Tampere Jazz Happening: Ein Jazzfestival als echtes Ereignis

Jede Menge Museen und Theater, tolle Restaurants, eingebettet zwischen zwei Seen, und ein herausragendes Jazzfestival – im südfinnischen Tampere lassen sich spannende Tage verbringen.

Kristallklar klingen die Noten von ihrem Instrument. Alina Bzhezhinska und ihr fünfköpfiges HipHarp Collective mit dem vorzüglichen Saxofonisten Tony Kofi bezirzt das Publikum in Tampere vom ersten Ton an. Weil die Harfenistin auf der einen Seite schon noch ihren beiden Idolen auf der Jazzharfe, Alice Coltrane und Dorothy Ashby, huldigt, auf der anderen Seite aber ihre eigene Klangsprache einbringt und sie den Rahmen dessen was mit einer Harfe im Jazz improvisatorisch so möglich ist aufregend ausdehnt. Etwa in ihren Interaktionen mit dem Saxofon von Tony Kofi. Das große, sperrige Instrument ist zwischen den Händen der in London lebenden, gebürtigen Ukrainerin eine präsente, aufregend freigeistige und sehr gestalterische Stimme.

Ein deutscher Abend in Tampere

Eine weitere bärenstarke Stimme auf dem Saxofon ist die von Fabian Dudek, der im zweiten Teil einer deutschen Nacht beim Tampere Jazz Happening mit dem Quartett Dudek-Hauptmann-Goller-Berger begeistert, auch wenn Drummer Leif Berger wegen Erkrankung kurzerhand ersetzt werden musste. Jedes Jahr legt das Festival in Tampere einen Abend lang das Scheinwerferlicht auf ein Gastland, dieses Mal war es Deutschland. Und während Sängerin und Musikerin Kira Hummen mit ihrem Trio den Langeweile-Faktor nur schwerlich ablegen konnte, zeigte sich dieses neu formierte Quartett um Fabian Dudek als hochenergetische, jederzeit mitreißende Einheit, die kompositorische Vorlagen als Ausgangspunkt nutzt für errende frei Improvisationen.

Und es gab noch mehr Bands mit deutscher Beteiligung zu hören in Tampere. Das urgewaltige Quartett KUU! etwa, das mit wilder Jazz-Punk-Rock-Attitüde Genregrenzen einfach wegwischt. Oder die zauberhafte Pianistin Julia Hülsmann mit ihrem Quartett. Oder ganz zum Abschluss der Posaunist Janning Trumann mit seinem Trio-Projekt X Nosacrum und einem ziemlich frei improvisierten Set aus Posaune, Schlagzeug und Electronics.  

Zwei Saxofonstimmen

Mit der schon lange in London lebenden, gebürtigen Nigerianerin Camilla George und dem US-Amerikaner Marcus Strickland standen am vorletzten der insgesamt vier Festivaltage zwei Mal Saxofon mit jeweils eigenen Bands direkt hintereinander auf dem Programm. George sucht schon seit längerem musikalisch nach Verbindungen zu ihren nigerianischen Wurzeln, ist als junge Frau in England aber auch mit HipHop aufgewachsen. So klingt ihre Musik in Tampere mit Rapperin Sanitymal modern nach Straße, schielt aber auch nach Afrika rüber. Das alles gefällig und sehr schön, aber leider erst am Ende des Sets mit mehr Biss. Spirituell und wesentlich packender klang da anschließend Marcus Strickland´s oft von einer Hammondorgel angetriebene Band Twi-Life.

Klänge aus Südafrika

Südafrikanisches Flair verströmte Pianist Nduduzo Makhathini mit seinem Trio. Der südafrikanische Pianist und Sänger ist viel mehr als ein Musiker, seine viel zu lange, philisophische Rede mitten in seinem gut einstündigen Set riss aber nicht nur aus der sehr schönen, teils hymnischen, beseelten Musik, sondern war auch nur schwer wirklich inhaltlich zu verstehen. Was man alles ohne große Worte in seine Musik packen kann, das zeigte das Goran Kajfeš Subtropic Arkestra. Die Band des schwedischen Trompeters mit kroatischen Wurzeln mischt so viele Stile so schlüssig zu einer sehr unterhaltsamen Mischung zusammen, dass es einfach eine Freude ist, diese Band live zu erleben.

Den bedeutenden Yrjö-Award des finnischen Jazzverbandes bekam in diesem Jahr übrigens die Saxofonistin Linda Fredriksson in Tampere verliehen. Und zahlreiche weitere finnische Musiker wie Trompeter Verneri Pohjola, Saxofonist Jimi Tenor oder Bands wie Laurell & Sun Dog machten das diesjährige Tampere Jazz Happening zu eben genau dem, einem Ereignis.

Kunst und Genuss

Tampere hat aber nicht nur eine Menge Jazz zu bieten, die zwischen zwei Seen gelegene ehemalige Industriestadt mit ihren rund 250.000 Einwohnern hat auch noch jede Menge Theater und Museen. Etwa das wirklich interessante Lenin-Museum, in dem man erfährt, welch Geschichte der russische Politiker, kommunistische Revolutionär und Begründer der Sowjetunion mit der Stadt hatte, die damals ein autonomes Großfürstentum des russischen Reiches war. Lenin traf in dem Gebäude, das damals die Zentrale der finnischen Arbeiterbewegung war, sogar erstmals persönlich auf Stalin. Es gibt natürlich Stimmen, die sich fragen ob ein Lenin-Museum in Finnland nach dem Einmarsch der Russen in die Ukraine noch zeitgemäß sei. Sowjet-Verherrlichung bietet die Ausstellung aber keineswegs, dafür interessanten geschichtlichen Hintergrund.

Und auch kulinarisch ist Tampere mit seinen vielen unterschiedlichen Restaurants eine Reise wert. Die kleine Bar „Villit ja Viinit“ im Herzen von Tampere, nur unweit vom Bahnhof gelegen, ist ein ganz besonderer Ort, den man schon nach zwei Minuten liebt. Denn Vellu und Markko und sein Team, die direkt nebenan auch noch das Restaurant „Kajo“ betreiben, tragen das Herz am rechten Fleck, versprühen Wohlfühlfaktor schon bei der Begrüßung. In der Bar gibt es nur wenige Tische, am besten sitzt man sowieso an der Theke. Denn alles wird dort zubereitet. Auf ein paar kleinen Herdplatten nur wird ein wahnsinnig geschmacksintensives Vier Gang-Menü gezaubert. Live vor den Augen der Gäste, mit lokalen, teils zuvor vorbereiteten, frischen Zutaten. Und es braucht nicht viel um wahre Geschmacksexplosionen zu erleben. Beim Tartar mit Pilzen etwa, oder ein paar Bratkartoffeln mit Lauchringen und wenigen weiteren Zutaten. Oder dem Risotto mit gegrilltem Kürbis. Zu jedem Gang kommt ein passender Wein. Das ist alles so lecker dass man fast schon traurig wird beim Dessert, an diesem Abend auf Himbeerbasis, auch wenn das auch noch mal viele Geschmacksnoten auf die Zunge bringt.

Fotos: Maarit Kytöharju

www.visittampere.fi

www.villitjaviinit.fi

www.kajoravintola.fi

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Christoph Giese

Autor Kurzvorstellung:

Der Journalist interessiert sich schon immer für die Kulturszene und berichtet mit Freude darüber. Musik und Reisen sind seine große Leidenschaften, die er auch gerne miteinander verbindet.

Hinweis: Dieser Beitrag wird regelmäßig von Mitgliedern der Reise-Stories Redaktion wie Heiner Sieger, Gerhard Fuhrmann und Jupp Suttner auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft. Falls Sie Anmerkungen zu diesem Beitrag haben, kontaktieren Sie bitte direkt hier die Redaktion.

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