63,5 Gault & Millau Punkte verteilt auf fünf Restaurants. Das Althoff Seehotel Überfahrt am Tegernsee ist ein Mekka für Feinschmecker.
Eingebettet in die Postkarten-Idylle der Voralpen wirkt der Tegernsee mit seinem türkisen, glasklaren Wasser zu jeder Jahreszeit berückend. Zu den Glanzlichtern im der Region zählt nicht zuletzt die große kulinarische Vielfalt. Auf 28.000 Einwohner kommen rund 200 Restaurants, Gasthöfe, Bistros und Almen – und eine bunte Vielfalt erstklassiger Hotels.
Zu den Top-Häusern zählt das an der schönsten Ecke des Tegernsees in Rottach-Egern gelegene Althoff Seehotel Überfahrt. Gäste schätzen die Ruhe, die Vertrauenswürdigkeit des Personals – und die facettenreiche Kulinarik. Sie reicht vom italienischen Restaurant „IL Barcaiolo“, dem Beachclub „Fährhütte 14“ über die „Egerner Bucht“ mit ihrer alpinen Küche und der traditionellen „Bayernstube“ bis zum mit drei Michelin-Sternen und 19,5 Gault&Millau-Punkten gekürten Gourmetrestaurant.
Wer in dem Fünf-Sterne-Superior-Haus nächtigt, hat die Wahl zwischen 176 durch zeitlose Eleganz bestechende Zimmer und Suiten – alle mit eigenen Terrassen oder Balkonen. Spiritus Rector ist Namensgeber Thomas Althoff, Vollblut-Hotelier und Besitzer der Hotelgruppe, zu der Schmuckstücke wie das Grandhotel Schloss Bensberg in Bergisch Gladbach, der Fürstenhof in Celle, das Londoner St. James’s Hotel & Club und die Villa Belrose in Saint-Tropez gehören.
Kulinarische Kleinode
Allen gemeinsam ist die meist mit höchsten Weihen ausgezeichnete Küche. So auch im Seehotel Überfahrt, dessen gleichnamiges Restaurant Gourmets weit über Deutschland hinaus anzieht. Zwar geht dem Gastrotempel der Seeblick ab. Angesichts der überragenden Kunstfertigkeit von Christian Jürgens ist dies jedoch gut zu verschmerzen. „Ich will der Koch der Gäste sein, nicht der Koch der Köche“, sagt der 51 Jahre alte Chef de Cuisine und wirkt dabei fast bescheiden. Schon seine in Walnussschalen angerichteten Apéros aus Brathühnchen-Mousse, Räucherfisch-Brandade und Auberginenrelish sind technisch makellose kulinarische Kleinode, die angesichts ihrer kunstvollen Aufbereitung eigentlich zu schade zum Genießen sind.
Mit seiner „Hommage an Dieter Kaufmann“ verneigt sich Jürgens vor dem Kaviar-Perfektionisten aus Grevenbroich, dessen Restaurant „Zur Traube“ in Grevenbroich 27 Jahre lang mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnet wurde. Besonders angetan zeigte er sich von Kaufmanns „Parfait vom Stör mit Kaviar“, das schon Prominente wie Clinton, Blair, Chirac und Putin goutierten.
Die federleichte Mousse aus geräuchertem Stör, Weißwein und Sahne erhält dank ihrer Zubereitung im ISI Whip ihre fluffige Textur. Die frische Kühle des Gin-Fizz-Sorbets und die Aromatik der Gurke (als Perlen und Sud) bieten den jodigen Noten des Kaviars aus einer Zucht in Italien perfekt abgestimmt Paroli – ohne dem Hauptdarsteller dieses Arrangements seinen Nimbus streitig zu machen. Ein ebenso luxuriöser wie raffinierter Leckerbissen.
Stetiger persönlicher Wandlungsprozess
Christian Jürgens ist es wichtig, sich zu reflektieren und zu hinterfragen. Er will den Dingen auf den Grund gehen, um daraus Neues entstehen zu lassen. Daraus entstehen Gerichte wie der „Hausberg“ – eine Replik des Wallbergs, der sich hinter den Fenstern des Restaurants gen Himmel streckt. Auf dem Teller präsentiert er sich als Assemblage aus ungestopfter Gänseleber in Form von Mousse und Parfait, Pekannüssen, marinierten roten Johannisbeeren, Rote-Bete-Gelee und Sauerampfer-Basilikum-Granité. Der Schmelz der Gänseleber, die seit jeher zum festen Kanon der Haute Cuisine gehört, sucht seinesgleichen und harmoniert herrlich erfrischend mit den fruchtigen, leicht adstringierenden Noten der Johannisbeere.
Das Menü in der „Überfahrt“ ist Ausdruck des stetigen persönlichen Wandlungsprozesses, den sich Jürgens seit 2010 selbst auferlegt. Seitdem ist es ihm von zentraler Bedeutung die Sprache seiner Mitarbeiter zu sprechen und zu verstehen. Loyalität und Ehrlichkeit stehen für ihn über allem. So erklärt sich wohl auch der perfekte Service unter Peter Nasser und seinem Team, das höchst aufmerksam mit einer vollendeten Melange aus Unaufdringlichkeit und Zugewandtheit agiert.
Köchelnde Krustentieressenz
Der Metzgerssohn aus Unna hält die 3-Sterne-Gastronomie für zeitgemäßer denn je, auch wenn zunehmend mehr Top-Hotels mit ihren Restaurants andere kulinarische Wege gehen. Getreu dieses Mantras dürfen sich Gäste an Gerichten wie dem in einer Cona Glaskolbenmaschine zubereiteten „Hongkong Cray Fish Tea“ delektieren.
Im unteren Kolben köchelt eine Krustentieressenz, die langsam durch ein Steigrohr in eine Glaskanne aufsteigt. Dort vermischt sie sich mit Fenchel, Koriander, Ingwer, Chili, grünem Spargel und der Karkasse des Kaisergranats. Die so aromatisierte Essenz tropft – nachdem das Stövchen gelöscht wurde – in die untere Glaskanne zurück und wird auf den Flusskrebs höchster Produktqualität gegossen. „Die Kiste“, heißt der Klassiker des Hauses und ist ein virtuoses Spiel mit Aggregatzuständen und Geschmacksnuancen: ein mit Eigelb gefüllter und Trüffelsalat gekrönter Kartoffelwürfel, der von einer Périgord-Trüffelmousseline und Madeirasauce nobilitiert wird.
Die Gourmandise am Tegernsee umfasst weitere herrliche Gänge wie den perfekt gebratenen Rehrücken mit seiner sündig-sämigen Rouennaiser Sauce oder den feinausbalancierten Steinbutt in Escabeche-Sud, deren detaillierte Beschreibung den Rahmen sprengen würde. Als wäre das noch nicht genug, bringt der aufmerksame Service nach dem Dessert ein Gewächshaus mit unwiderstehlichen Miniaturen der Sorten Champagner-Heidelbeere, Cheesecake mit Salty Caramel und Birne, Bienenstich mit Pfirsich und Lemon Curd an den Tisch.
Am Ende verbleibt im Grund nur noch ein Wunsch. Wäre man wenigstens ansatzweise mit der Jürgens’schen Kochkunst gesegnet, könnte man sich mit einer kulinarischen Hommage an den Lokalmatador revanchieren.
Fotos: Christian Euler, Seehotel Überfahrt