Latemar: Eine neue Dolomiten-Runde entsteht

Drei Skirunden locken in die Dolomiten: Die legendäre Sella Ronda, die Gebirgsjägerrunde um den Col di Lana und die Giro della Cime in den Sextener Dolomiten. 2014 kommt eine weitere Attraktion für Skifahrer und Wanderer dazu: Die Latemar-Runde – dank neuer Lifte, schneller Busse und einem einheimischen Sturkopf.

Das imposante Massiv des Latemar soll sich ab 2014 komplett per Ski und zu Fuß umrunden lassen; Foto_Carezza
Das imposante Massiv des Latemar soll sich ab 2014 komplett per Ski und zu Fuß umrunden lassen; Foto_Carezza

Welche Überlebens-Chance hat ein Skigebiet, das nicht besonders groß ist, nicht die schnellsten und modernsten Liftanlagen, aber die meiste Sonne fast aller Skiregionen in den Alpen zu bieten hat? Nun, in Carezza, nur 20 Minuten von Südtirols Landeshauptstadt Bozen entfernt, lässt sich studieren, wie man mit einer durchdachten Strategie geschickt aus einer Schwäche eine Stärke macht. Denn 2002 war die Bergbahngesellschaft in Karersee, oder „Carezza“ wie sie sich heute nennt, quasi am Ende.

Doch dann kam Georg. Genauer gesagt: Georg Eisath, von Einheimischen und Journalisten auch ehrfürchtig „Prinz Eisath“ genannt. Denn er küsste nicht nur mit neuen Pisten und Liften das Skigebiet oberhalb von Welschnofen aus seinem Dornröschen-Schlaf wach, sondern er ist mittlerweile dabei, die wunderschöne Gegend rund um den Latemar für Winter- wie Sommertouristen weitaus attraktiver zu machen.

Südtiroler Sturkopf: Georg Eisath ist die treibende Kraft hinter der neuen Latemar-Runde; Foto: HeinerSieger
Südtiroler Sturkopf: Georg Eisath ist die treibende Kraft hinter der neuen Latemar-Runde; Foto: HeinerSieger

Sein Ziel: Die drei bestehenden Skirunden Sella Ronda, Gebirgsjägerrunde um den Col di Lana und Giro della Cime in den Sextener Dolomiten will er ab 2014 um die Latemar-Runde bereichern. Doch der Reihe nach.

Carezza war einst ein begehrtes Urlaubsziel

Die traditionelle Skiregion zwischen Rosengarten und Latemar lag zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts am Boden. Dabei war der Karerpass einst eines der ersten Skigebiete in Südtirol überhaupt. Schon vor mehr als 60 Jahren schleppte als erste Aufstiegshilfe der Paolina-Lift Skifahrer auf den Berg. Das Gebiet gedieh prächtig. Denn die Region um Karersee und -pass war bereits um die Wende zum 20. Jahrhundert dank des Alpin-Pioniers Theodor Christomannos ein begehrtes Urlaubsziel. Das wuchtige, von Christomannos und seinem „Verein für Alpenhotels in Tirol“ im Sommer 1896 eröffnete Grand-Hotel lockte beständig prominente Bergurlaub-Pioniere von Kaiserin Sisi, über Schriftsteller Karl May und Englands Premierminister Winston Churchill bis zu Filmregisseur Luis Trenker an.

Christomannos hatte die wirtschaftliche Erschließung Südtirols, insbesondere den Ausbau des Verkehrsnetzes und die Förderung des Tourismus entschieden vorangetrieben. Er engagierte sich für den Bau der Fahrstraße nach Sulden, der Großen Dolomitenstraße Bozen-Cortina-Toblach und der Vinschgaubahn. Öffentliches und privates Interesse waren bei Christomannos stets verflochten. Nach dem großen Erfolg in Sulden hatte er den Verein für Alpenhotels in Tirol gegründet. Dessen Ziel: „Die Erschließung der Hochthäler Tirols für das reisende Publikum“. Er baute die Suldenhotels, das Trafoi- und das Karersee-Hotel, kaufte das Weißlahnbad in Tiers und übernahm ein Hotel am Falzaregopass. Noch heute lockt sein Denkmal hoch oben am Rosengarten mit einem wunderbaren Blick über die Dolomitengipfel und den Karerpass zahlreiche Wanderer an.

Der rettende Prinz kam mit der Schneekatze

Doch in den 90er-Jahren des vorigen Jahrhunderts geriet das einstige Promi-Ziel und nebenbei „sonnigste Skigebiet Südtirols“ (Eigenwerbung) in immer größere finanzielle Bedrängnis: Weil es keinen Liftverbund gab, blieben immer mehr Gäste aus, erste Lifte schlossen, einige Eigentümer gingen pleite. Das Skigebiet schlummerte vor sich hin, die verbliebenen Lifte veralteten zunehmend. Bis „Prinz Eisath“ auftauchte. Und zusammen mit weiteren Investoren die Bergbahnen aufkaufte und aufmöbelte.

Die Skigebiete rund um den Latemar bieten schon jetzt beste Bedingungen für ambitionierte Skifahrer: Foto: Paolo Codeluppi
Die Skigebiete rund um den Latemar bieten schon jetzt beste Bedingungen für ambitionierte Skifahrer: Foto: Paolo Codeluppi

Allerdings ist der Prinz weder jung noch adlig. Und auf dem Pferd kam er auch nicht daher. Eher schon auf der Schneekatze. Denn der 54-Jährige ist Ingenieur und Unternehmer. Im benachbarten Ort Deutschnofen hatte er die Schneekanonen-Firma „Technoalpin“ innerhalb von 15 Jahren zum Weltmarktführer aufgebaut. Inzwischen hat er seine Anteile verkauft und kümmert sich überwiegend um seine Bergbahnen und  – wie einst Christomannos – um die touristische Erschließung der Latemar-Region.

„Wir haben die Pisten, die haben die Betten“

„Das ist ja meine Heimat, ich musste handeln“, schildert Georg Eisath die damals ernste Lage heute mit einem heiteren Lächeln. 2008 war der ehemalige Firmenchef eingestiegen – volle Kanone sozusagen. Zielstrebig hat er seitdem er Lifte erneuert und neu gebaut, etwa die Paolina- und den Hubertus-Sessellift oder den Pra di Torri auf dem Karerpass. 40 km familienfreundliche Pisten gibt es inzwischen. Eisath installierte zudem an die 170 Schneekanonen, schuf Pistenbullis an, grub ein Speicherbecken mit fast 100 000 Kubikmetern Fassungsvermögen und verpasste dem Skigebiet eine Marketing-Story rund um den sagenhaften König Laurin, der in Urzeiten am Rosengarten gelebt haben soll.

Zuletzt hat er noch ein Konzept zur umweltverträglichen und zugleich wirtschaftlich sinnvollen Beschneiung entwickelt. Das garantiert nicht nur Schneesicherheit. Als “Klimaskigebiet” fungiert es nun als Vorzeigeanlage für den Schneekanonen-Hersteller TechnoAlpin, seiner früheren Firma. Und auf europäischer Ebene ist es ein Forschungs- und Vorzeigeprojekt gemeinsam mit dem Schweizer Skiort Arosa.

Obwohl sich die Zahl der Gäste in Carezza verdoppelt hat, bleibt den Skifahrern viel Platz auf den breiten Pisten, Foto: Heiner Sieger
Obwohl sich die Zahl der Gäste in Carezza verdoppelt hat, bleibt den Skifahrern viel Platz auf den breiten Pisten, Foto: Heiner Sieger

Inzwischen hat sich die Zahl der Gäste seit seinem Einstieg verdoppelt. Geht es nach Eisath, soll dieses Wachstum weitergehen. Das Problem dabei: Seine Region ist zwar schön, aber bietet zu wenig adäquate Beherbergungsbetriebe. Die gäbe es allerdings auf der anderen Seite des Latemar. Am Fuß des Karerpasses liegen im trentinischen Fassatal die größeren Ortschaften Moena und Soraga – mit vielen Hotels und Pensionen, aber ohne direkten Pistenzugang. Fast 700.000 Nächtigungen kommen dort in 10.000 Betten pro Jahr zusammen.

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Heiner Sieger

Autor Kurzvorstellung:

Seit 40 Jahren Journalist schreibe ich über aktuelle und brisante Themen in den Bereichen Digitalisierung, Wirtschaft, Gesundheit und Reise. Nach Stationen bei renommierten Tageszeitungen und Magazinen bin ich heute hauptberuflich beim WIN-Verlag in der Vogel Communications Group Chefredakteur der Magazine Digital Business Cloud, E-Commerce-Magazin und Digital Health Industry. Meine private Leidenschaft gehört dem Thema Reisen. Und irgendwann wurde ich dann auch Chefredakteur von Reise-Stories. So oft es der Beruf erlaubt, bewege ich mich Richtung Berge und Meer, stelle Restaurants und Hotels auf die Probe und entdecke Entertainment ebenso wie ruhige und unendeckte Fleckerl.

Hinweis: Dieser Beitrag wird regelmäßig von Mitgliedern der Reise-Stories Redaktion wie Heiner Sieger, Gerhard Fuhrmann und Jupp Suttner auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft. Falls Sie Anmerkungen zu diesem Beitrag haben, kontaktieren Sie bitte direkt hier die Redaktion.

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