Ein Fest am Ende des roten Fadens


Safran, das rote Gold der Mancha

von Udo Haafke (Text und Bilder)

Stolz, aufrecht und in geradezu aufreizend erhabener Anmut überragen zwölf Windmühlen aus dem 16. Jahrhundert auf der Hügelkette oberhalb des Städtchens Consuegra die Mancha, die traditionsreiche kastilische Hochebene südlich der spanischen Kapitale Madrid und der Welterbestadt Toledo. Ihr Anblick, speziell in den Stunden der Dämmerung, fließt übergangslos hinein in eine schon fast kitschige Romantik. Der vom Poeten Cervantes erdachte, mithin tragische Held Don Quixote war diesem einst erlegen. Trotz verhaltenen Widerspruchs seines treu ergebenen Dieners Sancho Pansa nahm er den ungleichen Kampf gegen die vermeintlichen Ritter auf, um der geliebten Dulcinea seinen Mut zu beweisen. Allerdings nehmen auch andere Orte in der Mancha diese Geschichte für sich in Anspruch, doch die Mühlenreihe unmittelbar neben der alten Festung von Consuegra erscheint irgendwie am Plausibelsten.

Sie bildet auch die malerische Kulisse des alljährlich am letzten Wochenende im Oktober ausgerichteten folkloristischen Festes »Rosa del Azafrán«. Diese höchst lebendige Veranstaltung in der 10.000 Einwohner-Gemeinde huldigt dem roten Gold der Mancha, dem Safran, dem kulinarischen Sahnehäubchen weltweiter Haute Cuisine. Doch die Ära der endlosen blauvioletten Krokusfelder, die gegen Ende des Oktobers bis zum Horizont reichen, scheint auch in der einstigen Hochburg vorbei zu sein, Die Pflanzen, die als aparter Träger des Safrans noch vor gar nicht allzu langer Zeit gut der Hälfte der Bevölkerung Consuegras, dem Zentrum der spanischen Safranproduktion, das wirtschaftliche Überleben sicherten, fristen mittlerweile nur noch ein Nischendasein im Konzert der großen vier Agrarprodukte der Region. Getreide, Wein und Oliven haben ihm nachhaltig den Rang abgelaufen. Schließlich trägt der Klimawandel dazu bei, dass die Pflanzen nicht mehr in gewohnter Weise, meist zu spät und nicht in voller Pracht, sprießen können.

Das teuerste Gewürz der Welt, das in Form zweier Fäden ausgesprochen mühselig mit den Fingern aus den farbenprächtigen Krokusblüten gezupft wird, spielt trotz seiner herausragenden Qualität keine wirklich große ökonomische Rolle mehr. Es bedarf unglaublich großer Mengen an Blüten, um eine lächerlich kleine Menge an Ertrag zu erzielen. 200 Stück ergeben gerade einmal ein Gramm, 180 bis 250 Tausend sind von Nöten für ein einziges Kilo. Diese Exklusivität verbunden mit einer großen Nachfrage aus der gehobenen Gastronomie hat natürlich ihren Preis. „Es ist keine 50 Jahre her, da konnte man für 1,5 Kilo Safran ein Auto kaufen. Das Gewürz ersetzte vielen die bare Münze,“ erzählt Pablo auf seinem kleinen Acker und demonstriert so behände es sein betagtes Alter zulässt und in entsprechend gebückter Haltung die nicht minder mühevolle Ernte der filigranen Blüten. Sie stehen in Reihen auf der rostbraunen Krume, öffnen ihre Blüten, wenn der Morgentau sich in diesen Tagen in der Mitte des Herbstes verflüchtigt hat, um bald nach dieser Stippvisite zu verschwinden und erst im Folgejahr wieder aufzutauchen.

Eine strenge Einhaltung der Fruchtfolge ist notwendig, denn spätestens nach drei Jahren hat der Boden alle Kraft verloren, müssen die Wurzelknollen der Krokusse umgesetzt werden. „Nur noch 14 Familien beschäftigen sich in Consuegra mit dem Safran. Leben können sie davon nicht. Es ist alles zu aufwendig und zeitintensiv, erfordert sehr viel Aufmerksamkeit, denn wenn die Blüten einmal aufgegangen sind, muss schnell gehandelt werden.“ Dann ist die ganze Familie, sind Freunde und Nachbarn gefordert, um den Schatz zu sichern. Und der Nachwuchs bleibt wegen der schwindenden Lukrativität und der mühsamen Handarbeit auch aus. Die Kinder wandern ab in die Städte, suchen dort nach ihrem Glück und kehren zumeist nicht wieder zurück. Billige Importe aus Vorderasien, qualitativ lange nicht so hochwertig wie der Safran aus der Mancha, beeinträchtigen überdies den Absatzmarkt.

Doch beim »Rosa del Azafrán« sind diese allgemeinen Sorgenfalten für einige Tage geglättet. Dann dreht sich alles um das edle Gewürz, das den verschiedenen, oft rustikalen Gerichten der Region den letzten Pfiff zu verleihen vermag, markantes Aroma und intensive Farbigkeit. Der baumbestandene Plaza San Juan links und rechts des Bettes des Rio Amarguillo gleicht zu Beginn des Volksfestes einer riesigen, offenen Feldküche mit angeschlossenem Jahrmarkt. Auf improvisierten Feuerstellen köcheln diverse Eintöpfe vor sich hin, aromatische Gerüche wabern durch die rauchgeschwängerte Luft, mischen sich mit dem Knistern brennender Holzscheite. Darum herum herrscht betriebsames Stimmengewirr, dringt dröhnend Musik aus knarrenden Radiogeräten, stimmen sich Chöre mit oder ohne typische Tracht auf ihren Auftritt ein, klappert, vom Rhythmus befreit, Geschirr und Besteck. An teilweise überdachten Verkaufsständen bieten regionale Produzenten ihre kunsthandwerklichen Erzeugnisse und ihre Köstlichkeiten feil, den typischen Manchego-Käse, Fleisch- und Wurstwaren, aber auch Eingelegtes, Spirituosen, Backwaren oder Honig. Und überall spielt auch der Safran seine eigene Rolle.

Am historischen Plaza España im Herzen Consuegras findet schließlich die Hauptveranstaltung des im Jahr 1963 erstmals ausgerichteten Safranfestes statt. Auf der Bühne, auf der später die aus der Region zusammengekommenen Trachtengruppen ihre spektakulären Tanzvorführungen darbieten, werden zunächst die besten Safranzupfer ermittelt. In Vorausscheidungen ermittelt sitzen, beobachtet von einem erwartungsvollen, vielköpfigen Publikum, zunächst sechs Kinder, Mädchen und Jungen, an einem langen Tisch nebeneinander. Obwohl die große Anspannung in ihren Gesichtern abzulesen ist, zupfen sie in atemberaubender Geschwindigkeit die wertvollen roten Fäden aus den zarten Blüten. Nach eingehender Kontrolle durch eine ernsthaft agierende Jury steht die glücklich strahlende Siegerin fest. Danach sind die Erwachsenen an der Reihe, die sich an der filigranen, viel Feingefühl voraussetzenden Aufgabe zu messen haben. Dulcinea, die vor dem Fest proklamierte Schirmherrin, übernimmt mit ihrem Gefolge unter dem frenetischen Beifall der Zuschauer die Ehrung der Sieger.

Information:
Spanisches Fremdenverkehrsamt, www.spain.info/de
Kastillien/La Mancha, www.turismocastillalamancha.es

Termin:
Das nächste Safran-Fest Rosa del Azafrán in Consuegra findet statt vom 27. bis 29. Oktober 2023.

Anreise:
Iberia verbindet die spanische Hauptstadt Madrid mit den meisten deutschen Flughäfen, www.iberia.com. Die Weiterfahrt nach Consuegra erfolgt mit dem Mietwagen oder dem Bus und dauert in der Regel 1,5 bis 2 Stunden.

Unterkunft:
Eine einfache Unterkunft mit freundlichem Service im Norden des Stadtzentrums ist das Hotel Consuegra, www.hotelconsuegra.com

Essen und Trinken:
An kulinarischen Möglichkeiten bietet Consuegra eine erstaunliche Palette an Angeboten, die mehrheitlich die oft reichhaltigen Variationen der regionalen Küche offerieren. So das Restaurante El Alfar de Consuegra, www.elalfardeconsuegra.com, oder Restaurante Villa Cervantina, www.consuegra.es/es/saborea/donde-comer/restaurante-villa-cervantina. Während des Safran-Festivals lohnt der Besuch der offenen Küchen mit spannenden Speisen oder der Biergarten Triky Tapas Blue auf dem Plaza San Juan, www.trikytapas.com

Aktivitäten:
Ein unbedingtes Muss ist natürlich der Besuch der zwölf erhaltenen Windmühlen, die man nach einer leichten Wanderung bergauf erreicht. Es fahren aber auch Shuttle-Busse aus dem Stadtzentrum Consuegras. Von oben lässt sich die tolle Aussicht über die Hochebene la Mancha genießen. In der Monio Rucio befindet sich ein kleiner Souvenirladen, in dem man gegen Obolus auch nach oben gehen kann. Dies ist kostenlos in der Molina Alcancia möglich, in der es kleine kunsthandwerkliche Gegenstände sowie lokale kulinarische Produkte zu kaufen gibt. Die Festung Castillo de Consuegra (Castillo de la Muela) aus dem 10. Jahrhundert liegt mitten zwischen den Mühlen, wurde um 1813 stark zerstört und in Teilen erst 1985 wieder rekonstruiert.
www.consuegra.es/en/schedule/guided-visits

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Udo Haafke

Autor Kurzvorstellung:

freiberuflicher Foto-Designer und Bildjournalist, Autor diverser Bildbände, Kalender und Reiseführer, Ausstellungen im In-und Ausland, freie Mitarbeit bei verschiedenen Tageszeitungen im Bundesgebiet.

Hinweis: Dieser Beitrag wird regelmäßig von Mitgliedern der Reise-Stories Redaktion wie Heiner Sieger, Gerhard Fuhrmann und Jupp Suttner auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft. Falls Sie Anmerkungen zu diesem Beitrag haben, kontaktieren Sie bitte direkt hier die Redaktion.

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