Immer wenn Brenninger auf dem Golfplatz München Valley die Klänge eines Dudelsacks hörte, musste er an Merry Christmas denken. Mitten im Sommer. Die Dudelsack-Klänge ertönten stets an Sonntagnachmittagen, wenn ein besonders wichtiges Turnier statt gefunden hatte und alle Golfer(innen) bereits heim gekehrt waren und auf der Clubterrasse an ihren Drinks schlürften. Brenninger ging dann meist noch ganz für sich alleine ein paar weitere Löcher – und hörte dabei aus der Ferne jenen vom Club extra engagierten schottischen Dudelsack-Spieler, der ebenso einsam seine Bahnen zog. Die Töne – sentimental, anrührend, klagend und dennoch selbstbewusst – drangen Brenninger jedes Mal wieder ins Gemüt. Wegen Merry Christmas.
Dies ist jener deutsch-französische 2005er-Film mit Benno Fürmann und Daniel Brühl, der eine wahre Begebenheit vom 24. Dezember 1914 erzählt. Eine Geschichte aus dem 1. Weltkrieg, als sich im belgischen Flandern Schotten/Franzosen auf der einen und die Deutschen auf der anderen Seite gegenüber lagen. In den Tagen zuvor hatten erbitterte Kämpfe statt gefunden und der Streifen offenbart, wie brutal es damals zuging: mit Bajonettstich-Tötungen Mann gegen Mann etwa.
Am Weihnachtstag nun hatten alle drei Parteien sich wieder in ihren Schützengräben verkrochen. Als einer der Schotten plötzlich begann, einen Dudelsack zu blasen. Als Antwort sang ein Deutscher ein Weihnachtslied. Irgendwann spielten und sangen sie gemeinsam, die erbitterten Gegner. Die Anführer der drei Nationen trafen sich in der Mitte ihrer Front und beschlossen, für diesen Tag das Kämpfen gut sein zu lassen.
Die Soldaten entstiegen ihren Gräben und unterhielten sich, zeigten Fotos ihrer Familien, tauschten Zigaretten aus – und spielten sogar Fußball gegeneinander. Dass der Film ein Film ist, offenbart sich daran, dass die Deutschen das Match gewinnen und einer der Schotten nach Hause schreibt, dass man nur deshalb gegen die Krauts verloren habe, weil bei denen drei Spieler eines Klubs namens Bayern dabei waren. Das wird in Wirklichkeit wohl nicht so gewesen sein, dass der FCB im Jahre 1914 eine derart wichtige internationale Rolle spielte. Aber dass tatsächlich an diesem Tag gekickt wurde, ist erwiesen.
Der Film offenbart nur einen winzigen Ausschnitt – die Situation von vielleicht 300 Menschen. Insgesamt jedoch, in Wahrheit, beteiligten sich zirka 100 000 Soldaten an diesem Waffenstillstand an der Westfront. Am 27. Dezember endete er und hatten die Männer, die eben noch so gut Freund waren, sich wieder gegenseitig um zu bringen.
Am morgigen 24. Dezember nun werden es genau 100 Jahre sein, dass diese Geschichte sich abgespielt hat. Ausgelöst von einem schottischen Dudelsackspieler. Die Macht der Musik. Und so wird Brenninger morgen einige Löcher auf dem Golfplatz Valley spielen. Und wird er dabei garantiert Dudelsack-Klänge hören. Im Geiste. Und wird vielleicht irgendein Weihnachtslied zurück singen. Natürlich auch nur im Geiste. Denn wenn Brenninger – der im Schulfach Musik stets die Note 4 abonniert gehabt hatte – tatsächlich 1914 gesungen hätte, hätte es höchstens Hohngelächter aus dem gegnerischen Schützengraben geben. Und wäre es niemals zu einem Waffenstillstand gekommen.
Dann wird Brenninger abschlagen – doch an diesem Tag nur mit einem hohen Eisen. Und nicht wie sonst mit der gewaltigen Big Bertha. Nicht mit jenem Driver, der in folge einer marketingtechnischen Geschmacksverirrung nach einer deutschen Kanone aus dem 1. Weltkrieg, der dicken Berta, benannt ist. Nein, an jenem 100jährigen Christtag mag auch Atheist Brenninger keinen Schläger dieses Namens schwingen.
Dennoch wird sein Golfball fliegen und fliegen und fliegen! Und Brenninger wird sich denken, was für ein Glück er doch hatte im Leben. Mit dem Datum des Eintritts in dasselbe. Die berühmte Gnade der späten Geburt. Dann wird er mit dem zweiten Schlag das Grün an greifen. Und dabei nur eines hoffen. Ja nicht im Bunker zu landen. Nicht an diesem Tag.
Der Brenninger ist ein typischer Freizeitsportler – und oftmals auf Reisen. Was er unterwegs und zu Hause erlebt, lesen Sie jeden Dienstag hier.
* Niedergeschrieben von Jupp Suttner.