesten mit eigenem Hausgeist
Weiter in den Nordwesten, fast eine Autostunde Fahrt, vorbei an der Lederstadt Inca, die ich mir heute erspare, geht meine Reise durch das Inselinnere Mallorcas zu einer weiteren Finca in völliger Abgeschiedenheit. Zwischen Steineichen und Pinienwäldern liegt ein 267 Hektar großer Hof, der von der Straße aus nicht zu sehen ist und kaum vermuten lässt, was mich nach fast 500 Metern Fahrt über Stock und Stein zum Haupthaus erwartet.
Olivenbäume säumen den Weg, eine Weide mit Schafen liegt direkt vor dem mächtigen Anwesen mit Innenhof. Der Garten hinter dem Haus, gesäumt von wuchtigen, antiken Säulen, wurde einst von der Malerin Anglada Camarasa entworfen. Mich begrüßt Nico, der heutige Besitzer, ein älterer Herr, der hier noch eine ganz andere Rolle auf dem Anwesen einnimmt, wie mir später erst deutlich werden soll.
Auch hier stehen Ruhe und Frieden im Vordergrund. Und nur das Glockenläuten der Schafe, das Zwitschern der Vögel und in der Nacht ein Eulenruf unterbrechen die Stille, die auf diesem abgeschiedenen Anwesen herrscht. Ich streife durch die öffentlichen Räume des Guts und genieße die Atmosphäre.
Fast erschrocken blicke ich in den Nebenraum, der eben noch völlig leer war. Besitzer Nico steht wie aus dem Nichts am Bücherregal und blättert in einem Werk, er mustert mich, dann ist er wieder verschwunden, so unerklärlich wie er auftauchte. Nicht das einzige Mal, wie ich noch erleben sollte. Mal schlurft Nico durch den Hof, scheinbar aus der Wand heraustretend, wenn Gäste darin sitzen, mal ist er hinter der wehenden Gardine im Obergeschoss auszumachen, wenn seine Gäste im Garten sitzen. „Schmeckt es Ihnen?“ raunt Nico, als er mich als einziger Gast im Restaurant von hinten überrascht und fast in den Schluckauf treibt, weil er wieder wie aus dem Nichts hinter meinem Stuhl auftaucht.
An Erholung ist in diesem Spukschloss bei aller Abgeschiedenheit nicht zu denken. Mich zieht es weiter über die Insel.
Pollenca oder eine Treppe mit 365 Stufen
Ein Sonntagmorgen auf einem Wochenmarkt ist allerorts ein erfrischendes Erlebnis. Daher begebe ich mich in das nahe dem Spukschloss gelegene Örtchen Pollenca und lasse mich von den Farben, Gerüchen und der Atmosphäre des sonntäglichen Marktes aufsaugen. Wie gut, dass ich früh da bin, so habe ich noch die Gelegenheit, mich von den Angeboten der Händler begeistern zu lassen, bevor die Massen herbeiströmen und durch die Gassen trampeln wie eine Herde Vieh. Seltsame Früchte, wie ich sie auch schon bei meinem Waldspaziergang entdeckt habe, stechen mir da ins Auge. Die Nispero, die japanische Wollmispel, eine wohlschmeckende, gelbe Frucht, die wie eine Mischung aus Pfirsich und Apfel daherkommt, weckt mein Interesse. Berge von Oliven, gewürzt in allen Varianten, türmen sich neben violetten Stangen-Auberginen, roten Fleischtomaten und grünen Gurken, dass einem fast die Sinne schwinden. Süße Trauben und saures Obst reihen sich hier schier endlos auf Ständen aneinander. Hier kommen Gourmets auf ihre Kosten.
Ich gelange ins Zentrum der pittoresken Altstadt, die früh morgens eine Freude für Augen und Sinne bildet. Die Bürgerhäuser aus Naturstein und zahlreiche, repräsentative Kirchenbauten zeugen davon, dass die Bewohner der Stadt keineswegs an Armut litten. Gegründet wurde Pollenca bereits am Ausgang der Antike von Bewohnern der römischen Stadt Pollentia, deren Überreste sich im Stadtgebiet des benachbarten Alcudia befinden. Zu den wichtigsten Baudenkmälern in Pollenca, deren Hauptteil aus dem 18. Jahrhundert stammt, das Dominikanerkloster und der Kalvarienberg.
Diese Aufgabe habe ich mir am Sonntagmorgen quasi als Pilgerweg gesetzt. Ich erklimme in der aufsteigenden Hitze die 365 Stufen bis zur Kapelle auf dem Kalvarienberg und werde nicht nur belohnt mit einem einzigartigen Ausblick über die Ortschaft und das Umland, sondern weiß in diesem Moment auch, dass ich mir den Genuss verdient habe.
Nicht umsonst ist diese Kapelle an jenem Ort. Denn der Fernwanderweg mit dem unromantischen Namen GR 221 , der auch „Ruta de Pedra en sec” genannt wird, führt vom Südwesten der Insel auf historischen Wegen entlang alter Steinmauern von Port d’Andratx bis nach Pollença. Die Stufen zur Kapelle können daher wie ein Abschluss auf einem Pilgerweg gesehen werden, an deren Ende das Gotteshaus steht. Mich begrüßt oben angekommen noch Pedro, der Gitarrenspieler. Ein Mallorquiner, wie aus dem Bilderbuch, der meine Stimmung nach dem steilen Aufstieg wieder hebt.
Beschwingt trete ich nach dem Besuch des Gotteshauses den Rückweg an, abwärts durch den inzwischen sehr quirligen Ort.
Den eigentlich zu Pollenca gehörenden Küstenort Puerto de Pollenca erspare ich mir und begebe mich nicht in die Niederungen des Massentourismus an diesem Tag.
Sóller – der Ort mit der Bahn oder ein einzigartiger Schuster
Dafür ist der südlich in Richtung Palma gelegene Bergort Sóller für mich von weit höherem Interesse. Auch dieser Ort ist wie Pollenca in der Serra Tramuntana gelegen. Denn hier gibt es eine Besonderheit, die ich mir unbedingt noch ansehen will, bevor meine Reise zu Ende geht. Das Zentrum von Sóller ist die Placa de la Constitucio, an der sich zahlreiche Geschäfte, Cafés, Tapas-Bars und Restaurants aneinanderreihen. Und plötzlich kommt sie auf mich zu. Quietschend und ächzend schiebt sich mitten durch das Zentrum, eine orangefarbene Straßenbahn mit Holzbeschlägen. Der Sóller-Zug. Von Sóller bis nach Puerto de Sóller kann man hier mit diesem historischen Gefährt von 1913 eine erlebnisreiche Fahrt antreten. Einst genutzt, um Fischkisten von den Docks zum Markt, oder Orangenkisten zu den Schiffen zu transportieren, bildet die Straßenbahn heute ein beliebtes Transportmittel für Touristen, aber auch noch für Einheimische. Auf der Plaza de España, vor dem Eingang des historischen Bahnhofsgebäudes von Sóller, befindet sich im Schatten einer Platane die erste Haltestelle, an der man mit der Straßenbahn zum Strand und zum Hafen fahren kann.
Imposant erhebt sich vor mir im Zentrum die Pfarrkirche Sant Bartomeu mit ihrem schon fast blendend vor Reichhaltigkeit ausgestalteten Innenraum. Das Gold der Heiligenfiguren in den Schiffen und das einzigartig runde Fenster am Fuß des Kirche oberhalb der gewaltigen Orgel lassen den Besucher beeindruckt zurück.
Die malerischen Gassen des Ortes Sóller ziehen mich zum Stöbern an. Klein aber fein ist hier das Motto. Erhabene Boutiquen geben sich hier die Klinke in die Hand mit Feinkostläden und Bekleidungsmanufakturen.
Am Ende der Straße stoße ich auf ein Schuhgeschäft, das wegen seiner bunten Farben meine Aufmerksamkeit erweckt.
Dreifarbiges Schuhwerk bedeckt die Fassade des Geschäfts und lockt mich zum Eintreten. „Bota Mallorquina“, Schuhe im mallorquinischen Stil gibt es hier, die heißen Porqueres und werden handgefertigt. Die Sohle aus dem Material alter Autoreifen, das Obermaterial aus Leinen oder Leder. Der Legende nach kam einst ein Arbeiter aus Ibiza, dessen Schuhe kaputt gingen. Er nahm einen alten Autoreifen, schnitt ihn zurecht und umwickelte ihn mit Leinen. Die Idee des traditionellen Schuhs war geboren.
Die Familie Mira begann vor 49 Jahren, diese Schuhe herzustellen, lange bevor der Begriff Upcycling überhaupt erfunden wurde. Vor fast 30 Jahren hatte dann Maruja, die Frau des Schusters Jaume, die Idee, von den traditionellen Farben braun und schwarz weg zu einem bunten, dreifarbigen Modell zu wechseln. Und der Erfolg dieser Idee zeigt sich bist heute, erklärt mir Paco, der Neffe, der nun das Geschäft führt. Hier wird gearbeitet, an einer klassischen Maschine werden die Schuhe traditionell genäht und nur in diesem Laden verkauft oder von hier verschickt. Dabei fällt jeder Schuh anders aus, Heute ist dieser Schuh längst kein Arbeitsschuh mehr, sondern ein hochwertiges Modeaccessoire und einzigartiges Mitbringsel aus Mallorca geworden, das sich seiner Beliebtheit erfreuen darf.
Genuss und Kultur, Erholung, Entspannung in Berg und Tal, Mallorca von der anderen Seite, der stillen, gelassenen, einzigartigen Seite durfte ich in den Tagen meines Aufenthalts kennenlernen. Fernab jeder Niveaulosigkeit lässt sich so manches auf dieser so beliebten Baleareninsel entdecken, das zur Wiederholung einlädt und nach Mehr strebt.
Kurz notiert
Wie kommt man hin?
Von Deutschland aus gehen täglich zahlreiche Flugverbindungen von allen großen und kleinen Flughäfen nach Mallorca.
Unterkunft
Hochklassig, abgeschieden und doch nach der Stadt Palma wohnt man auf der Finca Rondaia
Gut aber gewöhnungsbedürftig wohnt man auch auf der Finca Son Grua im Nordwesten der Insel
Tipps
Das Chopin-Museum in Valdemossa
Die Schuh-Manufaktur Ben Calcat in Sóller
Die Pfarrkirche San Batomeu in Sóller
Die Orte Pollenca und Sóller
Gut speisen kann man im Restaurant es taller in Valdemossa
In Puerto de Pollenca speist man gut im Restaurant Terrae, das 2023 sogar einen Michelin-Stern erhalten hat
Diese Reise wurde durchgeführt in freundlicher Kooperation mit dem Tourismusamt Mallorca