Neuer Sternekoch in Alta Badia: Eine Sinnes- und Geschmacksreise

Im ladinisch geprägten Teil Südtirols, verbindet Sternekoch und Executive Chef Simone Cantafio Orient und Okzident in seinen beiden Menüs. Und beweist: Schlichtheit ist eine Kunst. Einen ersten Michelin-Stern hat er schon. Am Zweiten arbeitet er.

Die wettergegerbte Holztüre der „La Stüa de Michil“ führt in eine kleine, holzgeschnitzte Wunderkammer voller Überraschungen. Schon vor mehr als 20 Jahren hatte der Hotelier und Philosoph Michil Costa, Inhaber des Hotels La Perla in Corvara, zwei Südtiroler Bauernstuben aus dem 17. Jahrhundert hier sorgfältig und originalgetreu eingebaut. In dieser einzigartigen, typisch ladinischen Atmosphäre beginnt für die Gäste eine mitreißende Sinnes- und Geschmacksreise.

„Was die Gäste bekommen, ist ein Teil meiner Lebenserfahrung“, sagt Executive Chef Simone Cantafio, der die Stube seit 2021 zu neuem Glanz geführt hat. Er brauchte nur eine Winter- und eine Sommersaison, um den Michelin-Stern über dem Gourmet-Restaurant wieder funkeln zu lassen. „Ich bin glücklich, wenn die Gäste am Ende des Menüs sagen: Danke, dass wir mit Dir auf diese Reise gehen durften. Ich bin also eine Art Reiseführer. Denn Essen ist eine sehr schöne Weise, andere Kulturen kennenzulernen. Für mich die beste Art mit Menschen zu kommunizieren.“

Lehrjahre bei internationalen Sterneköchen

Und die Reise des gebürtigen Mailänders mit kalabresischen Eltern und japanischer Ehefrau ist wahrlich beeindruckend. Gleich nach der Schule startete er bei Gualtiero Marchesi, dem Vater der modernen italienischen Kochkunst. Nach sechs Monaten im Service wechselte er in die Küche und lernte dort in allen Sektionen über drei Jahre lang. „Der Maestro empfahl mir, für meine weitere Entwicklung die französische Küche kennenzulernen und vermittelte mich zum 3-Sterne-Restaurant von Sternekoch Georges Blanc in Vonnas bei Lyon“, erinnert sich Simone Cantafio. „Aber mein Traum war es, zusätzlich von der Koch-Legende Michel Bras in Laguiole. zu lernen.“ Ab 2010 arbeitete er elf Jahre mit ihm und seiner Familie, zunächst vier Jahre im Restaurant in Frankreich. Dann bereitete er ein großes Projekt in Japan vor. „Dafür musste ich zwei Jahre nach Relais Chataeu in Oxford um Englisch zu lernen.“ Anschließend wurde er in Japan, auf Hokkaido, für fünf Jahre Direktor des 2-Sterne Restaurants „Toya“ der Familie Bras.

„Japan repräsentiert heute noch das höchste Level der Küche in der Welt aus professioneller Sicht. Der Sinn, den sie dem Beruf geben, der Fokus auf die Perfektion in Bezug auf die Zutaten als auch auf die eingesetzten Werkzeuge ist einzigartig“, so Simone Cantafios Überzeugung. „Die Purheit der Küche – Zutaten wegnehmen, statt hinzufügen – das war eine sehr wichtige Erfahrung.“ Darauf folgte ein weiteres Projekt während der olympischen Spiele mit dem japanischen Stararchitekten Kengo Kuma in Kariuzawa.

„Da haben wir drei Jahre an der Konzeptentwicklung und Umsetzung für ein Restaurant mit einem großen Gemüsegarten in der Mitte gearbeitet. Wenige Monate vor der Eröffnung kam Covid. Da musste ich zurück nach Italien. Aber ich hatte auch schon etwas Heimweh. Und ich hatte das Gefühl, dass sich der Kreis nun schließen müsse und ich nach 14 Jahren wieder Koch in meiner Heimat sein sollte.“ Über Nicoló Bagna, Hoteldirektor im La Perla, mit dem er eine Saison gemeinsam bei Südtirols Sternekoch Norbert Niederkofler gearbeitet hatte, lernte er die Familie Costa kennen. Seitdem ist er die aufgehende Sonne in den ladinischen Dolomiten.

Zen-artige Erlebnismomente mit Gemüse und Früchten

Zur Auswahl stehen zwei Menüs: „Trasformaziun“ mit acht Gängen und „Perzeziun“ mit fünf Tellern, die beide beweisen: Schlichtheit, wie sie im ästhetischen Konzept des Wabi-Sabi verstanden wird, ist eine Kunst. Gemüse und Früchte, wie Gurke, Paprika, Erbsen, Karotten, Sommertrüffel, Kopfsalat, Fenchel, Tomate, Aubergine, Buchweizen, Aprikose, Kirsche und Erdbeere bereitet die Küche mit derselben Hochachtung zu, wie sie kostbarem Fleisch und Fisch zu Teil wird. Gleichzeitig vermählen Simone und sein Küchenteam Orient und Okzident. Sie verwandeln heimische Zutaten und Natur und internationale Erfahrungen in einen einmaligen Zen-artigen Erlebnismoment, in dem Schönes, Gutes und Verführerisches ein köstliches Gleichgewicht ergeben. Zum Beispiel beim Gericht „Gurke“. Sie ist zubereitet mit Gomasio mit geröstetem Sesam, dazu ein knuspriger Lamm-Bauch aus dem Villnößtal aromatisiert mit Gochujang, dazu ein grünes Gazpacho-Sorbet.

Die „Erbsen“ sind als Schoten in kaltgepresstem Öl gebraten, Meeresschnecken in Bärlauch-Persiliade und ein Risotto, aromatisiert mit Buche de Chèvre von Maria runden den Teller ab. Pures Vergnügen sind auch die in der Asche gegarten „Sommertrüffel“, begleitet von Bohnen aus dem Garten, eingewickelt in Pusterer Kartoffel Crepes und cremigem Jus von karamellisierten Zwiebeln.


Die „Aubergine“ ist zu sehr feinen Dampfnudeln verarbeitet, die begleitet werden von frischem Mittelmeerfisch, aromatisiert mit Tandoori-Sauce, veredelt mit alpinem Tzatziki, das mit Ringelblumen aromatisiert wurde.  „Erdbeere“ ist eine köstliche Nachspeise vom Baurenhof in Bruneck, mariniert mit Eisenkraut und rustikalem Kompott, roher Kokoscreme und Buttermilch aus den Bergen.

Mit Slow Food und Gemeinwohl für den zweiten Stern

Mit seinem Konzept hat Simone Cantafio ein klares Ziel vor Augen: „Wir wollen uns im Bereich von Michelin weiterentwickeln. Wir arbeiten daran, den zweiten Stern zu bekommen“, macht er deutlich. Das Potenzial ist vorhanden. Immerhin hatte er nach zwei Saisons den Stern zurück, den die Stüa nach dem Weggang seines Vorgängers verloren hatte.

„Dazu müssen wir als Team noch weiter die Details in der Küche und im Service weiterentwickeln. Das gesamte Team muss meine Ideen und meinen Stil verstehen und leben.“ Und der ist glasklar: „Ich starte beim Produkt, sehr viele Produkte kommen aus Südtirol. Dazu kommen meine Ideen, und ich bin da nicht auf die Berge fokussiert. Meine Küche darf Einflüsse aus der ganzen Welt einbinden.“


Um die hohe Qualität seiner Produkte zu gewährleisten, hat sich der Executive Chef ein Netzwerk von 60 kleinen Produzenten aus der Region und in ganz Italien aufgebaut. Mehr als ein Drittel davon sind Slow Food Produzenten, die auf ein einziges Produkt fokussiert sind. „Das ist heute unsere große Power, weil sie ebenso leidenschaftliche ihre Produkte produzieren“, lächelt Simone Cantafio. „Sie lieben, was sie tun, und das ist auch meine Idee der Küche.“

Die zweite wichtige Komponente für die tägliche Leistung und den angestrebten zweiten Stern sind die Mitarbeiter. „Das La Perla bietet mit seinem Gemeinwohl-Ökonomie-Konzept Jedem sehr gute Konditionen und Möglichkeiten, sich weiterzuentwickeln und das Leben dabei zu genießen“, sagt der Vielgereiste. „Wir kümmern uns sehr um unser Team und wir binden alle ein in die Arbeit. Zum Beispiel, wenn wir nachmittags rausgehen in die Wälder und Pilze und Kräuter sammeln, oder wenn wir zu Lieferanten reisen. Sie sind bei mir keine Nummern, sondern Teil des Projektes. Das ist es, was heute wichtig ist.“ Offensichtlich: Seit dem gemeinsamen Start in der Wintersaison 2021/2022 sind alle Mitarbeiter dem Team treu geblieben.

Weitere Informationen:
info@laperlacorvara.it
www.hotel-laperla.it

Fotos:

Heiner Sieger

stefano@stefanobutturini.it

Gustav Willeit

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Heiner Sieger

Autor Kurzvorstellung:

Seit 40 Jahren Journalist schreibe ich über aktuelle und brisante Themen in den Bereichen Digitalisierung, Wirtschaft, Gesundheit und Reise. Nach Stationen bei renommierten Tageszeitungen und Magazinen bin ich heute hauptberuflich beim WIN-Verlag in der Vogel Communications Group Chefredakteur der Magazine Digital Business Cloud, E-Commerce-Magazin und Digital Health Industry. Meine private Leidenschaft gehört dem Thema Reisen. Und irgendwann wurde ich dann auch Chefredakteur von Reise-Stories. So oft es der Beruf erlaubt, bewege ich mich Richtung Berge und Meer, stelle Restaurants und Hotels auf die Probe und entdecke Entertainment ebenso wie ruhige und unendeckte Fleckerl.

Hinweis: Dieser Beitrag wird regelmäßig von Mitgliedern der Reise-Stories Redaktion wie Heiner Sieger, Gerhard Fuhrmann und Jupp Suttner auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft. Falls Sie Anmerkungen zu diesem Beitrag haben, kontaktieren Sie bitte direkt hier die Redaktion.

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