Glamping in Porec, Istrien
Paul sitzt auf der Terrasse seines Zeltes, blickt über das überraschend stille Meer, welches sich nicht allzu tief unter ihm ausbreitet. Ein Moment der Ruhe, was in der Umgebung von an die 11.000 Menschen, die in der Mega-Anlage Porec Lanterna ihren (Camping)Platz finden, durchaus als Seltenheit zu bezeichnen ist. Aber die 14 Zelte, mit dem Stempel „Glamping“ versehen, sind schon an einem speziellen Platz errichtet: Eine Felswand ragt dahinter auf und die nächsten Caravans stehen gut zehn Meter tiefer, direkt am Ufer.
Paul pflegt den Digital Detox gemeinsam mit seiner Frau. Sie nutzen eines der Glampingzelte für sich zu zweit allein. Mit den von Fred Feuerstein inspirierten, doch bequemen Fauteuils auf der Terrasse, einem Griller, Hängematten, je nach Lust und Laune sogar zwei „Schlafzimmern“, Dusche und WC wie im Hotel – und alles unter der romantischen Hülle des sanft im Abendwind bewegten Stoffdaches. In der anbrechenden blauen Stunde lässt der Neo-Camper das Buch sinken und Revue passieren, was ihm einst Zelteln war: Mit den Eltern im vollgepackten Opel-Rekord, der unter Betten, Schlauchboot und dem Zeltinventar ächzte, ging es einige Jahre in den Süden. Gar nicht so weit von Porec, wie er sich vage erinnern konnte, muss es gewesen ein. Aber doch eher an die Ostküste Istriens und die vorgelagerten Inseln. Unvergesslich die Nacht, als der stürmische Nordwind Bora tobte und der väterliche Befehl an die Kinder, sich ans Zelt zu hängen, auf dass es nicht davonfliege mehr Abenteuer als Schrecken verbreitete. Und doch am nächsten Tag der Aufbruch folgte, um andernorts in einer kleinen Pension des Zeltes Wunden zu „lecken“. Sprich zu flicken und es zu trocknen.
Das von Valamar bei Porec aufgestellte und gepflegte Zelt hat mit diesem nichts mehr gemein: In einer Größe, die früher der gesamten Pfadfindergruppe Platz bot und seinem Komfort, der einer Ferienwohnung nur wenig nachsteht. Ein kleines Fischerboot tuckert durch die Bucht, welche die Mündung der Mirna bildet. Ein wenig irritiert der seeartige Charakter, doch dafür ist fehlender Seegang schwimm- und schnorchelfreudig. Wenn’s ums Plantschen und Schnorcheln geht, dann treffen sich die Familienintentionen noch immer erfreulich. So wie beim Frühstück. So taucht die nächste Generation gerade beim Zelt auf, um zu sehen, was das Frühstück so bringe. Maximilian, genannt Maximilian, hatte wie täglich am Weg Semmeln und Milch besorgt, Cathrine, genannt Kathi, schleppte mit ihrem Freund Obst und Säfte an. Denn der Nachwuchs hatte die Zeltromantik verweigert und war ins eigene Mobile Home gebucht. Man sorgte so für die Debatte, was denn mehr Luxus bedeute: Zeltromantik oder Air-Condition-Stabilität. Aber es gibt ohnehin Tendenzen, wo man als ordentlich verdienender Elternteil gerne investiert: Etwa die Pflege der eigenen Zweierbeziehung, gepaart mit dem Erhalt des traditionellen Familienurlaubs. Was nun mal bei einer 17-Jährigen Tochter darin gipfelt, deren Freund mit an Bord zu haben. Und Maximilian verspürte in dieser Konstruktion mit seinen 13 Jahren den Aufwind maritimer Freiheit.
Diese Form des Familienurlaubs hatte am Vorabend zu einem unbeabsichtigtem Abenteuer geführt. Es war bereits Dunkel, als man die Kids in ihrem auf einem Formalrad ruhenden 3-Zimmer-Appartment abholen wollte. Es sind Unmengen dieser Bleiben vorhanden, fast alle von Adria gebaut: Ein Schlafzimmer mit Du/WC links, das gleiche rechts und dazwischen die Wohnküche mit Kühlschrank, Kochmöglichkeit, Sitzgarnitur und Tisch. Nur äußerlich werden sie von den jeweiligen Anbietern variiert, bis hin zu disneyhafter Steinimitation. Doch wie die Bleibe der Kinder wieder finden? Während der geübte Camper stets mit Taschenlampen ausgerüstet ist, erleidet Paul ein Anfängerschicksal. Es blieb also das Abgrasen eines Bereichs mit dem Ziel, das klapprige Auto von Cathrines Freund zu orten, mit dem dieser unbedingt seine Eigenständigkeit unterstreichen wollte. „Wieder einer mehr im slowenisch-kroatischen Grenzstau,“ hatte Paul gemurrt – und war über das zusätzliche Transportangebot doch wieder froh. Denn zu fünft stößt bei einem Campingurlaub auch ein X5 an seine Kapazitätsgrenzen.
Räder ermöglichten abwechselnd Ausflüge nach Porec, das mehr als die abends vor Touristen wuselnde Fußgängerzone zu bieten hat. So ergänzte die Euphrasius-Basilika den Badetag um eine kulturelle Dimension. Wo sonst gibt’s eine Kirche, die ihre Gestalt seit dem 6. Jahrhundert kaum verändert hat und deren herausragende Mosaike teilweise noch etwas älter sind? Schon vorher hatte man einen Stopp am Strand bei der kleinen Anlage Materada eingelegt. Aufgefallen war ihnen das Restaurant direkt am Strand, das nicht nur durch einen Hummer im Glaskasten auf sich aufmerksam machte. Sondern auch durch geradezu hymnische Schilderungen vom Dinner des Vorabends, die einige Gäste zum Besten gaben. Neugierig geworden, inspizierte Paul, wie es sich im Materada so wohnen ließe: Unglaublich die Lage der Mobile Homes mit Meerblick und Whirlpool in der ersten Reihe. Die im Platzangebot ähnlichen, von den Terrassenmöbeln und Überdachung aber etwas ärmlicheren Edelzelte sind einige Meter weiter hinten. Wobei der Hauptunterschied in der Größe der Anlage zu finden war. In zwei Minuten ist jeder beim Meer, in einer Minute bei den blitzsauberen Waschanlagen, falls einem die Einrichtungen direkt im Zelt nicht reichen sollten. Der Strand ist – natürlich öffentlich – aber es gibt dort einen relativ privaten Pool und eigene Liegen und Schirme. Verglichen mit einer anderen Anlage in der näheren Umgebung – ähnlich riesig wie Lanterna, aber mit „Glamping“-Zelten aus Kunststoff ausgestattet, deren einziger Luxus in Holzboden und Terrasse bestand – ist Materada eine völlig andere Kategorie.
Paul wusste, warum er sich vor dem Start ins Camping-Abenteuer ausführlich im Internet umgeschaut hatte. Und auf www.glamping.info fast alle notwendigen Informationen zu den Angeboten glamourösen Campings fand. Aber für die nächste Generation hat sich das Camping-Dorado Laterna aufgrund der zahllosen Sport- und Unterhaltungsmöglichkeiten sicher als die richtige Entscheidung erwiesen. Selbst hätte er nach den Erzählungen der Glamper das persönlichere Ambiente des von der stets präsenten Marija wie ein Familienbetrieb geleiteten Materada vielleicht sogar bevorzugt.
Vielleicht beim nächsten Mal. Paul und seine Frau sind jedenfalls auf den Geschmack gekommen. Man muss sich in der Vorbereitung um wenig kümmern, denn es ist wahrlich so gut wie alles vorhanden. Also außer den Sachen, an die man auch selbst nicht denkt. Oder zumindest glaubt, nicht daran gedacht zu haben. „Schau mal, was ich da in der Lade gefunden habe,“ ruft Maximilian bei der angeordneten Sichtung, ob zur Abfahrt alles – selbst mitgebrachte! – wieder eingepackt wurde, „eine LED-Taschenlampe“. Der wahre Luxus ist eben, immer alles zu wissen.
Fred Fettner
Glamping-Informationen unter
www.valamar.com (Lanterna)
www.vacanceselect.com/de
www.glamping.info (allgemein)