Kochen mit Angelo Zicaro: eine Philosophie in Formeln

„Die Intention und Philosophie dieses Buches war und ist es, eine Formelsammlung zu erstellen…“ Das kann nicht sein. Eine Philosophie und zugleich eine Formelsammlung? Aber so beginnt Angelo Zicaro sein neuestes Buch „Der sechste Sinn in der Küche“ und beruft sich dabei auf Auguste Escoffier, der bereits vor 200 Jahren eine „gewisse Ordnung in die Menüfolge“ gebracht hätte.

Denn Zicaro hält es für unumgänglich, eine „solide Struktur in das professionelle und praxisorientierte Kochen zu bringen.“

Und wie das auszusehen hat, folgt auf den nächsten 269 Seiten dieses großformatigen Buches, dargestellt in Rezepten und Weisheiten. So lernt der Leser etwa, dass 10 Gramm Salz auf einen Liter Nudel-Wasser gehören, dass Halbgefrorenes eine unterschiedliche Dichte (baumé) haben müssen, je nachdem, ob es sich um Granitè, Sorbet oder Eis handelt. Und dass es bei der Behandlung des Knoblauchs darauf ankommt, was man mit seinem Enzym, dem Allina erreichen will.

Zicaro geht ins Detail, bis ins Molekül seiner Ausgangsstoffe geradezu. Und damit verändert er das fertige Produkt in „Abwandlungen“, wie er sagt. Dabei heißt es doch, entscheidend sei nicht das Material, sondern die Hingabe. Diese Hingabe ist notwendig, aber nicht ausreichend, sagt der Koch-Lehrer.

„Ein guter Koch sollte so arbeiten, als würde er für einen Blinden kochen. Er verbindet erst die Tiefe der Gerüche und Aromen zu einem Genuss, dann erst folgt die Ästhetik. Bei einem Essen, das diese vollkommene Harmonie der Elemente erreicht, isst der Genießer etwa ab der Hälfte des Essens deutlich langsamer. Denn er möchte, dass es nicht endet. Wenn dir das gelingt, hast du den Schlüssel zum Erfolg gefunden.“

Das erscheint etwas anspruchsvoll zu sein. Wer zum Italiener geht,  sucht der nicht einfach ein zweites Zuhause, eine Atmosphäre, die nach Urlaub, Freundschaft und Sorglosigkeit schmeckt, sucht der nicht einfach einen Freund?

Zicaro:  „Vielleicht war es früher so, ich habe viele Freunde hier in München, das hat nichts damit zu tun mit ’meinem Italiener‘, ich habe Freunde überall. Ich habe eine Tochter, sie hat Schreinerin gelernt, ist jetzt in der Gastronomie, ist hier geboren, hier aufgewachsen, sie hat deutschen Pass. In Cosenza habe ich ein landwirtschaftliches Anwesen mit Olivenbäumen und einem kleinen Haus geerbt, einmal im Jahr fahre ich hin. Ein Freund ist ein Freund und fertig, es hat sich vieles im positiven Sinn geändert. Der Respekt ist da, es ist Wurst ob einer Franzose oder Italiener ist. Die Leute freuen ich sich über Multikulti, auch wenn sie früher komisch geguckt haben.“

Dieser Angelo Zicaro, der heute in München eine Kochschule führt, ist ein Koch, der seine Leidenschaft dem Respekt vor den Gaben der Natur und seiner Lust an der Perfektion unterordnet. Und genau das gibt er in dem Buch „der sechste Sinn in der Küche“ wieder und weiter.  Eine solide Ausbildung in seiner Heimat Kalabrien bildete das Fundament – die Gesellenjahre in Top-Lokalen wie Gattopardo und Carpe Diem in München oder Ca Bianca in San Francisco erweiterten den Horizont, und bei dem 3-Sterne Koch Alain Ducasse in Paris lernte er die moderne Interpretation traditioneller Küche kennen. Seine heimliche Passion, die Patisserie, perfektionierte er beim mehrfachen Goldmedaillen-Gewinner Robert Oppeneder, ehemals Chef-Patissier des 3-Sterne Restaurants Aubergine. Angelo Zicaro ist 1999 der erste italienische Koch der einen deutschen Meisterbrief erwirbt – als Chefkoch der renommierten Osteria Italiana.

Die Kochschule in der Schleißheimerstraße 205 in München betreibt er seit fast 20 Jahren. Und er erinnert sich an den Anfang in Deutschland. Am 24. Oktober 1984, um 13:30 Uhr erreichte sein Zug Eckernförde. Der Zug aus Kalabrien, aus Cosenza, fuhr 2 Tage lang, immer gen Norden, um ihn zu Verwandten zu bringen..

Neben der Kochschule berät er heute Gastronomen. „Ich bin viel unterwegs, jeder Laden ist wie ein Mensch, hat immer ein anderes Problem, der eine hat ein Menüproblem, der andere eines mit der Kalkulation, mit den Rezepten, dem Umsatz.“

Angelo Zicaro ist Italiener, „aber meine Heimat ist München. Zu Hause sprechen wir deutsch, alle Italiener, die mit meiner Hilfe nach München gekommen sind, sprechen deutsch.“

In seiner „Italienischen mediterranen Kochschule“ wurde das Buch „Der sechste Sinn in der Küche“ im Rahmen eines Events Ende Juni vorgestellt. Es dürfte die kulinarischste Formelsammlung der Geschichte gewesen sein.

Angelo Zicaro

Der sechste Sinn in der Küche

125,00 €

VERLAG: Quantasticverlag

ISBN: 9783982356105

Tel. 089-30764744

Mail: az@angelo-kochschule.com

MEHR STORIES

Paradeplatz 2 & Talstraße 37 | 8001 Zürich Ausstellung 14. März – 31. Mai 2024: Galerie Gmurzynska                                                                                 Die Galerie ... Weiterlesen

Graz ist die zweitgrößte Stadt Österreichs und kann auch als Musikzentrum mit Wien mithalten. Blickt man vom Schlossberg über die ... Weiterlesen

Booking.com

Mehr entdecken aus:

Zurück zu:

Hans-Herbert Holzamer

Autor Kurzvorstellung:

Freier Journalist und Autor

Hinweis: Dieser Beitrag wird regelmäßig von Mitgliedern der Reise-Stories Redaktion wie Heiner Sieger, Gerhard Fuhrmann und Jupp Suttner auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft. Falls Sie Anmerkungen zu diesem Beitrag haben, kontaktieren Sie bitte direkt hier die Redaktion.

INTERESSANT FÜR SIE

Tipp_Restaurant_Hotel_finden

Entdecken Sie als Local oder auf Reisen die besten Restaurants, Bars, Hotels, Kultur-Highlights oder Freizeitaktivitäten nur zu Ihren Wunschregionen!

Ich stimme den Datenschutzbedingungen zu.