Die deutsche Feinschmeckerszene wird umgekrempelt, gehobene Küche lässt sich nicht mehr nur in klassischen Gourmetrestaurants erleben. Doch bisweilen mangelt es an Qualität. Das Restaurant [maki:‘dan] im Hotel Ritter Durbach punktet mit einem rundum überzeugenden Genusskonzept.
Durbach ist der höchstprämierte Weinbaugemeinde Deutschlands – nur dreißig Auto-Minuten von Straßburg und dem Elsass entfernt. 2008 übernahm dort Dominic Müller das erstmals 1656 urkundlich erwähnte Traditionshaus Ritter Durbach. Mittlerweile ist das behagliche 4*Superior Hotel längst eine Institution in der Ortenau. Über dem Gourmetrestaurant „Wilder Ritter“ leuchtet seit vielen Jahren ein Michelin-Sterne. Umso erstaunlicher, dass Patron Müller im April vergangenen Jahres eine kleine kulinarische Revolution ausrief.
Legere, greifbare und erlebbare Haute Cuisine, lautet nun das Motto. „Traditionen wahren und neue Wege gehen, die Produkte der Region wertschätzen und dennoch weltoffen sein“, bringt es Küchenchef André Tienelt auf den Punkt. Im Herbst 2014 übernahm er die kulinarische Regentschaft im Ritter. Sein Handwerk verfeinerte er unter anderem im Dresdner Kempinski Taschenbergpalais, davor im Kölner Hyatt-Hotel und im Drei-Sterne-Restaurant von Dieter Müller im Schlosshotel Lerbach. Schon mit 25 Jahren erkochte er sich im Restaurant Sendig im Hotel Elbresidenz Bad Schandau seinen ersten Stern. „Das Glück ist mit den Tüchtigen“, lautet das Motto von Tienelt – er selbst ist das beste Beispiel dafür.
Die kulinarische Neuausrichtung zeigt sich schon im Restaurant. Die alten Ölbilder an der Wand wichen Hirschen und Eichhörnchen, das Kruzifix und die Kuckucksuhr durften bleiben. Die niedrige Stube mit ihren Bleiglasscheiben, Parkettboden und Holzvertäfelungen, Tischen ohne Leinen, frischen Blumen, nur eingedeckt mit Wein- und Wasserglas, Tischset sowie Messer und Gabel, an der Wand bewirkt eine ausgesprochen ungezwungene Atmosphäre.
[maki:‘dan], heißt die Zauberformel, die die Quadratur aus Effizienz, höherer Wirtschaftlichkeit, Gastfreundschaft und Genuss zum stimmigen Kreis machen soll. Es ist die Lautschrift für Mazidan, das vom persischen Wort Mezze abstammt und für die Kultur des geselligen Genießens unterschiedlicher kleiner Speisen steht. „Wir lösen die starre Gangfolge in unserem Konzept auf, der Gast bestellt, worauf er Lust hat, bekommt nichts Unbestelltes serviert und zahlt auch nicht dafür“, erläutert Küchenchef Tienelt.
Seine Gerichte konzentrieren sich auf das Wesentliche – das Produkt. Das Ziel: Essen unkompliziert, ohne Verlust von Geschmack und Qualität, unseren Gästen zum fairen Preis, in einer angemessenen Zeit anbieten. Nachbestellen so oft man möchte, ohne Service und Küche in Panik zu versetzen und lange Wartezeiten überstehen zu müssen. Frei, individuell und leger soll der Gast die Haute Cuisine erleben.
Mehr als 30 saisonal wechselnde Gerichte stehen zur Auswahl, eingeteilt in „Köstlichkeiten“ „Kleine Köstlichkeiten“, sowie „Süß und Salzig“. Die Preise der meist in Vorspeisengröße angerichteten Gerichte liegen mit fünf bis 19 Euro deutlich unter jenen der klassischen Gourmetrestaurants. Dabei machen alleine die Produktkosten mehr als ein Drittel des Preises aus. Manche Gerichte sind sogar günstiger für den Gast, als das Produkt kostet, verrät Tienelt. Die handgetauchten Jakobsmuscheln aus Norwegen etwa die von Holunder, Jalapeño uhnd Melone flankiert werden. Die Mischkalkulation macht‘s möglich.
Flexibilität ist Trumpf. Die Gäste können ihr Menü sogar während des Essens nach Lust und Laune ändern. Das kommt an: 300 Teller verlassen allabendlich die Küche. In vielen Gerichten ist Chefkoch Tienelts Lust auf asiatische Aromen zu schmecken. So präsentiert er etwa die topfrische Gelbschwanzmakrele als Tatar und abgeflämmtes Filetstück, aromatisiert mit einem kräftigen japanischer Fischsud und dem Saft von grünem Apfel und Kohlrabi. Der schottische Kaisergranat wiederum wird von einem Gel der japanischen Zitrusfrucht Sudachi und Kaffir-Limette begleitet, verfeinert von einem am Tisch angegossenen Krustentiersud.
Welche Mühe in Speisen wie diesen steckt, zeigt der in Salzteig ausgebackene Sellerie. Dazu gibt es buttriges Selleriepüree, Schnittlauch- und Haselnussöl, geröstete Haselnüsse, Bergamotte-Gel, Selleriesamen, Staudenselleriesaft als Schaum. Darüber gehobelt wird hausgetrockneter Sellerie. Von hohem handwerklichem Geschick zeugen auch die Desserts, darunter Fenchelgrün mit weißer Schokolade und Baiser oder dunkle Edelschokolade mit Rosmarin und Brombeermousse.
Immer wieder macht der freundliche Service mit dem so genannten „Bauchladen“ die Runde: ebenso preiswerte wie schmackhaften Preziosen, die nicht auf der Speisekarte stehen und die Gäste in die künftige Menü-Auswahl mit einbeziehen. Das Sommelier-Duo Marius Jürke und Marco Feger cuvéetieren passende Weine mit Reagenzgläsern direkt am Tisch, schaffen damit Kreationen, die perfekt zum jeweiligen Gang passen. Die klassische Weinbegleitung kostet ab 3,70 Euro pro Glas. Die Weinkarte listet mehr als 700 Positionen. Besonderen Wert legen die Sommeliers auf regionale Erzeuger und Weine aus ökologischem und bio-dynamischem Anbau. Unbedingt empfehlenswert ist der 2018er Sauvignon Blanc ‚Heaven‘ des Durbacher Lokalmatadors Alexander Laible. Der Wein betört mit seinem erstklassig eingebundenen Holz und präsentiert sich saftig mit schöner Mineralität und Würze. Nicht zuletzt zur Jakobsmuschel ist er das kongeniale Pendant. Abseits der Rebsäfte genießt das hauseigene Bier „Ritter Bräu 1378“ Kultstatus.
Von Schlichtheit kann im [maki:‘dan] keine Rede sein. Aus Purismus ohne allzu verkünstelte Spielereien und Pirouetten ist kein minimalistischer Schmalhans geworden. Daher verwundert kaum, dass der Gault&Millau Tienelts Wirken mit 16 Punkten würdigt und schreibt: “171 Jahre nach der gescheiterten badischen Revolution der Demokraten startete ein kulinarischer Umsturzversuch der Ritter von Durbach sehr erfolgreich.”