Es ist so still. So wunderbar still. Hier heroben, auf dem Wallberg, in 1 700 Metern Höhe. Wir sitzen auf einer Bank und träumen in die Tiefe – hinab zum Tegernsee. Es ist der oberbayrische Blick aller Blicke. Hundert Meter links von uns eine kleine weiße Kapelle, noch ein paar hundert Meter weiter schweben Gleitschirmflieger durch die Luft, rechts unseres Rastplätzchens führt ein Pfad zum Gipfelkreuz, hinter uns türmt sich Bergspitze um Bergspitze und unter uns kräuselt sich in unwirklicher Bläue der Tegernsee.
Text: Jupp Suttner
Foto: Das Ziel der Tour – der Achensee.
Fotocredit & Copyright: Achensee Tourismus
„Geh weida Zeit, bleib steh“, hat ein Münchner Dichter mal zu Papier gebracht und wir haben das immer für ganz, ganz furchtbaren Kitsch gehalten. Aber genau das ist es, was wir gerade denken: Zeit, bleib stehen. Zumindest ist sie gerade nicht zu hören, die Zeit, kein Geräusch außer einem sanften Seufzen unserer Seele – da, plötzlich: Gekeuche! Gestöhne!! Geächze!!! Immer lauter!!!
Und dann tauchen die Stille-Störer aus dem Waldweg heraus auf – nein, keine Dinosaurier! Auch keine FC Bayernspieler, die diesen Wallberg im Saison-Vorbereitungs-Trainingslager immer in einer Mischung aus Jogging und Hardcore-Walking bewältigen müssen. Sondern: zwei Mountainbiker…
Ihre Gesichtszüge sind etwas verzerrt, was angesichts der Strecken-Steilheit nicht weiter verwundern darf. Und als sie bei uns ankommen und mehr von ihren Rädern rutschen als steigen, ziehen wir ganz tief einen imaginären Hut: wer diese Piste bewältigt – ist ein Biker-Ass! „75 Minuten“, sagt der eine zum anderen und der andere nickt: „Net schlecht…“
Wir hingegen haben nur rund zehn Minuten hier herauf gebraucht – mit der Bergbahn. Nicht etwa, dass wir nicht gerne radeln würden – wir befinden uns ja sogar auf einer Radtour! – aber dieser Abstecher nach oben: der ist nur was für ganz, ganz toughe Typen. Und nicht für Genussradler wie wir.
Doch völlig egal, wie man auf den Wallberg hinauf kommt: er ist einfach ein absolutes Muss, das man sich keinesfalls entgehen lassen darf, wenn man in der Nähe ist. Und unsere Genusstour hat uns bereits am zweiten Tag in diese Nähe gebracht – die Genusstour namens „Via Bavarica Tyrolensis“:
- Dies ist ein 2005 eröffneter Radwanderweg, der auf rund 120 grenzüberschreitenden Kilometern von München über den Tegernsee zum Achensee ins Tiroler Inntal führt.
- Wer will, kann auch eine zweite Route über Bad Tölz und den Sylvensteinsee statt über den Tegernsee fahren – aber dann ist der Wallberg nicht dabei.
- Beste Route deshalb: München-Wolfratshausen-Bad Tölz-Sylvensteinsee-Tegernsee-Achensee – auf diese Weise werden es fast 160 km.
- Und garantiert allerbeste Strecke: Auf dem Hinweg von München über Bad Tölz und den Sylvensteinsee zum Achensee strampeln – und retour dann vom Achensee über den Tegernsee und Holzkirchen nach München. Das sind dann etwa 250 Kilometer.
Die Via Bavarica Tyrolensis-Route ist mit (Tritt-)Sicherheit eine der reizvollsten Radstrecken von Bayern und Tirol. Sie ist gut ausgeschildert und gibt sich landschaftlich ausgesprochen verlockend und abwechslungsreich. Meist bewältigt man leichte bis mittelschwere (Neben-)Wege mit zwischendurch kurzen, steilen Anstiegen und Abfahrten. Schroffe Berge, wilde Gebirgsbäche, liebliche Täler und klare Seen, alte Kirchen und Klöster, nette Städtchen und Dörfer liegen auf der Strecke – und natürlich fabelhafte bayerische und Tiroler Wirtshäuser: Schweinsbraten, Hax’n, Knödel, Sauce, Obatzda, hausgemachte Schlutzkrapfen, „greana Hunte“ (Spinatspätzle) oder geschmortes Berglamm – und das alles in einem Biergarten mit einer Radlermaß: so macht Sport Spaß…
Im Mittelpunkt der Tour stehen natürlich die beiden berühmten Gewässer – der Tegernsee und der Achensee. An beiden lohnt es sich, ein paar Tage zu verweilen – manche bleiben dann gleich ein ganzes Leben lang: so wie Ludwig Erhard am Tegernsee, dem See der nicht ganz Armen. Seine Badetemperatur verdient den Begriff „erfrischend“ – Vorsicht also, wer direkt vom Bike herab in die Fluten hüpfen will!
Am Achensee wiederum, auch Fjord Tirols genannt (was alles über die bizarre Schönheit dieser Region aussagt), kann man sich und seinem Drahtesel eine Brise Seeluft gönnen: man „entert“ am Seespitz bei Maurach ein Schiff der Achensee-Schiffahrt – und schon heißt es „Bike ahoi“!
Keinesfalls versäumen sollte man auf dieser Radtour einen Besuch beim Ganghofer-Jäger von Fall ziemlich an der Grenze beider Länder sowie von Bad Tölz, durch das die Isar rauscht und der Bulle stapft. Die Fußgängerzone ist wunderbar und wenn man Glück hat, finden gerade Dreharbeiten für die Krimi-Serie statt. Aber klingeln Sie dann bitte nicht mit ihrem Bike hinein – das mit der Fahrradglocke ist eine andere Serie! Die Lindenstraße. Und die ist nur halb so schön wie die Bavarica Tyrolensis Straße. Wenn überhaupt.
Infos:
Die Radkarte Via Bavarica Tyrolensis mit sämtlichen Strecken und Sehenswürdigkeiten ist zu sehen unter
www.via-bavarica-tyrolensis.com
– und ist via jener Website auch kostenlos als Folder bestellbar. (Ein spezieller Radführer zu diesem Weg kostet 7,90 Euro – gleichfalls via besagter Site erhältlich.)
Quartier-Infos:
Anregungen, Wünsche, Lob & Kritik bitte direkt an den Autor: JuppSuttner@aol.com