von Udo Haafke
Das 20. Internationale Kaiserwinkl-alpin-ballooning sollte eigentlich vom 23. bis 30.1.2021 stattfinden. Vorgesehen während der winterlichen Ballonwoche waren tägliche Wertungsfahrten, ein abendliches Ballonglühen sowie am letzten Tag der Abschlussabend mit Siegerehrungen und gemütlichem Beisammensein. All das wurde Opfer einer Pandemie, deren Ende noch nicht absehbar ist und die das Reisen aktuell so gut wie unmöglich macht. Dennoch bleiben Eindrücke und Impressionen und die Hoffnung, dass die alpine Jubiläumsveranstaltung hoffentlich dann Ende Januar 2022 ausgetragen werden kann.
„Wir schaun erstmal!“ Jörg Freese blickt aufmerksam in die Höhe, wo trotz gutem Wetterbericht noch immer eine recht dichte Dunstschicht hängt. „Eigentlich ist Sonnenschein angesagt, aber hier im Kaiserwinkl herrscht gern ein etwas eigenwilliges Mikroklima.“ Der Pinneberger Ballonfahrer ist mit seiner Crew schon zum vierten Mal beim winterlichen Ballonfestival dabei, dem größten seiner Art in Europa. Das internationale Teilnehmerfeld besteht aus 55 Ballonpiloten und –pilotinnen, die sich seit 2001 für eine Woche Ende Januar zum fairen Wettstreit im Osten Tirols treffen.
Nur mühsam bewegt sich die Wolkendecke hinter der man die Sonne kaum erahnen kann. Dennoch präparieren die ersten Ballonfahrer ihre Luftfahrzeuge und wagen den Aufstieg durch den Dunst hindurch. Schon bald sind sie nur noch schemenhaft, schließlich gar nicht mehr erkennbar. Der geduldige Norddeutsche, der sich selbst als waschechter Flachlandtiroler bezeichnet und in erster Linie Touren und Ausflüge in Schleswig-Holstein von seiner Schenefelder Basis aus unternimmt, sondiert in aller Ruhe die Lage, beobachtet genau, mit welchen Winden die Kollegen zu tun haben. „Bei uns im Norden ist das ein klein wenig einfacher. Da stören keine Berge und Täler, da weht es meist aus nur einer einzigen Richtung.“
Jörg Freeses Gelassenheit macht sich schließlich bezahlt und auch der Sonne gelingt es vollends die letzten Dunstfetzen zu vertreiben und für freundlichstes Himmelsblau zu sorgen. In aller Ruhe geht das Team nun die Startvorbereitungen an: die knallgelbe Ballonhülle wird auf dem nun strahlend weißen Schnee ausgerollt. Mittels gigantischem Ventilator wird der Ballon etwa zur Hälfte mit Luft gefüllt, die anschließend mittels Gasbrenner angewärmt wird, bis sich das Luftfahrzeug allmählich aufrichtet. Die Mannschaft klettert in den Korb, Pilot Jörg gibt Gas mittels kurzen Betätigens des Brenners und der Ballon beginnt wie von Geisterhand gesteuert zu schweben. Mit ungeahnter Sanftheit geht es aufwärts, ohne ein einziges Geräusch entfernt sich das Fahrzeug vom Boden.
Weil das Fluggerät leichter ist als Luft sagt man “fahren“ statt “fliegen“, auch weil die Brüder Montgolfiere 1783 sich mit ihrem ersten Ballon antriebslos im Luftmeer bewegten, quasi als eine Schifffahrt in der Luft, hat sich der Begriff “Ballon fahren“ im allgemeinen Sprachgebrauch etabliert. Dies allerdings ausschließlich in der deutschen Sprache. Und jeder, der einmal das Privileg genießen durfte, eine solche Ballonfahrt zu machen, achtet peinlichst genau darauf nicht den Begriffs-Fauxpas zu begehen und vom “fliegen“ zu reden.
Modernste Technik hat mittlerweile auch an Bord eines Heißluftballons Einzug gehalten, die Navigation ist so weitaus weniger umständlich. „Dennoch haben wir immer auch Kartenmaterial dabei, denn das GPS könnte ja mal ausfallen.“ Lediglich hinsichtlich des Windes, der einzig und allein für die Fortbewegung verantwortlich ist, bleibt das besondere Gespür des Piloten das weitaus wichtigste Hilfsmittel. Und Jörg Freese beweist eindrucksvoll wie gut er den passiven Antrieb einzusetzen weiß. Nachdem der Ballon nämlich für einige Minuten scheinbar unschlüssig an der mehr oder weniger gleichen Stelle in der Luft hängt, bewegt er sich nun tatsächlich in die gewünschte Richtung über den zugefrorenen Walchsee nach Kössen.
Die Mitfahrer sind beeindruckt von der Finesse mit der Freese sein Gefährt zu steuern versteht, nur eine leichte Höhenveränderung und der Wind trägt den Ballon weiter. Nicht wirklich schnell, aber immerhin zuverlässig. Doch das Fahrgefühl selbst, das Erlebnis im Himmel zu schweben überflügelt noch die für den Laien erstaunliche Navigationsexpertise des versierten Piloten. Ohne das regelmäßige Geräusch des Gasbrenners wäre das einzigartige Erlebnis kaum fassbar. Nun versteht man, warum die Vögel in der Luft so herrlich zwitschern und singen, denn das unglaubliche Gefühl einer Mischung aus Freiheit und Unbeschwertheit ist schlicht überwältigend. Das alles über einer Bilderbuchlandschaft und mit fantastischem Ausblick in die Bergwelt der Alpen.
Weiter im Tal schweben noch mehr bunte Ballone, ein jeder nutzt den Wind auf seine ganz individuelle Weise, während andere bereits den Landevorgang eingeleitet haben. Ihr Schatten wächst über den hier oft noch unberührten Schneeflächen stetig und sinkt letztlich als unförmiger Farbtupfer auf das unendliche Weiß. Dabei erweist sich die Landung noch einmal als echte Herausforderung. Schließlich muss ja auch neben einem möglichst weichen Aufsetzen ein vernünftiger Abtransport von Ballon und Korb gewährleistet sein. Jörg Freese manövriert sein Gefährt auf ein kleines, von Baumbestand umgebenes Feld unmittelbar neben einem Bauernhof. Der Korb plumpst etwas unsanft in den Schnee, hüpft noch einmal hoch, um dann seine Fahrt mit einem neuerlichen Plumpser zu beenden. Hier macht sich die anfängliche Sicherheitseinweisung für die Passagiere in das aviatische Unterfangen bezahlt, denn es wurde eindringlich darauf hingewiesen, sich für die Landung entsprechend zu positionieren und festzuhalten.
In erstaunlich kurzer Zeit ist die gelbe Ballonhülle wieder zusammengefaltet und gemeinsam mit dem Korb im kastenförmigen Anhänger verstaut. Es war ein Leichtes für den Verfolger am Boden den Landeplatz ausfindig zu machen und das Begleitfahrzeug in die unmittelbare Nähe zu steuern. Nur wenig überrascht zeigen sich indes die Bewohner des Bauernhofes. Für ein schnelles Erinnerungsfoto kommen sie kurz vor die Tür, nehmen die Stippvisite des Pinneberger Heißluftballons ansonsten eher gelassen zur Kenntnis, schließlich hat man sich schon an die bunten Luftfahrzeuge gewöhnt, die Ende Januar rund um den Wilden Kaiser im Tal unterwegs sind. Lediglich der Hofhund wedelt freudig erregt um die vom Himmel gefallenen Besucher herum.
Am Abend, längst ist die Dämmerung über dem Tiroler Städtchen Kössen hereingebrochen, nur einige beleuchtete Skipisten sind in den Höhen noch auszumachen, haben sich die Ballonfahrer auf dem großen, schneebedeckten Dorfanger zum großen Ballonglühen versammelt. In einem weiten Halbrund reihen sich die zu ihrer vollen, erhabenen Größe gefüllten Ballone aneinander. Nach einstudierter Choreografie bei recht geräuschintensiver Musikbegleitung erleuchten sie abwechselnd zum Gaudium des zahlreich erschienenen Publikums und bieten ein höchst stimmungsvolles Szenario, das mit einem fulminanten Feuerwerk abschließt. In Glühwein geschwängerter Luft wird anschließend noch lange über das soeben erlebte, spektakuläre Ereignis philosophiert.
Information:
Tourismusverband Kaiserwinkl, Postweg 6, A-6345 Kössen/Tirol, Tel. +43 501 100, info@kaiserwinkl.com, www.kaiserwinkl.com
Anreise:
Mit der Lufthansa (www.lufthansa.com) bis München und Weiterfahrt (80-90 Minuten) mit Taxi-Shuttle (Taxi Kitzbichler, Thurnbichl 22, A-6345 Kössen, Tel. +43 5375 2829, info@taxikitzbichler.at). Alternativ mit der Bahn (www.db.de) bis Kufstein und Bus oder Taxi nach Kössen.
Unterkunft:
Hervorragender Standort für alle Aktivitäten in der Region ist das Hotel Seehof mit vorzüglichem Restaurant und großem Wellnessbereich (Kranzach 20, 6345 Kössen, www.seehof.com). Zimmerpreise je nach Kategorie ab EUR 99.
Aktivitäten:
Das Mitfahren in einem Heißluftballon ist während der Ballonwoche zum Preis von EUR 220 möglich (www.kaiserwinkl.com). Alle Varianten von Wintersport sind rund um den Wilden Kaiser verfügbar: alpin im Skigebiet Hochkössen (www.skisport.com) oder Zahmer Kaiser (www.zahmerkaiser.com), Langlauf auf zahlreichen gespurten Loipen. Im Nordic Center von Markus Weingartner kann die entsprechende Ausrüstung ausgeliehen werden, zudem gibt es Schnupperkurse für Anfänger (Erlaustraße 4, A-6345 Kössen, Tel. +43 5375 6362, www.nordic-center.com). Erholsame Wandertouren mit Schneeschuhen bietet Andi Schwentner an (Hüttfeldstraße 65b, 6345 Kössen, Tel. +43 664 2560256, www.sportundnatur.at). Ausgesprochen entspannt gestalten sich die Fahrten mit der Pferdekutsche durch die Winterlandschaft mit Kutscher Sebastian»Wast« Fahringer (https://haussebastian.at/kutschenfahrt/).
Tipp:
Impressionen der Ballonfahrten am Kaiserwinkl finden sich auch in einem sehenswerten Kalender aus dem Calvendo-Verlag, der in unterschiedlichen Formaten erhältlich ist. https://www.calvendo.de/galerie/ballonfahrt-im-winterlichen-kaiserwinkl/?s=kaiserwinkl&type=0&format=0&lang=1&kdgrp=0&cat=0&
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