Fit sein – fit-fit-fit! immer weiter-weiter-weiter! Hinaus ins feindliche Leben – jagen-jagen-jagen! Die Beute der Frau vor die Füße legen! Stark sein – immer stark sein! Das ist unser Job. Der Job der Männer. Dafür haben sie uns ins Leben geworfen.
Text: Jupp Suttner
Fotos: Der Autor in Behandlung
Foto Credit & Copyright: Jupp Suttner
Doch bei Eva darf ich schwach sein. Wie ein Baby. Eva ist knapp über 30, ziemlich nett, trägt einen einteiligen Badeanzug – und kümmert sich eine Stunde lang ausschließlich um mich. Im Wasser. Eva macht Water Balancing mit mir. Sie trägt mich durch das Thermalbecken eines bayerischen Wellness-Hotels, sie streichelt mich, massiert mich sanft wie eine Feder, weckt wunderbare – jedoch absolut unerotische – Berührungssehnsüchte in mir, wiegt mich, schaukelt mich und ich: ich lasse mich fallen-fallen-fallen – vielleicht in die Zeit vor meiner Geburt sogar, sagt Eva. Das will ich jetzt zwar nicht gerade beschwören, aber wer weiß schon, wie es damals war.
Wer hätte das gedacht, dass es mit Wellness und mir mal so weit kommen könnte! Denn der Start war alles andere als der Beginn einer wunderbaren Freundschaft: Wellness? Ich? Niemals! Vielleicht wenn ich 90 bin und mich nicht mehr bewegen kann! Bis der Sportarzt mir dringend riet: Nicht immer nur fußballfighten und tennismatchen, sondern zwischendurch auch zu regenerieren. Weil sonst die Leistung – auch bei Freizeitsportlern – bald auf dem Nullpunkt sei.
Als Erstes nach meiner Ankunft hatte ich den Raum „Schön Sein I“ betreten – mit der römischen I geschrieben natürlich, damit es dezent an die antiken Bäder von einst erinnert. Mein Gesicht, tja – auch so ein antikes Ruinenfeld inzwischen. Einfach zu viele Schlachten erlebt, gewonnene mit exzessiven Siegesfeiern, verlorene mit noch exzessiveren Trauer-Orgien, alles kein Wunder, aber… – „Sie erhalten jetzt eine Gesichtsmaske“, sieht mir eine Schöne tief in die Augen, „Enisa wird gleich kommen“. Und schon kommt Enisa – ein wunderbares Wesen, wirklich. Hätte ich mir in Rom als Lieblings-Sklavin gehalten. Sie betrachtet mich mit mildem Lächeln und verstreicht „grünen Lehm mit Rosenwasser“ in meinem Gesicht. Gut, dass ich mich nicht sehe.
Nachdem ich wieder entgrünt und entlehmt bin, ist eine Gesichtsmassage dran. Bei Tanja nun. Ach Tanja, zartes Reh, Deine Hände dabei – Du wärst meine zweite Lieblings-Sklavin! Kein Wunder, dass sich ihr immer mehr Männer dem Genuss hingeben – „35 bis 40 % aller Gesichtsentspannungsmassagen werden bereits von Herren gebucht!“, weiß sie.
Nun ist Hydrojet dran. Was wird das sein? Eine äußerst rustikale Frau nähert sich mir selbstbewussten Schrittes. Ihre Miene ist grimmig, die Brüste wiegen in drohendem Takt, sie knackt die Hände – mein Gott, diese Hände, was werden die Hände DIESER Frau mit mir vollführen? Stehe doch absolut nicht auf SM!
Nun – die Hände machen nichts als auf einen Knopf zu drücken. Dann beginnt ein Wasserbett zu rütteln, auf dem ich mit dem Rücken liege. Das heißt – das Bett rüttelt nicht, sondern steht still. Sondern ein Wasserstrahl verursacht Bewegung, massiert mich von unten – fährt meinen Körper auf und ab und ab und auf. Entweichen unmöglich.
Später dann, im Pool: Aqua-Fitness-Gymnastik mit Laufen, Hüpfen, Boxen, Dehnen. Bestimmt sehr nützlich. Denn Wasser bietet Widerstand – aber keinen harten (wie eine Teerstraße beim Joggen), sondern sehr weichen. Und ist trotzdem mächtig – ich glaube, Mao war es, der in seiner Bibel formulierte, dass es härter als Stein sei. Henri Miller hingegen betrachtete, wie dem Hotelprospekt zu entnehmen ist, Wasser als eine „erotische Arznei, die sich wie keine Geliebte sonst an den Körper schmiegt und ihn heilt“.
Weshalb ich mich nun zu einer kleinen Liebes-Liquid Sound-Session zurück ziehe: in den etwa 100 qm großen Liquid Sound-Pool. In dem man sich – komfortabel in unsinkbare Schaumstoffteile eingehängt – einfach von der Strömung in körperwarmem Salzwasser treiben lässt. Unterwasserklänge ertönen, Unterwasserfilme leuchten an den Seitenwänden und von der Decke, huschen durch das reduzierte Bewusstsein – eine wahrlich mystische Atmosphäre. Ausklinken pur.
Schließlich ist mein Schnupperwochenende zu Ende – kam nur ganz kurz in den Spa-Bereich, in das Tepidarium, das Laconium, den Hamam, die Finnische Sauna und das Frigidarium. Weiß noch nichts über Ayurveda, Ostheopose, Feldenkrais, Cantienica-Beckenbodentraining, Moxibotion, tibetanische Klangwolkenmassagen, Bachblüten, Lavasteine, Körperpeeling, Cellulite-Spezial-Programme, Ägyptos-Vitalwickel, Anti-Aging, Mikrodermabrasion, Rasul aus natürlichen Schlämmen, Nachruhen am offenen Feuer, Lichtwochen und Thelasso-Therapien. Kam nicht mehr zu Qi Gong, Tai Chi, Shiatsu, Feng Shui, Fettabbauwickeln, Nasarov-Therapien, Fibromyalgie-Diagnosen, Meridiangymnasik, Vulkanit-Fango, Fünf-Sinne-Therapien, Bio Feedback-Feeling, Yoga, Reflexzonenmassage, Lebensenergiemessung, Aromamassage, Reiki, Tragering, Rolfing,, Meditation, Süßwasseralgen, farbigen Körperwickeln, Körperpackungen mit Singulett-Sauerstoff – und lernte auch Die fünf Tibeter nicht mehr kennen, wären bestimmt interessant gewesen, die Herren.
Trotz dieses Mankos verlasse ich den Ort so entspannt wie nach einem Bad in einer Welt aus Daunenflaum. Bin ganz weich nun – ganz, ganz weich – und fühle mich prächtig aufgetankt: um spätestens zu Hause wieder mächtig hart zu sein. Um die Jagd der nächsten Woche zu überdenken. Die Flinte zu spannen. Das Kinn zu recken. Und Beute zu machen. Tore zu schießen und Asse zu schlagen. Und sie der Frau zu Füßen zu legen.
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