Heilbaden in Niederschlesien: Sentimentalität im Strudel

Bad Warmbrunn. Sucht man nach diesem Ort, antwortet Wikipedia mit Cieplice Śląskie-Zdrój. Wenn man weiß, dass Zdrój auf Deutsch „Bad“ heißt, merkt man, dass man auf der richtigen Spur ist. Eine Pressegruppe begab sich auf die Reise nach Bad Warmbrunn, das heute ein Stadtteil von Jelenia Góra, Hirschberg, ist, denn Kuren sind angesagt, aber oft und für viele zu teuer. Und dem niederschlesischen Bad Warmbrunn läuft die Vermutung voraus, dass es für privat zahlende und Kassenpatienten eine attraktive Alternative zu anderen, vor allem deutschen Bädern sei.

Bild ganz oben: Bad Warmbad in Niederschlesien

Und plötzlich befanden wir uns nach einer Anreise über die schlesische Hauptstadt Breslau, die heute Wrocław heißt, in einer waldreichen Landschaft, deren beherrschender Gebirgszug die Sudeten mit der Schneekoppe sind, die indes darüber hinaus über viele Berge verfügen, vom Glatzer Bergland über das Riesengebirge bis zum Heuscheuer-, Eulen- oder Altvatergebirge. Die Orientierung fällt nicht leicht, wenn man nur die Umrisse Schlesiens im Kopf hat, denn die Straßenschilder sind nur auf Polnisch.
Wer dagegen zu seinem Reisebüro geht und sagt, ich möchte zur Kur nach Niederschlesien, der wird hierher zu einem der Kurorte gebracht und braucht sich um Straßenschilder und untergegangene deutsche Namen nicht zu kümmern. Angeboten werden ihm neben Bad Warmbrunn auch noch Bad Flinsberg, Bad Polzin (in Pommern) und im Glatzer Bergland, unweit der tschechischen Grenze, die Kurorte Bad Altheide, Bad Reinerz (Duzniki Zdrój) und Bad Kudowa (Kudowa Zdrój). Sie alle werden von dem größten Netz der Kurhäuser in Polen, der Polska Grupa Usdrowisk, betreut und werden alle von uns besucht. Dazu kommen noch zwei Nobel- Wellness-Hotels, das Dr Irena Eris in Polanica Zdroj, wohinter sich Bad Altheide verbirgt, und ein veritables Schloss, das Zamek Topacz in Bielany Wrocławskie, einem Vorort von Breslau. Und weil es an der der Strecke liegt, statten wir auch Johannisbad in der Tschechei, das heute Janské Lázné heißt, einen Besuch ab. So wollen wir dem Ziel, einen Überblick über die Kurangebote Niederschlesiens zu geben, gerecht werden.

In einem vernünftigen Reisebüro wird natürlich die Empfehlung eines Kurbades von den Beschwerden des Patienten und den Verschreibungen des Arztes ausgehen. Dem sollen die Kurangebote der besuchten Einrichtungen entsprechen. Denn hier geht es nicht um Spaß und Wellness, sondern um die „Heilung von Beschwerden“, wie es Zbigiew Muczynski, der Repräsentant der Kurunternehmen im Ort Bad Warmbad ausdrückte. Daher ist in den Bädern auch um 22:00 Uhr Nachtruhe angesagt. Die Konzerte und sonstige Angebote zur Zerstreuung beginnen früh. In Bad Warmbrunn, das wir als erstes besuchten, basieren viele Anwendungen (Hydrotherapie) auf den Inhaltsstoffen des Wassers, das mit einer Temperatur von 90 Grad aus dem Boden kommt, auf Peloidtherapie, den Einsatz von Moor, Inhalationen, Bewegungs- und Elektrotherapie. Sie werden zur Behandlung von Erkrankungen des Bewegungsapparates, des Harnsystems und in der Augenheilkunde eingesetzt. Neben der Wassertemperatur ist die Spülung der Augäpfel bei Trockenheit, etwa durch Arbeit am Computer, eine Besonderheit des Kurortes, die auch von Teilnehmern unserer Gruppe gerne „in Augenschein“ genommen wurde.

Da ein Aufenthalt nur in Bädern und Behandlungszimmern aufs Gemüt geht, statteten wir auch dem historischen Städtchen Bad Warmbrunn, dem barocken Kurhaus, dem Schaffgottschen Schloss und dem Kurpark einen Besuch ab. Wer mehr Zeit hat, eine Therapie dauert zwei bis drei oder vier Wochen, der kann Hirschberg, die Kynastburg, das Gerhart-Hauptmann-Haus, den Nationalpark Riesengebirge und vieles mehr besichtigen, je nachdem wie groß er den Zirkel seiner Exkursionen schlägt.
Was für Bad Warmbad gilt, kann auch für Johannisbad in Tschechien und das darauf besuchte Kudowa gelten: Die Einrichtungen mögen etwas in die Jahre gekommen scheinen, aber sie sind top gepflegt, die Abläufe professionell organisiert, und die das Kolorit gebende Umgebung sorgfältig restauriert. Die deutsche Vergangenheit ist erkennbar aber regelmäßig nicht in erklärenden Informationen dokumentiert.

Die Preise in der Kurortgruppe Usdrowisk sind gleich, so dass man sich bei der Auswahl ganz auf die benötigten Anwendungen konzentrieren kann. So kostet ein 2-Personen-Appartement für eine Woche „Gesundheitsaufenthalt“ ohne die ärztliche Untersuchung je nach Saison zwischen 240 und 270 Euro. Eingeschlossen sind drei Mahlzeiten und zwei Behandlungen täglich.

Der Patient trifft dort überwiegend auf Polen. „Sentimentale“ Gäste aus Deutschland, die der Heimat einen Besuch abstatten wollen, werden immer weniger. Wir begegnen zwei. Aber auf den Fluren und in den Trinkanlagen kommt man mit Deutsch trotzdem besser durch als mit Englisch, weil ein Großteil des deutschen Anteils, der etwa bei 10 Prozent liegt, Aussiedler aus den früheren GUS-Staaten sind, die es zur Kur gen Osten und in eine Gegend zieht, in der sie mit Russisch sich verständlich machen können.
In Kudowa trinken wir im Trinkhaus aus dem seit dem 17. Jahrhundert bekannten Sauerbrunnen des Glatzes Landes, dessen Wasser einst in Berliner Apotheken zu Haustrinkkuren verkauft wurde. Im Sanatorium Polonia werden wir mit den Anwendungen gegen Arterienverkalkung, Morbus Basedow, Blutkrankheiten, Erschöpfungszustände, Herz-Kreislauferkrankungen, Rheuma, Stoffwechselerkrankungen und ähnliches vertraut gemacht. Ganz in der Nähe befinden sich die „wilden Löcher“, Sandstein-Felsen, die in einem Rundkurs durchschritten und durchkrochen werden können, ein Spaß für jeden, der nicht allzu dick ist. Diese werden elegant unter Hinweis auf mögliche klaustrophobische Anfälle zurückgehalten.

Wir bleiben die nächsten Tage im Glatzer Bergland und treffen in Bad Reinerz im Sanatorium Jan Kazimierz auf Frédéric Chopin, der hier 1826 kurte und vergeblich hoffte, Linderung im Kampf gegen die Tuberkulose zu bekommen. Heute sind die Hauptindikationen der Kuren Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Erkrankungen des Bewegungsapparates oder des Verdauungssystem, Rheuma und Osteoporose sowie Erkrankungen der Atemwege. Eine angenehme Unterbrechung der heilmedizinischen Unterweisungen ist ein Besuch in der mehr als 400 Jahre alten Papiermühle, in der wir eigene Blätter schöpfen dürfen.

Nach kurzer Reise erreichen wir in Bad Altheide das Resort Dr Irena Eris, das erkennbar nicht für das Klientel gebaut wurde, mit dem wir in den besuchten Bädern der Kurortgruppe Usdrowisk in Kontakt kamen. Es setzt auf „Luxury close to nature“, bietet Wellness- und Business-Aufenthalte und setzt auf Behandlungen mit der eigenen Kosmetik-Serie. Im Sanatorium Wielka Pieniawa und der neu gebauten Villa Mała Pieniawa, die sich in unmittelbarer Nähe des Kurparks befinden, sind wir wieder unter den klassischen Kurgästen. Auf der Freiluft-Bühne ölt ein Karel-Gott-Epigone seine Lieder bis 18:00 Uhr, dann ist Essenszeit. In den Einrichtungen warten Mineral-, Perl-, Sole- und Moorbäder. Es gibt schottische Duschen, Massagen, Inhalationen und Heilgymnastik. Und da sich nur wenige mit dem Polnischen auskennen und Deutsch zusätzlich nur dort auf den Straßenschildern erscheint, wo der deutsche Bevölkerungsanteil die 50-Prozent-Grenze überschreitet, was in einigen Orten bei Opeln der Fall ist, wird die Abholung angeboten: Berlin: 160 € pro Person, Dresden: 140 € pro Person.
Wir schließen den Besuch in Bad Altheide im Wellnesshotel Bukowy Park ab, das uns aufgrund der persönlichen Athmosphäre, welche von den Wirtsleuten geschaffen wurde, sehr gut gefiel, und streben tags drauf wieder nach Breslau, um dort im Schloss, dem Wellnesshotel Topacz, Abschied von den niederschlesischen Bädern zu nehmen. „Art Spa“ nennt es sein Angebot, es ähnelt dem von Dr Erina Eris, ist vielleicht nicht ganz so abgehoben.

Nachdem nun die Wirkungen sämtlicher Anwendungen verflogen sind, bleibt die Frage, ob man einer der Einrichtungen den Vorzug geben würde, wenn die Indikationen stimmen. Nein, würde ich nicht. Alle zeichnen sich durch Professionalität und Ernsthaftigkeit aus. Wer kein Spaßbad, sondern ein Heilbad will, ist hier richtig aufgehoben. Vielleicht wird dann die „Sentimentalität“ den Ausschlag bei der Auswahl geben.

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Hans-Herbert Holzamer

Autor Kurzvorstellung:

Freier Journalist und Autor

Hinweis: Dieser Beitrag wird regelmäßig von Mitgliedern der Reise-Stories Redaktion wie Heiner Sieger, Gerhard Fuhrmann und Jupp Suttner auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft. Falls Sie Anmerkungen zu diesem Beitrag haben, kontaktieren Sie bitte direkt hier die Redaktion.

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