Im Herbst gab der Brenninger immer gerne den Gentleman. „Heute laufe ich“, verkündete er seiner Frau, „mit Dir!“. Weil es ihm doch ein wenig gruselig erschien, sie ganz alleine im Nebel im Park unterwegs zu wissen. Im Sommer, bei Sonnenschein, bereitete er sich keine solchen Gedanken. Aber jetzt, wenn er über Hitchcock und so weiter sinnierte…
Als sie noch nicht verheiratet, sondern noch verliebt waren, joggten sie automatisch immer gemeinsam. Gelegentlich sogar Hand in Hand, wenn die gegenseitige Zugetanheit gar nicht mehr zu bremsen war und wie eine Welle über sie fiel.
Später, nach den Kindern, als sich alles auf die menschenübliche Art normalisiert hatte, waren die gemeinsamen Runs immer seltener geworden. Denn Frau Brenninger wollte sich dabei vergnügen – er jedoch Leistung erbringen. Das Tempo der beiden passte nicht mehr zusammen. Manchmal wünschte er ihr Inline-Skates an die Beine, damit sie ein wenig flotter unterwegs wäre.
Doch im Herbst, wenn die uralten Londoner Nebel-Krimis durch sein Hirnkastl waberten, da blieb ihm wegen seines Gewissens einfach nichts anderes übrig. Natürlich trug er seine Verkündung, heute mit ihr zu laufen, in einer Stimmlage vor, die scheinbar Freude signalisierte. Doch ein winziger Unterton ließ erkennen, dass es schon ein bisschen ein Opfer war. Und dass er irgendwann eine Belohnung dafür erwartete.
„Ich bin doch viel zu langsam für Dich – lauf’ lieber alleine!“, baute Frau Brenninger ihm stets eine Brücke. (Die freilich, wäre er über sie hinweg geschritten, zu einer handfesten Krise geführt hätte.) Doch der Brenninger meinte immer nur: „Ach was. Einmal in der Woche braucht man so einen langsamen Lauf – für die Regeneration!“. Dies bildete stets den heuchelnden Gipfel seiner Gentlemanie.
Dann liefen sie los. Und als aus dem Gebüsch rechterhand plötzlich ein undefinierbares, dunkles Tier hervor- und an den beiden vorbei schoss, gellte ein entsetzlicher Schrei des Erschreckens durch die Nacht: „Aaaaaaaah!“. Der Brenninger. Knapp am Herzschlag vorbei. Er musste stehen bleiben. Seine Frau nahm ihn am Arm. „Kimm – i bring di hoam.“
Wo sie sich dann Piccadilly Null Uhr Zwölf mit Klaus Kinski einlegten und den schönsten Fernseh-Grusel-Kuschel-Couch-Abend seit langem verbrachten.
Aber so wie vor der Ehe war es dennoch nicht.
Der Brenninger ist ein typischer Freizeitsportler – und oftmals auf Reisen. Was er unterwegs und zu Hause erlebt, lesen Sie jeden Dienstag hier.
* Niedergeschrieben von Jupp Suttner.