Die Apulienreise, ein Tagebuch (7) In allen die eine Geschichte

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Wenn man den östlichen Punkt Italiens sucht, mag man bei Tarvis, bei Gorizia oder bei Triest, jedenfalls irgendwo an der Grenze zu Slowenien suchen, und man liegt immer falsch. Der östlichste Punkt des italienischen Festlandes ist die Punta Palascìa bei Otranto, den ein Leuchtturm markiert. Er ist nur noch 80 km von der albanischen Küste entfernt, deren Wälder, die zum Glück nicht brennen, von höheren Gebäuden aus zu sehen sind. Hier trennt sich das adriatische von dem ionischen Meer. Wir wollten an diesem Tag einen südlichsten Punkt erreichen, nicht den Festlanditaliens, der liegt in Kalabrien, sondern den des Absatzes. Wir suchten und fanden ihn in Santa Maria di Leuca. Genau genommen fanden wir zwei, die Punta Pistola und die Punta Meliso. Einige Kap-Besucher kletterten natürlich über die Felsen, bis es nicht weiter gen Süden ging, was nicht ganz ungefährlich war. Mir langte der Blick über die unendliche Weite des Meeres. Wenn ich geradeaus schwömme, käme ich wohl in Libyen raus, kein wirkliches Angebot. Es gibt an der pazifischen Küste der USA ein Standbild, das einen Indianer mit gesenktem Kopf auf einem Pferde zeigt, der erkennt, dass er von dem weißen Mann nicht weiter gen Westen fliehen kann. Finis terrae, Ende des Landes. In dieser Absolutheit liegt wohl der Reiz des Blickes an Endpunkten über das Meer. In der Nähe der Punta Meliso liegt das Santuario di Santa Maria de Finibus Terrae, eine unscheinbare Kirche mit einem großen Platz für die Pilger, die der Reiz der Endlichkeit anzieht. Dass Pilger und Touristen auch der Devotionalien und der Mitbringsel für die Daheimgebliebenen bedürfen, diesem Umstand haben sich die zahlreichen Buden hinter den Parkplätzen angenommen.

Uns zog es dann weiter nach Otranto. Denn hier kann man wie in einem Brennglas die apulische Geschichte lesen und vielleicht auch einen Zugang zum Wesen seiner Menschen gewinnen. Denn es zeigt den Rücken nach Italien, der Blick aber geht gen Osten, über die 82 Kilometer Breite Meerenge, die schon Petrus auf dem Weg von Palästina nach Rom an dieser Stelle überquerte. Die byzantinische Kirche San Pietro erinnert seit dem fünften Jahrhundert an ihn. In der Bronzezeit war es mykenisch, und wenn man die Funde in Roca Vecchia richtig liest, kam die mykenische Kultur mit den Messapiern von Apulien nach Griechenland. Dann war es Teil der Magna Graeca, dann des Römischen Reiches, dann von Byzanz. 1070 kamen die Normannen, denen die Stadt das spätere Kastell der Aragonesen und die Kathedrale Santa Annunziata verdankt. Es folgten Ferdinand I. von Aragón, und die Türken, die 1480 Otranto als erste Stadt auf italienischem Boden eroberten, die andere Seite der Adria war bereits osmanisch. 800 Christen wurden enthauptet, nachdem sie sich geweigert hatten, zum Islam überzutreten. Zu ihnen gehörte auch Erzbischof Stefano Pendinelli. Doch ein Jahr drauf, gewann Alfons II., Ferdinands Sohn, die Stadt zurück.

Die Spuren und Zeugnisse all dessen kann man in der kleinen Stadt, die keine 10.000 Einwohner hat, erlaufen. Man kann sich allerdings auch, vor allem wenn es sommerlich heiß ist, ins Fuori Orario setzen und bei Meeresfrüchtesalat und einem Calice Teresa manara, einem frischen Weißwein, die Details in den Reiseführern nachlesen. Das taten wir. An diesem Tag wollte ich auch an die Stationen einer Pressereise anknüpfen, auf der uns Carmen Mancarella, die zudem die Zeitschrift Spiagge herausgibt, Apulien zeigte und erklärte. Ich war mir sicher, dass Melendugno unter den besuchten Orten war. Dort wollte ich hin, obwohl ein Einheimischer mir sagte, da gäbe es nichts zu sehen. Er hatte Recht, und ich war total verunsichert. Wieder bestätigte sich, dass Apulien so vielseitig ist, dass es schwierig ist, sich zu orientieren. Wir fuhren weiter in unser Quartier in Torre del Orso, in die Casa Vacanza Fiorella. Es lag zwar nicht am Meer, war aber ein sehr gepflegtes Agroturismo mit freundlichen Wirten und hervorragenden Tomaten. Dort überprüfte ich, in welchen Orten ich bei der Pressereise gewesen bin, es war vor allem Carpignano, 14 Kilometer von Torre del Orso und 11 von Melendugno entfernt. Wie war das möglich? Städte, die jede für sich so reich an Zeugnissen der apulischen Geschichte sind, dass jede taugt, die gesamte zu erzählen, und die dann doch so unterschiedlich sind, dass es Mühe macht, den Kontext herzustellen?

Der südlichste Punkt oder der östlichste Punkt? Santa Maria di Leuca.
Otranto.
Santa Maria di Leuca, eine Bucht weiter, der Blick aufs unendliche Meer bleibt.

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Hans-Herbert Holzamer

Autor Kurzvorstellung:

Freier Journalist und Autor

Hinweis: Dieser Beitrag wird regelmäßig von Mitgliedern der Reise-Stories Redaktion wie Heiner Sieger, Gerhard Fuhrmann und Jupp Suttner auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft. Falls Sie Anmerkungen zu diesem Beitrag haben, kontaktieren Sie bitte direkt hier die Redaktion.

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