Eisenach und die Kraft der Sprache

Wer wollte „meine liebe Stadt“ vergessen? Luthers Eisenach. Auf unserer „1. Pressesternfahrt Mitteldeutschland – das Herz der Reformation“ durfte sie nicht fehlen. Und das nicht nur wegen der Wartburg, dieser deutschesten aller deutschen Vesten und Geburtsstätte der deutschen Bibel, eine Burg, die über der Stadt schwebt, nicht immer sichtbar, aber immer anwesend. Petra Heym, Gästeführerin dieser westthüringischen Stadt lenkte unseren Blick indes nicht in die Höhe, dort wo irgendwo auch das Burschenschaftsdenkmal zu verorten ist, sondern auf das, was Zum Greifen nahe vor uns stand, das Lutherhaus.Bild oben: Starke Worte

Das Lutherhaus in Eisenach
Das Lutherhaus in Eisenach
Wort-Größen unter sich
Wort-Größen unter sich

Luther 2017, das ist auch ein thematisches und geographisches Schaulaufen. Jeder, der mit dem Reformator in Berührung gekommen ist, will nun etwas davon abbekommen, von Aufmerksamkeit, Investitionen und Besucherströmen, gerade wenn man – wie viele Gegenden in der Mitte Deutschlands – normalerweise nicht übermäßig davon abbekommt.
„Von 1498 bis 1501 besucht Martin Luther die Eisenacher Lateinschule, um sich auf die Universität in Erfurt vorzubereiten“, erläutert Petra Heym, „und ist Gast der Patrizierfamilie Cotta.“ Ihr Anwesen ist eines der ältesten und schönsten Fachwerkhäuser Thüringens, heute das Lutherhaus, fein zum 500. Reformations-Jubiläum herausgeputzt und Standort der Ausstellung „Luther und die Bibel“. Hier erfahren Besucher, warum, wie und mit wem Luther die Bibel übersetzte und welche Wirkung sein Werk auf Sprache, Literatur und Musik Europas hatte.
Die Ausstellung beginnt im Erdgeschoss und zeigt, wie Luthers Welt um 1500 aussah, in welche Frömmigkeit und Glaubenspraktiken er geworfen wurde. Seine Schulzeit in Eisenach wird ebenso thematisiert wie sein Weg zum Mönch und die Entwicklung seiner reformatorischen Überlegungen.
Im Zwischengeschoss wird die Bibelübersetzung gezeigt. Hier werden die Schwierigkeiten des Übersetzens thematisiert. Die sprachliche Vielfalt des „Deutschen“ wird vermittelt, auch Luthers eigene Äußerungen zum „Dolmetschen“ werden aufgegriffen. Gleichzeitig wird gezeigt, welche Rolle die Experten spielten, mit denen Luther zusammenarbeitete.
Die Dauerausstellung präsentiert dabei viele (kunst-)historische Schätze wie z.B. mehrere Gemälde aus der Cranach-Schule, Prunkstücke aus dem Römhilder Textilschatz oder das Kirchenbuch mit dem Taufeintrag von Johann Sebastian Bach. Dazu kommen zahlreiche weitere Exponate und moderne Medienstationen, die dem Museumsbesucher einen intensiven Zugang zum Ausstellungsthema ermöglichen. Zudem sind im Zwischengeschoss auch die historischen Lutherstuben aus dem Jahr 1356 zu besichtigen. Lediglich die Ausstellung „Ketzer, Spalter, Glaubenslehrer – Luther aus katholischer Sicht“ bleibt gefangen in technischem Schnickschnack, Mutlosigkeit und überzeugt nicht.
Über seinen Tod im Jahre 1546 hinaus prägt Luthers Bibelübersetzung die deutsche Sprache, Literatur und Musik bis heute, was im Obergeschoss anhand vieler Einzelbeispiele nachvollzogen werden kann. Von großer Bedeutung für die Verbreitung war die Gründung der Cansteinischen Bibelanstalt und die Entwicklung des Stehendes Satzes, denn erst durch diese technischen Neuerungen wurde die Bibel zum Massenprodukt, das in der ganzen Welt verbreitet werden konnte.
In der Dauerausstellung wird auch gezeigt, wie im Dritten Reich Luthers judenfeindliche Äußerungen aufgegriffen und für die NS-Propaganda nutzbar gemacht wurden. Das 1939 auf der Wartburg gegründete „Institut zur Erforschung (und Beseitigung) des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben“ („Entjudungsinstitut“) machte es sich zur Aufgabe, eine Neuausgabe der Evangelien des Neuen Testaments zu verfassen. Zum Glück war ihm nur eine kurze Lebensdauer beschieden.
Bis zum Zweiten Weltkrieg hatte das Lutherhaus alle Kriege und Stadtbrände weitgehend unbeschadet überstanden. Am 23. November 1944 detonierte jedoch eine amerikanische Luftmine über dem Lutherplatz und beschädigte die Nordfassade des Gebäudes erheblich. Der südliche Teil, in dem sich die Lutherstuben und die Fachwerkhalle befinden, blieb indes intakt. Nach Kriegsende wurde das Haus wieder instandgesetzt. Der „Lutherkeller“ diente noch bis 1953 als Restaurant weiter.
Wuselig geht es heute hier im modernen Lutherhaus zu, interessiert werden die Führungen angenommen, und natürlich brummt der Absatz mit allem, was sich nur mit dem Reformator in Verbindung bringen lässt. Tassen, Bücher, Schokolade, Figuren.
Statt Shopping verwenden wir die Zeit, um zusätzlich den Innenhof mit Werkstatt und Laubengang zu besichtigen. Hier ist es deutlich ruhiger.
„Luthers Spuren“, erklärt Petra Heym, „gibt es überall in Eisenach. Lutherhaus, Martin-Luther-Gymnasium, Luther-Denkmal, Georgenkirche.“ Hier predigt er 1521 auf der Hin- und auf der Rückreise vom Wormser Reichstag. Sein Schutzherr, Friedrich der Weise, Kurfürst von Sachsen lässt ihn dann zum Schein gefangen nehmen, und so verbringt Luther die folgenden zehn Monate bis zum 1. März 1522 als “Junker Jörg” auf der Wartburg. Hier übersetzt er das Neue Testament aus einer griechischen Fassung in nur elf Wochen in die deutsche Sprache.
Er war allerdings nicht der erste, der sich am Fundament des Christentums versuchte, erfahren wir später auf der Wartburg von Kurator Marc Höchner. Es gebe „einige Vorläufer“, aber keine war so sprachstiftend und „sprachmächtig“ wie die Luthers. Ob wir nun einander aufs Maul schauen, der Hochmut vor dem Fall kommt, es ist alles Luther. Denn der hatte eines begriffen: „Die Sprache ist die Scheide, in der das Messer des Geistes steckt.“
Verweilen wir noch einen Moment unten in der „lieben“ Stadt: Als Luther 1529 zum Marburger Religionsgespräch reist, macht er in Eisenach Station. Und im Jahre 1540 ist er drei Wochen Gast des Superintendenten Justus Menius in dessen Haus am Pfarrberg. Und zwei weitere Hinweise: Möhra, der Stammort der Lutherfamilie mit Lutherkirche und Lutherdenkmal, liegt in der Nähe und der Luthergrund zwischen Steinbach und Bad Liebenstein auch.
Eilig gehen wir aus der Georgenkirche los, durchstreifen die Südstadt, weil wir, wenn wir schon mal da sind, das Fritz-Reuter-Haus besuchen müssen. Eigentlich hätten wir auch Johann Sebastian Bach unsere Aufwartung machen müssen, aber so richtig verzetteln wollten wir uns nicht. Nach unserer Visite in der römischen Villa unseres Mundartexzentrikers laufen wir durch die Teufelsschlucht, bis wir schließlich an der Stätte des Exils des in Worms für „vogelfrei“ erklärten Junker Jörgs , der Bibelübersetzung und des Tintenfasswurfes sind.
Hier empfängt uns nun Marc Höchner, um uns durch die Ausstellung „Luther und die Deutschen“ zu führen, die ein Teil der großen nationalen Ausstellung zum Jubiläum „500 Jahre Reformation“ ist. Auf einer Gesamtfläche von mehr als 1200 Quadratmetern im Innenraum und auf den Außenflächen der Wartburg werden rund 300 Exponate präsentiert.
Die beiden anderen Teile sind in Berlin und Wittenberg zu sehen. Kurator Höchner versucht, das Luther-Bild als „ein Abbild unserer gegenwärtigen Gesellschaft” zu zeigen, „einerseits werde Luther als Freiheitsbegründer gesehen, andererseits sei die Reformation aufs Engste mit der Staatswerdung Deutschlands verbunden.“ Dabei werden sämtliche Räume, die üblicherweise in der Veste zu besichtigen sind, in die Ausstellung integriert. Als Luther Anfang März 1522 nach Wittenberg zurückkehrte, weil dort Unruhen ausgebrochen waren, hatte er bereits das fertige Übersetzungsmanuskript des Neuen Testamentes im Gepäck. Zusammen mit Philipp Melanchthon, der in Wittenberg Professor für Griechisch und gleichzeitig ein Vertrauter Luthers war, unterzog er es einer gründlichen Revision, bevor er es im Sommer bei Melchior Lotter d.J. in den Druck gab. Am 20. September 1522 erschien dann die erste Auflage des sog. Septembertestaments. Unterdessen hatte sich Luther bereits der Übersetzung des Alten Testaments zugewandt. Es dauerte jedoch noch bis zum Jahr 1534, bis Luther in Zusammenarbeit mit zahlreichen Experten eine vollständige Bibelübersetzung vorlegen konnte. Die Macht einer deutschsprachigen Bibel auf die Gläubigen war nicht mehr zu stoppen, und dies begann in Eisenach.

Informationen:
www.lutherhaus-eisenach.de
www.wartburg.de
www.luther-inthueringen.com
www.thueringenentdecken.de
www.lutherland-thueringen.de
www.luther2017.de

Prospektmaterial sowie den Wanderführer „Auf Luthers Spuren“, gibt es kostenfrei bei der Tourist Information Thüringen unter der 0361/ 37420 oder unter service@thueringen-tourismus.de.
Die Tourist Information Thüringen, Willy-Brandt-Platz 1, 99084 Erfurt, Tel. 0361-37420, Fax. 0361-3742388, Email. service@thueringen-tourismus.de, hält zudem Übernachtungsangebote und Reisearrangements bereit.

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Hans-Herbert Holzamer

Autor Kurzvorstellung:

Freier Journalist und Autor

Hinweis: Dieser Beitrag wird regelmäßig von Mitgliedern der Reise-Stories Redaktion wie Heiner Sieger, Gerhard Fuhrmann und Jupp Suttner auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft. Falls Sie Anmerkungen zu diesem Beitrag haben, kontaktieren Sie bitte direkt hier die Redaktion.

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