Haberfeldtreiber in Amerika ?
Gibt`s des? Ja – des hat´s geb´n – und wia !
Haberfeldtreiber oder Haberer – wie sie im Volksmund auch heißen – gab und gibt es vornehmlich im bayerischen Oberland rund um Miesbach, Tölz und Ebersberg, vor allem in der ehemaligen Grafschaft Hohenwaldeck.
Bereits um 1700 – also vor gut 300 Jahren – war das Haberfeldtreiben ein Rügegericht, dem oft Reiche und Angehörige der Obrigkeit zum Opfer fielen. Anlass waren Verstöße gegen das Recht, das Rechtsempfinden des Volkes und Verstöße Einzelner gegen Sitte und Moral.
Die Haberer waren meist vermummt oder hatten rußgeschwärzte Gesichter, um nicht erkannt zu werden. Sie rekrutierten sich aus Bauern, Handwerkern und einfachen Arbeitern. Gewehre, Ratschen und sonstige Lärminstrumente wurden mitgeführt. Seit spätestens 1840 waren sie wegen der zunehmenden staatlichen Verfolgung streng organisiert. An die hundert Teilnehmer waren keine Seltenheit. In Miesbach sollen es 1893 sogar etwa 350 gewesen sein.
Heute ist das Haberfeldtreiben im Oberland Brauchtum und öffentliches Spektakel. Untaten Einzelner und von Obrigkeiten werden dennoch nach wie vor an den Pranger gestellt.
Sie werden sich jetzt fragen, wie kommen diese Burschen nach Amerika.
Ganz einfach: Als gebürtiger Miesbacher ist mir der Sachverhalt und somit der örtliche Verein „D`Haberer“ natürlich bekannt. Einige meiner Schulkameraden sind bei den Haberern und sogar der Haberermeister ist ein alter Schulspezl.
Zum 50. Geburtstag trafen wir uns und die Rede war, dass einige Schulkameraden schon seit mehreren Jahren in Amerika leben. Einer in Dallas, einer in San Francisco und der Bruder des Haberermeisters in der Nähe von Seattle.
Spontan machte Helmut, besagter „Moasta“, den Vorschlag, die Freunde in den USA zu besuchen.
„Der Charly hat doch a Reisebüro, der soll das organisieren.“
Und somit war ich mitten drin. Vierzehn Haberfeldtreiber und ich „on Tour kreuz und quer durch Amerika“.
Das konnte ja lustig werden – und es wurde nicht nur lustig …
Nachdem ich die Adressen der nach Übersee ausgewanderten bekommen hatte, arbeitete ich eine dreiwöchige Reise kreuz und quer durch Amerika einschließlich Hawaii aus. Es sollte eine Reise der besonderen Art werden. Vierzehn ehemalige Mitschüler – grösstenteils „Haberer“ . meldeten sich für die USA-Tour an.
So habe ich zwischen den geplanten Besuchen unserer alten Schulspezl ein Superprogramm von Seattle ganz im Nordosten über San Francisco, Hawaii, Las Vegas, Dallas im tiefsten Süden der USA organisiert.
Um es vorweg zu nehmen, es hat alles bestens geklappt und wir kamen alle gesund wieder nach Hause. Gar nicht so selbstverständlich. Wissen sollte man dabei auch, dass außer mir nur zwei Männer dabei waren, die die englische Sprache beherrschten. Wie gesagt, es waren einige Mitglieder der in unserer Stadt auch heute noch umtreibenden Haberfeldtreiber. Eine traditionelle Vereinigung aus alten Zeiten Kaiser Karls von Untersberg. Meist grobschlächtige Kerle mit gutem Kern und ehrlichem Rechtsempfinden. Verständlicherweise der Tradition verpflichtet, weshalb sie auch ihre Lederhosen nebst anderen Trachtenutensilien mit auf die Reise nahmen.
Es ging also los. Von München mit der Lufthansa nach London. Dort stiegen wir in ein Fluggerät der British Airways mit dem Ziel Seattle im Nordwesten der USA. Es gab keine Möglichkeit der vorherigen Sitzplatzreservierung, so dass die Gruppe in allen Teilen der großen Maschine verteilt saß.
Ungeahnte Folgen oder besser gesagt lustige Geschichten, weil die meisten Stewardessen der BA kein deutsch sprachen. So war es für manche schon einigermaßen schwierig, das Essen zu bestellen. Zwei warme Gerichte zur Wahl wurden angeboten, Chicken oder Halibut – also Hendl und Heilbutt. So kämpften sich gleich einige von den vorderen Reihen zu mir nach hinten durch, um nachzufragen. Chicken war klar, aber Halibut ? Fisch wollten die meisten so wie so nicht, also Chicken. Chicken war aber bald aus – „und an Fisch friss i ned“ war zu hören.
Weiter gings mit Kopfhörern für Musik und Film. Die Stewardess wollte umgerechnet fünf Mark Einsatz. „i wui den ned kaffa“, so die Antwort. Später kamen einzelne zu mir und fragten nach der Toilette. Sie trauten sich nicht rein, weil da ja „Lavatory“ dran stand. Nach der Landung war das komischer Weise alles wieder ganz anders. Da stand nirgends „Lavatory“. Am Flughafen stand da zum Beispiel Men oder Mensroom, in Lokalen Gents oder im Hotel Gents oder Gentleman. „Da wird man ja ganz verrückt“, sagte mir einer, der immer wieder unverrichteter Dinge zurück kam.
Ähnlich lustig, manchmal auch nicht ganz so lustig, verlief die ganze dreiwöchige Reise kreuz und quer durch die Vereinigten Staaten.
Aber noch mal kurz zurück ins Flugzeug der British Airways. London – Toronto – Seattle, das sind drei Zeitzonen und an die zehn Stunden Flug. Da wird es so manchem schon mal langweilig. Man macht es sich bequem, zieht seine Schuhe aus und schläft. So auch zwei Haberer aus meiner Gruppe.
Sie hatten vorher vielleicht auch etwas zu viel getrunken, weshalb sie sogar die Landung in Seattle verschliefen. Nachdem sie von einer Stewardess und Passagieren geweckt worden waren, wussten sie zunächst gar nicht, wo sie sind und was eigentlich los ist. Dann ging das wilde Suchen nach den Schuhen los, die während der Landung unter den Flugsesseln weiß der Teufel wohin gerutscht waren. Die schlaftrunkenen Genossen krabbelten auf allen Vieren zwischen Sesseln und Aussteigewilligen umher, während sie schimpften und andere Gäste zum mitsuchen animierten. Ein heilloses Durcheinander. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Zunächst hatte jeder nur einen Schuh gefunden, der ihm nicht gehörte und am Ende hatte einer nur noch einen Schuh. Sein zweiter war ums Verrecken nicht zu finden. So humpelte er mit einem Schuh aus dem Flieger und durch den Flughafen zum Zoll. Und hier wurde aus lustig ganz schnell nicht mehr ganz so lustig.
Die so genannte „Emigration“, also die persönliche Einreise und Kontrolle, wurde auch damals schon sehr ernst und genau genommen in Amerika.
Also angetrunken, schläfrig und grantig, dann noch mit einem Fuß strumpfsockig und obendrein keine englischen Sprachkenntnisse. Das konnte ja heiter werden.
Zunächst sollte man an einer Linie am Boden etwa zwei bis drei Meter vor der Kontrolle warten und nur einzeln vortreten. Da haperte es bereits. Er sah die Linie nicht einmal und stolperte unversehens vor bis zum Beamten in seinem Häuschen, obwohl dieser mit der intensiven Befragung einer Dame beschäftigt war. Der Beamte beorderte ihn lautstark zurück. Weil unser Freund aber kein Wort davon verstand, laberte und schrie er seinerseits zurück, aber auf bayrisch mit ganz schön saftigen Ausdrücken. Zum Glück verstand das außer uns keiner, doch dass er ungehalten und betrunken war, konnte man weder überhören noch übersehen.
Es waren, so schätze ich, bestimmt an die acht bis zehn Zollhäuschen und ich stand mit den restlichen Freunden zusammen in einer Warteschlange der übernächsten Reihe. Ich lief sofort hinüber und versuchte ihn zu beruhigen und nahm ihn mit in unsere Reihe.
Als er zur persönlichen Kontrolle drankam, nahm es der Beamte natürlich besonders genau, hatte er doch den Auftritt zuvor schon mitbekommen.
Nur mit viel Mühe war es mir möglich, ihn durch die Kontrolle zu bringen. Er konnte keine der üblichen Fragen nach Geld, Sinn und Zweck der Reise oder einem gebuchten Hotel beantworten, obwohl ich jeden einzelnen der Gruppe darauf vorbereitet hatte. Um ein Haar hätte man ihn mit der gleichen Maschine zurück geschickt.
Wovon konnte man sich denn im Flugzeug so betrinken ? Mir fiel gleich die Geschichte mit einer Stewardess ein. Diese hatte mich während des Fluges gefragt, ob wir aus Bayern kämen und aus welcher Gegend. Als sie hörte, woher wir kommen, erzählte sie, dass ihr Mann Amerikaner sei und längere Zeit in Bad Tölz, also bei uns um die Ecke stationiert war. Sie liebe Bayern und auch ihr Mann mag Bayern und Deutschland sehr gerne. Speziell Weißwein aus Franken mögen sie beide und sie habe eine Kiste Boxbeutel dabei. Das alles hatte ich meinen Freunden, die zwanzig Reihen vor mir saßen, bei einem kurzen Besuch erzählt. Und was machen die Freunde? Sie quatschen der Stewardess, die nur wenig deutsch sprechen konnte, fast die ganze Kiste Wein ab.
Jetzt wusste ich nicht nur woher der Rausch kam, ich ahnte auch, was mich in den nächsten drei Wochen erwarten sollte.
Erste Station war Seattle ganz im Nordosten, weil hier in der Nähe der Bruder eines ehemaligen Klassenkameraden seit fast fünfundzwanzig Jahren lebte und ein weiterer Freund aus Vancouver in Kanada dazu kommen wollte.
Nach einem langen Flug und den unguten Vorfällen wollte ich mit den Kameraden möglichst schnell ins vorab gebuchte Hotel. Mit drei großen Kombis kamen wir dort nach einer weiteren Stunde todmüde an. Das gebuchte Hotel lag im Hafen von Seattle, direkt an der Hafeneinfahrt für Ozeanriesen. Der irre Verkehr auf den Straßen und Highways von Seattle und der unglaublich große Containerhafen hat mich sehr beeindruckt. Ebenso die Skyline der Stadt mit der Spaceneedle, dem Wahrzeichen einer Weltausstellung früherer Jahre.
Zunächst aber hatten wir alle den Wunsch, uns kräftig aus zu schlafen und das besonders unser Freund mit dem fehlenden Schuh.
Der nächste Tag begann traumhaft. Ich schaute aus meinem Hotelfenster direkt in die Hafeneinfahrt, wo ein riesiges Schiff nach dem anderen in den Hafen glitt und andere hinaus fuhren. Vor allem Tanker und Frachtschiffe mit gigantischen Ausmaßen, so etwas hatte ich noch nie gesehen. Dazwischen ab und zu Passagierschiffe. Alles glitzerte im Sonnenlicht eines herrlichen Tages am Pazifik.
Nach einem typisch amerikanischen Frühstück war eine Stadtbesichtigung mit drei großen Vans geplant. Im Vorfeld hatte ich vorgesehen, das auf eigene Faust zu machen. Aber oh Gott, wir waren den Verkehrsverhältnissen kaum gewachsen, von einer ordentlichen Orientierung ganz zu schweigen.
Zum Glück waren zwei meiner mitreisenden Schulkameraden in der Lage, einen Van in einer belebten City zu bewegen, aber ein Zusammenbleiben war wegen des irren Verkehrs und der unzähligen Ampeln unmöglich. Auch die Verkehrsschilder und die Über- und Unterführungen an den innerstädtischen Highways waren ein regelrechtes Labyrint. Die Rettung war, dass wir zufällig an einem Sightseeing-Office bei einem allgemeinen Stop standen und ich mich kurz entschloss, in einen Bus mit örtlicher Führung um zu steigen. Wir genossen eine sagenhaft schöne Tour mit allem Drum und Dran, vom Besuch der Space-Needle mit Blick über die ganze Stadt bis hin zum unglaublich großen Fischerhafen. Tage vor unserer Abreise aus Deutschland hatte ich mit meinem früheren Schwager, der vor vielen Jahren nach Vancouver in Kanada ausgewandert war, vereinbart, dass er uns in Seattle besucht. Vancouver liegt etwa zweihundert Kilometer nördlich von Seattle auf kanadischer Seite. Jetzt, also im Fischereihafen, fiel mir ein, dass mein Schwager am Telefon sagte, dass sein Schiff während der Zeit unseres Besuches zufällig in diesem Hafen liegen würde. So hielt ich Ausschau danach und entdeckte erstaunlicherweise den Giganten. Es war regelrecht eine schwimmende Fischfabrik. Den Namen des Fischfangriesen habe ich vergessen, vergessen hab ich aber nicht, dass ich zu einem Seemann in schätzungsweise fünfzehn bis zwanzig Meter Höhe hochgebrüllt habe:
“Do you know Mr. Nordmann ? “ Prompt kam es zurück: „ Yes, I know him. He is the big German „
Sensationell – wir waren alle wirklich sehr überrascht. Mein Freund und früherer Schwager ist in der Tat groß und stattlich und außerdem ein großer Geschäftsmann. Sein Vater war auch ein Bär von einem Mann und fuhr auch zur See. Mit dieser schwimmenden Fischfabrik fuhr unser früherer Kamerad aus Oberbayern also heute rauf bis Alaska zum Fischfang, mit einem Haufen wilder Seeleute vom Eskimo bis zum Abenteurer.
Abends habe ich dann vom Hotel aus mit ihm in Kanada telefoniert und er war sehr belustigt über meine Erzählung. Am nächsten Tag kam er dann mit dem Auto angereist und hat uns Seattle so gezeigt, wie es ein offizieller Stadtführer sicher nicht macht und vielleicht auch gar nicht kann. Am Abend lud er uns in ein typisch japanisches Restaurant ein. Bekanntlich sitzt man da mit gekreuzten Beinen auf dem Boden. Um Gästen, die das nicht können oder beherrschen, hatte man Klappen im Boden. Somit konnte man wie dort üblich am Boden sitzen, ohne dass die Beine eingeschlafen wären. Obwohl roher Fisch nicht jedermanns Sache war, war es ein Treffen der Superlative für mich und meine Reisebegleiter. Das ging ja schon toll los !
Wahnsinn – wenn das nur annähernd so gut weiter geht – dachte ich. Und es ging so weiter, es war ja erst der Anfang.
Wir blieben im gleichen Hotel in Seattle, weil ich geplant hatte, eine offizielle Besichtigung der dort befindlichen Werke des weltbekannten Flugzeugherstellers „Boing“ zu machen.
Früh morgens wurden wir von einem firmeneigenen Bus abgeholt und mit absolut professioneller Führung betreut. Nach einem Empfangscocktail im sehenswerten Boing-Museum folgte eine schier endlose Besichtigungstour durch Werke und Anlagen mit den Ausmaßen einer mittleren Stadt. Ein unvergleichliches Erlebnis, verschönt mit einer Einladung zum Essen ins werkseigene Restaurant, mit fachbezogenen Filmen im Kinosaal von Boing und interessanten Geschenken zum Abschied. Ein rundum lehrreicher und hochinteressanter Tag.
Am nächsten und letzten Tag in Seattle besuchten wir einen weiteren deutschen Freund etwa fünfzig Kilometer nördlich der Metropole. Es handelte sich um den älteren Bruder des Haberemeisters.
Das bedauerliche dabei war, dass die grundsätzliche Idee für diese Reise durch Amerika von diesem Mitschüler kam, er aber die Reise selbst nicht mitmachen konnte, weil seine Mutter kurz vor der Abreise sehr schwer erkrankt war. So konnte er leider nicht mitfahren und seinen Bruder nicht besuchen.
Wir mieteten uns drei große Kombis, studierten die Karte und gingen auf die, wie wir meinten, kurze Anreise. Gewundert habe ich mich zwar schon, als der zu besuchende Freund am Telefon meinte, so zwei bis zweieinhalb Stunden würden wir schon brauchen.
Wir verließen also die Stadt in nördlicher Richtung. Die Landschaft wurde immer schöner, es ging in kurvigen Straßen bergauf und bergab und immer wieder tauchten Buchten und Fjorde vor uns auf. Bäume und Sträucher und vor allem große und bunt blühende Blumen säumten den Weg. Na ja, ich wusste ja, wir sind direkt am Golfstrom, aber so eine bunte und schöne Pflanzenvielfalt hatte ich nicht erwartet. Wie ein riesiger botanischer Garten. In unzähligen Wasserstraßen und an Stränden tummelten sich Motorboote und Segler. Auf den Anhöhen dazwischen vereinzelt bunte Wohnhäuser in typisch amerikanischer Holzbauweise. Ein kleines Paradies. In dieser gottbegnadeten Gegend wohnt also unser Freund seit mehr als zwei Jahrzehnten. Nur, alles sah irgendwie gleich aus. Seearme, Buchten, eine Anhöhe und noch eine, immer wieder fast gleiche Häuser in immer wieder den gleichen Farben von hellblau über weiß bis karminrot. Ein Fjord kam nach dem anderen, jede Bucht sah irgendwie gleich aus. Abzweigungen hatten keine Hinweisschilder und die Häuser keine Nummern.
So fuhren und suchten wir jetzt schon über drei Stunden und kannten uns schon gar nicht mehr aus. Navis und Handys gab es Ende der 80iger ja noch nicht. Doch endlich hatten wir Glück. An einer größeren Straßenkreuzung stand ein offensichtlich wartender Mann in einem karierten Hemd neben einem roten Dodge Pickup. Mit dem Zettel der Wegbeschreibung in der Hand hielten wir an. Die Freude war überschwänglich, es war unser Freund. Nach einer ausgiebigen Begrüßungsorgie auf der Straße schlug er vor, zusammen in den nächsten größeren Ort in ein Lokal zu fahren, um das Wiedersehen mit einem Drink zu feiern. Er konnte kaum noch deutsch und weinte vor Freude, als er bayerische Töne hörte. Leider war er in Punkto Partnerschaft scheinbar in einer nicht ganz so glücklichen Lage. Seine Frau hatte unter anderem auch etwas dagegen, so viele bayerische Freunde auf einmal in ihrem Haus zu empfangen.
Auch sonst schien es eine nicht sonderlich intakte Ehe zu sein. So fuhr er nach ein paar Bieren auf seiner wunderbar liegenden Terrasse seines Hauses mit uns zurück ins Seattler Hotel, um dort mit uns ausgiebig das Wiedersehen zu feiern. Natürlich blieb er auch für die Nacht bei uns im Hotel.
Bei der Verabschiedung tat er mir leid. In so einer traumhaften Landschaft zu wohnen und nicht den passenden Partner zu haben. Aber so was solls ja öfter geben. Schade.
Für uns stand die Weiterreise nach San Francisco an. Der Sohn unseres soeben besuchten Freundes lebte in der Nähe von Frisco, er sollte uns am Flughafen empfangen und ein wenig betreuen. Wir bekamen von seinem Vater nur die Telefonnummer, nicht die Adresse. Sollte er das gleiche Problem haben ? Egal, dachte ich, wenn er uns abholt und ein wenig weiter hilft, ist ja genug. Ein Hotel hatte ich ohnehin vorab gebucht. Ansonsten war ich sehr neugierig auf San Francisco. Ich war ja noch nie dort und im organisieren war ich ohnehin geübt. Trotzdem ist es immer nützlich, wenn man eine Kontaktperson hat. Mein ungutes Gefühl bezüglich des vermeintlichen Abholers hat sich leider als berechtigt herausgestellt.
Am Flughafen angekommen war weit und breit kein Mensch zu finden, auf den die Beschreibung des Vaters aus Seattle passte oder der wie vereinbart ein Schild mit der Aufschrift „Bayern“ hochgehalten hätte. Auch ein Anruf vom nächsten Telefon war erfolglos.
So besorgte ich drei große Van und wir fuhren zum gebuchten Hotel ins Zentrum der Stadt. Es war wie in Dutzenden von Filmen gesehen und gehört. Eine hochinteressante City auf vielen Hügeln, bergauf und bergab, aneinander gebaute Wohnhäuser aus Holz, dazwischen gigantische Wolkenkratzer, der sensationell schöne Union-Square und über allem lag das ständige Heulen der Polizei- und Rettungswagen. Selbst durch die geschlossenen Hotelfenster war dieses typische Geheule zu hören.
Hier waren drei Tage eingeplant. Da wir keinen direkten Freundesbesuch in San Francisco hatten, konnten wir nach Herzenslust alles anschauen. Gleich am ersten Tag stand eine Fahrt mit der berühmten Cable Car quer durch die hügelige Stadt von einer Seite zur anderen auf dem Plan. Wie ich finde, ein absolutes Muss für jeden Besucher dieser Stadt. Die romantischen alten Wagen dieser Bahn haben offene Plattformen und man hat von jeder Anhöhe neue und sehenswerte Ausblicke. Straßenschluchten, offene See, die Gefängnisinsel Alcatraz und in die Palmenparks.
Am Abend gingen wir zum berühmten Pier 39 und anschließend in eine heiße Bar namens LTU.
Wir haben alle viel getrunken und es war sehr amüsant. „Beer“ und „thankyou“ waren eh die meistgebrauchten Worte unserer Sprachgenies.
Eine schier unglaubliche Geschichte passierte gegen zwei Uhr nachts. Ich ging vor die Bar um ein wenig Luft zu schnappen. Die tagsüber so überfüllte Straße war fast menschenleer und ich traute kaum meinen Augen. Da kam doch tatsächlich ein Kerl mit kräftiger Statur auf mich zu. Das Besondere dabei – er trug eine absolut perfekte bayerische oder besser gesagt eine original Miesbacher Tracht. Also Lederhose, Wadlstrümpfe, Trachtenschuhe, Miesbacher Joppe, original Trachtenhut mit Adlerflaum. Die berühmte Tracht unserer Heimat – und das mitten in San Francisco. Ich sprach ihn auf bayrisch an: „Ja wo kommst denn du her ?“ Er blieb stehen, schaute mich groß an und verstand kein Wort – ein Amerikaner. So redeten wir englisch und ich erfuhr, dass er etwa einhundert Kilometer entfernt in einer Kleinstadt lebt, sein Urgroßvater aus Bayern nach Amerika ausgewandert sei und sie in ihrer Stadt einen Trachtenverein haben, der „D`Schlierachtaler „ heißt. Sie hatten am Abend in einem Hotel einen Auftritt und er war noch einen trinken.
Ich holte meine bayerischen Begleiter aus der Bar. Einer davon war damals der Vorstand des Trachtenvereins Miesbach. Er hatte wie wir alle schon kräftig ins Glas geschaut. Wie alle anderen traute er seinen Augen nicht, setzte sich auf einen Randstein und brach in Tränen aus: „ Bei uns predigen wir das ganze Jahr, wie eine originale Miesbacher Tracht ausschauen muss, und mitten in San Francisco kommt ein Ami daher in perfekter Montur.“ Nach einigen gemeinsamen Bieren haben wir dann Adressen und Telefonnummern ausgetauscht und ich habe von zu Hause aus Verbindung gehalten. Die gesamte amerikanische Trachtengruppe wollte bei entsprechender Gelegenheit nach Bayern kommen und sozusagen das Ursprungsland ihrer fortgesetzten Tradition besuchen. Dazu kam es dann auch nach zwei Jahren. Zum 100-jährigen Gründungsfest des Trachtenvereins Gau Oberland kam die 35-köpfige Delegation aus Kalifornien mit Blaskapelle und allem Drum und Dran.
Und jetzt der Clou! Der obligate „Taferlbua“, also der Jugendliche, der vor der Gruppe beim Umzug oder Aufmarsch das Schild mit dem Namen der Trachtengruppe trägt, war bei den Amis ein schwarzes Mädel im bayerischen Trachtengwand. Es war wirklich ein gelungenes Fest und vor allem ein Fressen für die Presse. Der Kontakt besteht noch immer. Haberer mögn des …
Am nächsten Tag flog ich mit meinem wilden Haufen oberbayerischer Freunde weiter nach Honolulu zu einem einwöchigen Bade- und Besichtigungsaufenthalt. Unverschämt schöne Strände, traumhafte und wirklich sehenswerte Inseln, ein sonnenüberflutetes Leben am Tage und ein Nachtleben, das sich gewaschen hat. Einfach zum verrückt werden. Die Menschen sind lebensfroh und freundlich. Schöne Mädels ohne Ende. Schon am Airport wirst du von Hawaiianerinnen mit Blumenketten empfangen und überall ist Musik. Unser Hotel Garni lag unweit des weltbekannten Strandes von Waikiki. Da gingen wir natürlich jede freie Stunde hin, um Sonne, Wellen und das Treiben zu genießen.
Freie Stunden sage ich nur deshalb, weil ich schon im Vorfeld Besichtigungstouren auf andere hawaiianische Inseln und Rundflüge gebucht oder organisiert hatte.
So auch einen Rundflug auf der Hauptinsel mit beeindruckenden Zielen wie die Steilküste oder über einen riesigen Canyon, der fast so aussah wie der berühmte Grand Canyon in Arizona. Außerdem ein Flug auf die Feuerinsel mit speiendem Vulkan und Blick direkt in den brodelnden und rauchenden Vulkantrichter. Darum herum das in allen Blau- und Grüntönen glänzende Meer und die immergrünen Landschaften.
Einige meiner Gäste fanden das entweder nicht ganz so schön oder hatten einfach nur Flugangst in dem kleinen und manchmal sehr tief fliegenden Sportflieger. Ich saß jedenfalls unmittelbar hinter dem Piloten und übersetzte seine Erklärungen und Beschreibungen der jeweiligen Sehenswürdigkeiten. Die meisten konnten ja- wie schon erwähnt- kaum Englisch. Als ich mich mal umgedreht habe, sah ich, wie einige schliefen oder gar vom Sessel zu kippen drohten.
Beer und thank you waren eh die einzigen Worte, die sie bisher aussprechen oder verstehen konnten. Das machte mich sauer.
Offensichtlich hatte so manch einer zu tief in die Bierdose geschaut. Somit stellte ich meine Übersetzungen ein. Verständlich, oder ?
Das lustigste oder besser noch das fast makaberste passierte am Strand von Waikiki. An öffentlichen Stränden ist in Amerika grundsätzlich Alkoholverbot. Trotzdem wird da natürlich der eine oder andere Schluck getrunken. Aber halt aus Saft- oder Cola-Bechern im Softgetränk „versteckt“ oder indirekt aus den bekannten braunen Papiertüten. Ich wusste das natürlich. Weil aber einer aus unserer Gruppe Geburtstag hatte und es wegen des Zeitunterschiedes von genau zwölf Stunden um zwölf Uhr mittags eben zwölf Uhr nachts in Deutschland ist, hatte ich zwei Flaschen Champagner in Papiertüten aus dem Hotel mit an den Strand genommen. Ich wollte das Geburtstagskind mittags überraschen und einen Schluck anbieten. Obwohl ich das Problem mit den anderen am Vorabend schon besprochen hatte, holten ein paar gleich die Flaschen aus der Tüte und prosteten und sangen lautstark durch die Gegend. Kaum hatte ich die Wellen geglättet und die Flaschen wieder getarnt, legte ich mich wieder auf meine Liege. Prompt kam einer der „Sänger“ zusammen mit einem Amerikaner mit Cap und T-Shirt auf mich zu und sagte: „Du Charly, da ist einer, der kennt sich scheinbar nicht aus, ich versteh ihn nicht – was will der denn?“ Sofort sah ich, dass es ein Police-Man war. Funkgerät an der kurzen Hose und Knopf im Ohr. Er fragte mich, ob ich der Leader der Gruppe sei und nahm mich zur Seite. Ich versuchte ihm klar zu machen, dass wir ja nur kurz auf einen Geburtstag anstoßen wollten und es in Deutschland gerade Mitternacht ist und so weiter. Er seinerseits nahm mich ganz ernsthaft ins Gebet und teilte mir unmissverständlich mit, dass er uns vom Strand und notfalls sogar aus dem Land verweisen kann. Als ich ihn gerade so weit besänftigt hatte, dass Friede war, kamen drei aus meiner Gruppe dazu und sagten: „ Was wui denn der Depp, solln wir ihm ein paar Watschn geben, der soll abhaun, der bläde Hanswurst“. Der Polizist in Badezivil registrierte natürlich die feindseelige Einstellung meiner Kumpane und ich hatte alle Hände voll zu tun, die Situation zu retten.
Abends kamen wir ins Hotel, um nach dem Duschen und Zurechtmachen zum Essen zu gehen und ins Nachtleben ein zu tauchen. Der Hotelmanager bat mich unvermittelt in sein Büro, was mich wunderte. Er hätte doch gleich am Empfang mit mir reden können. Gab`s jetzt vielleicht doch Ärger wegen der Sache am Strand ? Nein, Gott sei Dank nicht ! Aber es war nicht weniger unangenehm. Er bat mich, einen Vorschuss oder eine größere Abschlagszahlung zu machen. Weil ich aber alle fixen Kosten und somit auch dieses Hotel bereits in Deutschland bezahlt hatte und die Hotelgutscheine beim Einchecken bereits abgegeben hatte, sah ich keinen Anlass für eine weitere Zahlung. Der Manager aber erklärte mir, dass es nicht um die Kosten für die Appartements ginge, sondern um hohe angefallene Nebenkosten. Was konnte denn da an Nebenkosten angefallen sein, dachte ich, wir sind doch erst drei Tage hier und haben hier weder gegessen noch getrunken, nur gefrühstückt und das war doch im Zimmerpreis enthalten.
Nein sagte er, es geht nur um Telefonkosten. Na ja, dachte ich wieder, so viel kann das ja wohl nicht sein. Oh doch, überraschte er mich, wir stehen momentan bei über 1.500,– Dollar. Ich wäre fast vom Stuhl gefallen. Schön langsam wurden meine Freunde in der Hotelhalle ungeduldig, sie warteten auf mich und waren hungrig. Sie wollten endlich losgehen und riefen mehr oder weniger laut nach mir. Auf meine Frage, wer von ihnen überhaupt und wie viel telefoniert hat, sagten die meisten entweder „i gar ned“ oder „i höchstens oa oder zoamoi“. Das konnte nie stimmen. Ich bat also den Hotelmanager um Geduld bis morgen und um eine detaillierte Auflistung je Zimmer, Gesprächseinheiten und angerufenen Nummern. Das Abendessen wurde, na sagen wir mal, lustig. Nach anfänglichem Abstreiten kamen mit zunehmendem Alkoholspiegel immer mehr „Einheiten“ zu Tage. Gar manch einer nahm mich zur Seite und stammelte: „ Du weißt doch, ich bin verheiratet. Ich habe meine Freundin in München angerufen, kann schon mal eine Stunde gewesen sein oder so, dachte das kostet nichts …, sag es bitte keinem, mein Schwager ist doch auch dabei, der darf das nicht erfahren.“ Lauter solche Scheiße musste ich mir anhören.
Am nächsten Tag erhielt ich die genaue Auflistung der Gespräche vom Hotelmanager. Obwohl jetzt Zimmer und angerufene Nummern sowie die jeweilige Gesprächsdauer feststanden, hatte ich immer noch so manches Problem. Dennoch schaffte ich es, die Telefonrechnung des Hotels erheblich zu reduzieren.
Von der örtlichen Reiseleitung erhielt ich auf Anfrage einen entscheidenden Tipp und die Adresse von AT&T in Honolulu. An der erhaltenen Auflistung der angeblichen Gespräche war mir nämlich aufgefallen, dass bei fast fünfzig angewählten Rufnummern pauschal zehn Dollar berechnet wurden und daneben NC vermerkt war, was so viel hieß wie no connection, also keine Verbindung. Ein Mitarbeiter der Telefongesellschaft sagte mir, das sei nicht zulässig und der Hotelier dürfe das keinesfalls verlangen. Er hat sogar im Hotel angerufen und die Rechnung wurde deshalb um über fünfhundert Dollar gekürzt.
Trotzdem waren noch über tausend Dollar zu bezahlen und ich hatte große Mühe, das Geld von meinen Reisebegleitern zu kassieren. Hatten sie doch meist angetrunken nachts telefoniert und am nächsten Tag nichts mehr davon gewusst. Außerdem die bereits erwähnten Geschichten mit Freundinnen und dergleichen, ich kam mir vor wie im Kindergarten. Ähnlich waren ihre Reaktionen auf Darbietungen und Angebote von gewerblichen Damen in diversen Nachlokalen. Einfach zum Brüllen, wie sich erwachsene Männer so dämlich und gleichzeitig kindisch verhalten können. So manch einem konnte man da ganz einfach nicht mehr helfen.
Eine lustige Begebenheit am Rande passierte, als wir in einer Menschentraube vor dem Eingang einer berühmten Bar auf die übliche „Gesichtskontrolle“ warteten. Eine sehr hübsche junge Frau tippte mich von hinten an der Schulter an und sagte aufgeregt und gleichzeitig vergnügt lachend:
„ Servus Herr Schellinger, grüß sie. Würden sie mich bitte mit rein nehmen und sagen, dass ich ihre Tochter bin ?“ Zunächst erkannte ich sie nicht gleich, weil ich sie erstens seit Jahren nicht mehr gesehen hatte und sie damals noch ein Kind war. Außerdem war sie abendlich gestylt. Sie war die Tochter eines Frisiersaloninhabers in meiner Geburtsstadt und mit ihrem Freund auf Hawaii zum Windsurfen. Weil sie erst achtzehn war, durfte sie nur mit erziehungsberechtigter Begleitung in ein derartiges Lokal. Die Altersgrenze ist in den Staaten bekanntlich einundzwanzig Jahre, speziell natürlich auch für Alkoholkonsum. Natürlich habe ich mich gleich bereit erklärt und wir haben das Ding geschaukelt. Da kann man mal wieder sehn, wie klein doch die Welt ist.
Nach einer sehr interessanten Woche auf den Hawaii-Inseln flogen wir zurück auf das amerikanische Festland. Wir wollten ja noch ein paar ausgewanderte Freunde aus unserer Schulzeit besuchen.
So stand als nächstes Ziel Las Vegas auf dem Programm. Eine Stadt, die es in sich hat. Unglaublich, was da so in die Wüste Arizonas gesetzt wurde. Schon im Flugzeug haben mich die Menschen beeindruckt, die da meist nur für ein paar Tage hinfliegen. Menschen mit offensichtlich viel Vermögen, andere offensichtlich zum letzten Versuch an Geld zu kommen. Abenteurer, Schwarze und Weiße, Junge und Alte. Illustere und hochinteressante Menschen..
Gleich am ersten Abend gingen wir in ein „Kasino“ mit riesigen Ausmaßen und unzähligen Spieltischen und noch mehr „einarmigen Banditen“ , wie diese Spielautomaten auch genannt werden. Mein Schulfreund Walter wollte unbedingt spielen und hatte einen ordentlichen Betrag extra bereitgelegt. Außerdem hatte er von unserem gemeinsamen Freund Helmut eine Summe mitgekriegt, die er in seinem Namen in Las Vegas einsetzen sollte. Wie schon erwähnt, Helmut war derjenige, der die Reise wesentlich angeregt hatte, aber wegen seiner schwer erkrankten Mutter dann nicht mitkommen konnte. Er war der Bruder des in Seattle besuchten Auswanderers.
Walter hatte also in der rechten Tasche sein eigenes Geld und in der linken Tasche das Geld des Freundes Helmut. Und so spielte er auch, einmal links und einmal rechts. Das Ende vom Lied: Sein eigenes Geld war restlos verspielt, das von Helmut war fast verdoppelt. Er hörte auf zu spielen, weil sein Geld zu Ende war und lieferte das Gewonnene zu Hause beim Helmut ab. Hut ab Walter, jetzt glaube ich wieder an das Gute im Menschen!
Der nächste Tag oder besser die nächste Nacht brachte ein Erlebnis der besonderen Art.
Sicher für alle unvergesslich.
Schon aus Deutschland hatte ich im Vorfeld einen Besuch bei den bekannten und weltberühmten Illusionisten Siegfried & Roy geplant und organisiert. Es war einer der letzten Auftritte der Beiden für längere Zeit, weil das Hotel abgerissen und neu wieder aufgebaut werden sollte.
Siegfried kommt ja bekanntlich aus Rosenheim in Oberbayern, einer Nachbarstadt von Miesbach, wo ich geboren wurde. Ich habe ihm einen persönlichen Brief geschrieben und die geplante Amerikareise mit den fünfzehn Freunden erwähnt. Prompt habe ich Post aus Las Vegas erhalten mit einer persönlichen Einladung. Auf normalem Wege wäre es fast unmöglich gewesen, Karten für eine der immer restlos ausverkauften Shows zu bekommen. Umso toller war es dann, als wir (in Lederhosen) von zwei schicken Hostessen an einer endlosen Schlange wartender „Normalbesucher“ in Abendkleidung vorbei durch einen privaten Sondereingang in die aller erste Reihe geführt wurden.
Das war die Show vor der Show ! Die Magic-Show war sensationell, die sicher nicht geringe Zeche bereits erledigt und es folgte sogar noch eine persönliche Einladung ins private Reich der beiden Weltstars. So etwas hatte ich in meinem Leben noch nicht gesehen. Die Gebäude, die Pools, die Palmen und vor allem die weißen Tiger.
Nach zwei Tagen und Nächten verließen wir die Traumstadt der Spieler und Illusionisten in Richtung Dallas, Texas. Beim Start konnte ich aus dem Fenster noch weite Teile des Gran Canyon in der Gluthitze Arizonas sehen.
In Dallas wurden wir am Flughafen von unserem vor rund zwanzig Jahren hier her gekommen Freund und seiner großen Familie mit bayerischer Blasmusik empfangen. Einige meiner Mitreisenden hatten die Lederhosen angezogen und sich bayerische Hüte aufgesetzt. Wir wussten, dass unser Schulfreund auch in Texas das bayerische Brauchtum pflegt, bayerische Musik macht und seine Heimat immer noch sehr liebt. Ein überschwänglicher Empfang am Flughafen Dallas war die Folge, verbunden mit einem größeren Menschenauflauf. Scheinbar gefällt das auch den Texanern, dachte ich. Und es war tatsächlich so. Drei oder vier Tage wurden wir von Einladung zu Einladung gereicht, es gab Schweinebraten und Knödel und viel Bier. Außerdem viele Menschen, die sich mit Trachtenhüten und ähnlichen Dingen „maskiert“ hatten und versuchten, wenigstens einige bayerische Töne (Jodeln) von sich zu geben. Fast alle erklärten uns, dass ihre Vorfahren irgendwie aus Bayern gekommen waren und wir erlebten ein paar wirklich sehr „nasse“ Tage. Ein besonderes Erlebnis für mich war die Bekanntschaft eines älteren Indianers, der uns bei einem solchen Fest mit bayerischem Hut samt originalem Gamsbart in fast perfektem Bayrisch begrüßte. Mit Tränen in den Augen erzählte er mir zu späterer Stunde, dass er gleich nach dem Krieg in Berchtesgaden in den bayerischen Bergen als Besatzungssoldat stationiert war. Er habe sich in die Landschaft, die Berge und die Menschen verliebt. Es war seine schönste Zeit, sagte er, und er wolle mit dem bayerischen Hut beerdigt werden. Da kamen auch mir fast die Tränen.
Er lebte in Fort Worth, einer ehemaligen Viehtreiberstadt mit riesigen Stallungen und einem noch original erhaltenen Verladebahnhof für Rinder. Er bot uns an, uns alles zu zeigen und zu erklären.
Wir trafen uns deshalb am nächsten Tag am Eingang der Stadt Fort Worth, etwa fünfzig Meilen östlich von Dallas. Als erstes lud er uns ein in eine typische Fressbude für Cowboys mit Holzkohlengrill.
Riesige Steaks und köstliches Rinderschabfleisch vermittelten uns einen unverwechselbaren Eindruck und ich fühlte mich um Jahrzehnte zurückversetzt in die Zeit der großen texanischen Viehtriebe.
Die Bars und Salons der Stadt und die staubigen, noch erhaltenen Verladeeinrichtungen der Cowboys rundeten das ganze ab. Abends zeigte er uns einen Club, der eine Mischung aus einem Saloon vergangener Tage und einer modernen texanischen Tabledance-Bar war. Hier sah man, so schien es, die schönsten Frauen Amerikas auf einem Haufen. Wie aus dem Playboy.
Beim Abschied aus Dallas gings wieder sehr lebhaft zu am Flughafen. Nur jetzt hatten wir Cowboyhüte auf, weil beim Abschiedsumtrunk natürlich jeder einen bayerischen Trachtenhut von uns haben wollte und die Hüte getauscht wurden. Das sah drollig aus. Lederhose mit Cowboyhut und teilweise sogar mit Westernstiefel.
Und so kamen wir dann spät abends in New Orleans an. Beim Einchecken ins Hotel im berühmten French Quarter von New Orleans waren wir so die absolute Sehenswürdigkeit. Schon die schwarzen Taxifahrer am Flughafen machten große Augen. Wir aber mussten erst mal schlafen. Die Feierlichkeiten in Dallas hatten deutliche Spuren hinterlassen.
Der nächste Tag in New Orleans war genau so schön und wolkenlos wie die Tage zuvor in Texas, aber noch deutlich heißer. In lässiger Kleidung gingen wir als erstes direkt in die bekannte Bourbon-Street genau gegenüber unseres Hotels. Dort wurden wir unvermittelt Zeugen eines feierlichen Umzuges buntest gekleideter schwarzer Menschen, laut singend und von einer Dixilandkapelle begleitet. Zuerst dachten wir, es handele sich vielleicht um eine Hochzeitsfeier. Aber man höre und staune, es war ein Beerdigungszug. Das sei hier so üblich, sagte man uns. Erstaunlich für Mitteleuropäer! Bereits zur Mittagszeit war fast in allen Bars und Kneippen temperamentvoller Betrieb und überall wurde musiziert. Nur fröhliche und feiernde Schwarze, wohin man auch schaute.
Am späten Nachmittag schlenderten wir in Richtung des nahe gelegenen Hafens am Mississippi. Bilder und Eindrücke wie aus Filmen der Kolonialzeit empfingen uns. Mächtige und bunte Raddampfer mit rauchenden Schornsteinen und Menschen bekleidet wie anno dazumal. Der Strom war hier so breit wie ein Meeresarm. Kein Wunder, es handelt sich um das Mündungsdelta des Mississippi in den Golf von Mexico.
Auf so einem Raddampfer wollten wir am nächsten Tag den Strom nach oben fahren und bei diversen Stopps die alten und mächtigen Kolonialbauten und die endlosen Ländereien mit den Baumwollplantagen besichtigen. Es hat sich gelohnt. Eindrücke und Gerüche und vor allem die hier lebenden Schwarzen weckten Erinnerungen und machten gleichzeitig traurig. Was sich hier wohl alles abgespielt haben mag vor gar nicht allzu langer Zeit. Bewegend und tief beeindruckend.
Am späten Abend nach der Rückkehr von diesem Ausflug in die Vergangenheit konnten wir natürlich nicht gleich ins Hotel zum Schlafen. Jeder wollte wieder in die Borbonstreet. Jetzt war hier erst richtig die Hölle los. Wir besuchten schätzungsweise acht bis zehn Lokale und in jedem war eine Topatmosphäre. Musiker kamen und gingen mit ihren Instrumenten unterm Arm und es wurde ununterbrochen Jazz jeder Richtung gespielt und vor allem improvisiert. Leidenschaftlich und heiß. Seitdem weiß ich erst so richtig, was eine Session ist oder wie so was überhaupt läuft. Das muss man wirklich mal live erlebt haben.
Nach weiteren „Besichtigungstagen“ flogen wir nach nunmehr drei Wochen via Atlanta zurück nach Deutschland, genauer zunächst nach Frankfurt und dann weiter nach München.
De Haberer san wieda da – Oberbayern is wieda gricht – Miaschboch ist wieda Miaschboch.
„Beer and thank you „