Torgau in Sachsen: Luther und die Fürsten – Luther und die Macht

 

Am Rande der sächsischen Stadt Torgau an der Elbe laden Luther und die Fürsten von einem Poster herab ins Kurfürsten-Schloss Hartenfels ein. Es ‚luthert‘ allmählich und schrittweise in Deutschland. Dr. Martin Luther, der große Reformator des 16. Jahrhunderts, heftete am 21. Oktober 1517 seine 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg. Mehr als zwei Jahre vor diesem Jubiläum – hat die erste von vier hochkarätigen nationalen Sonderausstellungen in Deutschland zum 500. Reformationsjubiläum geöffnet. Es geht ja auch nicht um den 500. Jahrestag eines Tagesereignisses, sondern um die Epoche der Reformation und ihre gesellschaftlichen Veränderungen. Konkret erfährt der Besucher viel zum Thema ‚Luther und die Fürsten‘.

Foto oben:
Schloss Hartenfels in Torgau

Text und Fotos:
Dr. Harald Schmidt

Für eine derartige Sonderausstellung lüften Museen ihre Magazine und polieren manch historisch interessanten Schatz. So auch für diese. Der Besucher bekommt etwas zu sehen, was er sonst kaum oder nicht in diesem Kontext betrachten kann. Einiges wurde aus der Ferne geholt. Für besagte Sonderausstellung sind Exponate von 81 Leihgebern darunter aus Cleveland, London, Madrid, Toledo, Paris, Wien sowie aus anderen deutschen Museen dabei. 250 Exponate sind zu sehen: darunter wichtige und wertvolle historische Schrift- und Bild-Dokumente wie das Gemälde von Lucas Cranach d. Ä. aus dem Jahre 1540 ‚Hofjagd auf Hirsche und Bären‘ mit Schloss Hartenfels im Hintergrund. Es bildet detailliert das feudale Leben und Selbstverständnis ab. Da wären Symbole der kirchlichen Macht, wie die 500 Jahre alte prächtige Kopfbedeckung vom Erzbischof Albrecht von Brandenburg oder der feudalen Gewalt mit Waffen zur Repräsentation – wie das Sächsische Kurfürstenschwert, ein Harnisch aus purem Silber aus dem Jahr 1595, der kaum für den Schutz im Krieg geeignet war, oder der Dolch Friedrichs des Großmütigen, der zu den kostbarsten Prunkwaffen der Renaissance in Deutschland gehört.

Hauptexponat ‚Torgau‘

Schloss Hartenfels und die Stadt Torgau sind eigentlich die Hauptexponate. Trotz Widrigkeiten hat eine der schönsten Renaissancestädte Deutschlands ihr historisches Bild bewahren können. 500 Monumente aus der Zeit von Reformation und Renaissance kann der Besucher entdecken. Hartenfels – das größte Renaissance-Schloss Deutschlands mit dem sogenannten ‚Großen Wendelstein‘ – einem prachtvollen Treppenhaus der architektonischen Spitzenklasse – empfiehlt sich geradezu als ‚Verpackung‘ für das Thema. Das Schloss steht für Macht. Zudem war Luther oft hier bei den Mächtigen zu Gast.

Wer etwas über die Zeit der Renaissance, Reformation und Gegenreformation, die Zeit der neuen Ideen, erfahren möchte ist in der Ausstellung und in Torgau richtig. Für jede Weltanschauung gibt es Anschauliches. Die Ausstellung ist geeignet für Protestanten, Atheisten, Katholiken, Juden und Moslems. ‚Macht‘ ist der rote Faden, der durch die Ausstellung führt. Manchem Besucher brummt bei den vielen Namen und Titeln der vergangenen Mächtigen vielleicht mächtig der Kopf.

Gleich zu Beginn des Rundgangs wirbeln Papierblätter von der grauen Decke – sogenannte Flugschriften. Sie sind seinerzeit mittels der großen Erfindung, mit beweglichen Lettern von Gutenberg u. a., hergestellt worden.  Sie sind ein Beispiel dafür, wie eine technische Revolution zugleich gesellschaftliche Veränderungen unterstützen kann. Über diese Flugschriften konnten neue Ideen flugs verbreitet werden, auch wenn die Mehrzahl der Bevölkerung nicht lesen konnte. Deshalb wurde mit Bildern gearbeitet. Die nahe Stadt Leipzig entwickelte sich damals zu einem Zentrum des Druckerei-Gewerbes in Deutschland und Europa. Viele dieser Flugschriften wurden in Leipzig gedruckt.

Wege zu Luther
Wege zu Luther

Thesen und Kommentar zum Koran

Es folgen weitere Symbole der Reformation: Luthers Thesen gegen den Ablass und für den reinen Glauben, die Bann-Bulle gegen Luthers Lehren und Luthers Buch über die ‚Freiheit eines Christenmenschen‘. Luther publizierte darin seine Ansichten, dass jeder sich für seinen Glauben entscheiden solle. Der Augsburger Religionsfrieden war 1555 die gesetzliche Basis für eine Koexistenz der beiden christlichen Glaubensrichtungen. Allerdings bezog sich diese Entscheidungsfreiheit nur auf die Landesherren. Die Untertanen mussten deren Glauben annehmen oder durften das Land verlassen. Dieses Gesetz auf Pergament mit vielen Siegeln aus dem Staatsarchiv Wien gehört als eines der wichtigsten politischen Dokumente zur Ausstellung.

Ein Knüller, ein Koran von 1543, wird ausgestellt. Luther schrieb auf etwa zehn Seiten einen Kommentar zu dieser ersten Übersetzung eines Korans ins Lateinische. Zwischen dem Kaiser und dem damals bedeutenden Osmanen-Herrscher Sultan Süleyman I. entwickelten sich intensive Kontakte.

Einige Exponate bilden Luthers Ablehnungen ab: Prunkvolle Waffen und Rüstungen der Fürsten. Luther war gegen Krieg, auch gegen die bewaffneten Aufstände der Bauern. Er wollte den reinen Glauben; zum Beispiel keine Ablasszettel oder Reliquien von Heiligen. Dafür steht in der Ausstellung ein Meisterwerk des Kunsthandwerks der Silberschmiede, der Reliquienschrein des Heiligen Benno.

Reliquien von Luther fehlen allerdings nicht. In den ehemaligen kurfürstlichen Räumen werden sein Trinkbecher und sein Siegelring gezeigt.

Flugschriften
Flugschriften

Das Schwert trennt und verbindet …

Auf dem offiziellen Ausstellungsposter ‚Luther und die Fürsten‘ durchtrennt das stilisierte Kur-fürsten-Schwert von Friedrich dem Streitbaren einerseits geschickt den Titel, andererseits verbindet es. Ein schönes Bild: denn nicht nur Luther beeinflusste mit seinen Ideen die Politik der Macht der damaligen Zeit. Auch der Hochadel wirkte differenziert positiv oder negativ mit. Je nach Machtinteresse standen die Fürsten hinter oder gegen Luthers Lehren. Man denke an die Fluchthilfe für Luther auf die Wartburg. Der politische Einfluss des in Torgau ansässigen Kurfürsten sicherte die Verbreitung von Luthers Ideen im Reichsgebiet. Evangelische Fürsten schlossen sich 1526 zum Torgauer Bund zusammen, um die Glaubensfreiheit zu verteidigen. Die Mächtigen mussten sich für den alten oder für den reformierten Glauben entscheiden. Torgau wurde ein politisches Zentrum der Reformation.

Über diese Auseinandersetzung zwischen Alt und Neu werden auch Geschichten erzählt. Da liegt in einer Vitrine ein Rock des spanischen Ritterordens von Calavatra ausgebreitet. Kurfürst Moritz brachte dieses Kleidungsstück mit dem roten Lilienkreuz aus Innsbruck nach Dresden. Es stammt aus dem Gepäck des katholischen Kaisers Karl V., der Innsbruck fluchtartig verlassen musste als Moritz am 23. April 1552 die Stadt besetzte. Das Kleidungsstück nahmen die Protestanten gern als Trophäe ihres Sieges über den katholischen Kaiser. Zur Geschichte gibt es viele Geschichten …

Augsburger Religionsfrieden - ein wichtiges politisches Dokument
Augsburger Religionsfrieden – ein wichtiges politisches Dokument

Torgau und Luther

Von Luther, bis heute ist er ein Bestsellerautor der Spitzenklasse,  lassen sich zu Torgau und seinem Schloss zahlreiche Linien ziehen. Er hielt sich mehr als  40 Mal in Torgau auf. Hier predigte Luther und weihte auf Schloss Hartenfels die Schlosskapelle. Sie gilt als erste protestantische Kirche nach seinen Vorstellungen. In Torgau verfassten Luther, Melanchthon, Jonas und Bugenhagen die sogenannten ‚Torgauer Artikel‘, theologische Gutachten über kirchliche Zeremonien. In der Schlosskanzlei inspirierte ihn die dort angewandte Sprache für seine Übersetzungen und Schriften. Dieses sächsische Kanzleideutsch wurde von vielen Menschen verstanden. Luther prägte noch heute verwendete geflügelte Worte wie „Kümmere dich nicht um ungelegte Eier“ oder „Das passt wie die Faust aufs Auge“ und Begriffe wie „Denkmal“ oder „Bildersturm“.

Und noch etwas: In Torgau starb 1552 – sechs Jahre nach ihrem Gatten – Luthers Ehefrau Katharina. Sie wurde in der Stadtkirche St. Martin beigesetzt. Ein Ratsherr von Torgau hatte sie mit anderen Nonnen aus dem Kloster Nimbschen bei Grimma befreit.

Epilog des Autors

‚Luther und die Fürsten‘ – besser konnte der Titel für die Ausstellung nicht gewählt werden. Denn wo frische Ideen die Gesellschaft umkrempeln, da entsteht auch Abwehr oder Unterstützung seitens der Herrschenden. Das kennen wir alle aus der nahen Geschichte – oder?!

Didaktisch ist die Ausstellung sehr gut aufgebaut. Die Idee, Schüler als Guides für gleichaltrige Schüler einzusetzen, ist sicher lebendig. Aber etwas muss kritisiert werden: Die Texttafeln bei den Exponaten sind auf Grund der farblichen Gestaltung, durch Glas und Lichtspots nur schwer lesbar – wie häufig in vielen Museen und Ausstellungen.

Nach den Ideen von Luther: Schlosskapelle Hartenfels
Nach den Ideen von Luther: Schlosskapelle Hartenfels

 

Tipps

Diese Ausstellung kann bis 31. Oktober 2015 besucht werden.

Öffnungszeiten: von 10 bis 18 Uhr, montags geschlossen.

Eintritt: für Einzelpersonen 10 Euro, ermäßigt 7,50 Euro

Besucher unter 17 Jahren haben freien Eintritt.

www.skd.museum/luther

 

Fotos

Schloss Hartenfels in Torgau
Luthers Flugschriften
Der ‚Augsburger Religionsfrieden‘ – ein wichtiges politisches Dokument
Die Kapelle im Schloss Hartenfels nach Luthers Ideen
Wege zu Luther

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Hinweis: Dieser Beitrag wird regelmäßig von Mitgliedern der Reise-Stories Redaktion wie Heiner Sieger, Gerhard Fuhrmann und Jupp Suttner auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft. Falls Sie Anmerkungen zu diesem Beitrag haben, kontaktieren Sie bitte direkt hier die Redaktion.

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