Vorbericht zum Kunstfest Weimar 2025. Ein Pflichtbesuch

Zum 250. Jubiläum von Goethes Ankunft in Weimar zeigt das Kunstfest Weimar 2025 spektakuläre Faust-Inszenierungen – und vieles mehr. Bestreite niemand die Bedeutung von Jubiläen. Und wenn es um die Grundsteinlegung von Goethes Gartenhaus gegangen wäre. Alle Jahretage sind willkommen. Zeigen sie doch eines, den Mut und die Entschlossenheit, Schönes und kulturell Anspruchsvolles zu errichten, egal aus welchem Anlass. In einer kulturfeindlichen Umgebung zwischen All- und Weltmachtfantasien außen und faschistischem Wabern im Innern gibt es sie noch, die Leuchttürme von Freiheit, Toleranz und Menschlichkeit.

 Goethes Weimarer Meisterwerk, der Faust, steht vom 20. August 2025 bis zum 7. September im Mittelpunkt – in hochkarätigen Inszenierungen zeitgenössisch und kritisch interpretiert.

Auftakt mit FaustX

Den Auftakt markiert die Uraufführung von „FaustX“ am Mittwoch, 20. August, 20.30 Uhr in der Redoute Weimar. Der südafrikanische Regisseur, Dramatiker und Installationskünstler Brett Bailey (Third World Bunfight) bringt eine Adaption von „Faust II“ auf die Bühne: Ein moderner Faust, getrieben von imperialem Expansionsdrang, mischt sich in globale Wirtschaften ein und instrumentalisiert Technologie zur Beherrschung von Natur und Gesellschaft. Das Kunstfest Weimar hat diese internationale Koproduktion gemeinsam mit den Théâtres de la Ville de Luxembourg, dem Centre Dramatique National Amandiers-Nanterre bei Paris und den Kleist-Festtagen Frankfurt/Oder aufgelegt.

Weitere Highlights sind William Kentridges legendäre Inszenierung „Faustus in Africa!“, „Faust II – Game Over“ vom stellwerk junges theater und das traditionelle „Gedächtnis-Buchenwald- Konzert“ am Donnerstag, 21. August, 18 Uhr in der Herderkirche Weimar. Das Grußwort spricht der Zeitzeuge Naftali Fürst, die Gedächtnisrede hält Friedensnobelpreisträgerin Irina Scherbakowa, Schirmherrin des Kunstfestes. Es erklingen Werke von Beethoven und Brahms, im Zentrum steht „Ein deutsches Requiem“, interpretiert von der Capella Cracoviensis.

Tanzfans können sich auf das Wiedersehen mit Gregory Maqoma und seinem Tanzensemble freuen. Als europäische Erstaufführung kommt „Genesis – The Beginning and End of Time“ auf die Bühne. Weiterer Höhepunkt im Kunstfest-Programm ist die europäische Erstaufführung „Moss“, eine Zusammenarbeit mit dem binationalen deutsch-taiwanesischen Choreografie-Duo Peculiar Man Jan Möllmer und Tsai-Wei Tien, beide eng mit dem Tanztheater Pina Bausch verbunden. „Moss“ ist ein poetisches Märchen über das prekäre Leben von Kids in der Großstadt. Martin Kohlstedt, Bauhaus-Uni-Absolvent und „Local Hero“ Weimars ist auch beim Festival 2025 mit dabei – open air auf der Seebühne im Weimarhallenpark. Dee Dee Bridgewater kehrt zwei Jahre nach ihrem sensationellen Konzert mit neuem Programm in die Weimarhalle Weimar zurück.  „WE EXIST!“ heißt ihr neues Programm – Protestsongs wie „Mississippi Goddam“, „Trying Times“, „The Danger Zone“ verbindet sie mit Jazzstandards der Vergangenheit und Gegenwart. Mit Anna Meredith gastiert „eine der innovativsten Stimmen der britischen Musik” (Pitchfork) bei den Kooperationspartnern Kunstfest Weimar und Schallkultur, eine Komponistin und Produzentin jenseits der Genregrenzen. Ihre Musik bewegt sich im Spannungsfeld von zeitgenössischer Klassik, Kunstpop, Elektro und experimentellem Rock. 2019 wurde ihr von der Queen der MBE (Order of the British Empire) für Verdienste um die Musik verliehen. Meredith präsentiert in Weimar mit „FIBS” ihr zweites Studioalbum.

Abschied für Rolf C. Hemke

Mit dem Kunstfest 2025 verabschiedet sich Rolf C. Hemke, der es seit 2018 leitete. Er ist ein würdiger Wanderer in der Pèlerinage gewesen, des Pilgerzugs, mit  dem einst (bis 2013) die künstlerische Leiterin Nike Wagner unterwegs war. Ihre zehnjährige Pèlerinage, in der sie „die Grenzbereiche der Kunst ausloten“ wollte, hatte  Christian Holtzhauer fortgesetzt und dann den Wanderstab an Rolf C. Henke weitergegeben. Die befürchtete orientierungslose Pilgerreise ist nicht wahr geworden, er hat sie in beeindruckender Weise trotz sich verschlechternder äußerer Umstände fortgesetzt. Denn trotz Wiedererstarken des Faschismus in Thüringen ist das Kunstfest nicht bedroht, vielleicht ist es die Präsenz Goethes, vielleicht die warnende Nähe von Buchenwald, vielleicht die Kraft der Stiftung Weimarer Klassik. „Weimars Winkeligkeit ist für Kenner und Liebhaber, nie für die Masse. Weimars Ruhm ist aus der frühbürgerlichen Geistigkeit entstanden, aus der höfischen Intimitätskultur, ist auch später immer differenziert geblieben, vielgestaltig, vielseitig. Marketingtechnisch ist das ungünstig, geistig aber unverzichtbar.” So Nike Wagner. Mit Kunst aufzurütteln ist das Motto Rolf Hemkes, er wollte sich und die Kulturmetropole Weimar mit ihrem Kunstfest dieses Jahr gegen rechts stemmen. Man „polarisiere sehr bewusst“, so der Festivalchef. Und das durchaus plakativ – wie eine Poster-Show an der Bauhaus-Uni zeigt. Motto: „Kunst schafft Demokratie“. Sein Nachfolger wird den demokratischen Pilgerweg weiter gehen.

Weimar ist Heimat

Nach Weimar muss man in diesem Sommer hin, ob mit der Bahn oder dem Auto. Denn Weimar ist Heimat eines jeden Deutschen. Weil Weimar der Mittelpunkt der deutschen Kultur ist. Goethe, Schiller, Liszt, Nietzsche, Herder, Wieland. Weil Weimar Mittelpunkt der deutschen Staatlichkeit ist. Geburtsort der Verfassung, die den Namen der Stadt trägt. Weil Weimar die Janusköpfigkeit des Deutschen zeigt. In der Höhe die Klassik, im Abgrund Buchenwald, am Abhang wieder faschistische Umtriebe. Seiner Heimat muss man gelegentlich einen Besuch abstatten, um den Kontakt zur Wirklichkeit nicht zu verlieren und um Flagge zu zeigen.

Es ist leicht, sich seiner Heimatstadt Weimar zu nähern. Dieses Weimar ist nicht statisch, ist nicht nur die deutsche Klassik. Es ist modern, Avantgarde und widersprüchlich, ist ein Pilgerzug in eine unbekannte Zukunft des Darstellens und des Empfindens. Das ist elementar wichtig, um Heimat zu sein und kein Museum, und für die Kulturschaffenden der Stadt, vor allem die der Klassik-Stiftung, ist es eine gigantische Aufgabe. Daher ist das Kunstfest auch in diesem Jahr der ultimative Grund, nach Weimar zu fahren.

Der Vorverkauf für alle erwähnten Projekte hat begonnen. Tickets und Informationen unter Tel. 03643 755334 und kunstfest-weimar.de.

Foto: Eröffnung des Kunstfestes 2015; Copyright: hhh

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Hans-Herbert Holzamer

Autor Kurzvorstellung:

Freier Journalist und Autor

Hinweis: Dieser Beitrag wird regelmäßig von Mitgliedern der Reise-Stories Redaktion wie Heiner Sieger, Gerhard Fuhrmann und Jupp Suttner auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft. Falls Sie Anmerkungen zu diesem Beitrag haben, kontaktieren Sie bitte direkt hier die Redaktion.

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