Narzissen, überall Narzissen

60. Geburtstag des Narzissenfestes von Bad Aussee

von Udo Haafke

„Das ist nun mal die Natur!“ Waltraut Zach zuckt bedauernd mit den Schultern und lässt den Blick über die bunten Almwiesen schweifen. Hinter einem dichten Waldgürtel erheben sich die massiven Felsen der Alpen im nördlichen Zipfel der Steiermark. „Diese bunten Wiesen hier sollten nun überwiegend weiß sein, weiß wie Schnee. Die kleinen Sternnarzissen blühen nämlich eigentlich genau jetzt in aller Pracht, bereit zum Pflücken für unser Fest.“ Nach dem letzten strengen Winter hatte man schon befürchtet, dass die Blüte nicht rechtzeitig einsetzen würde, aber durch die unmittelbar anschließenden und anhaltend hohen Temperaturen passierte genau das Gegenteil: die Blüte begann viel zu früh. „Nun ist die üppigste Blütezeit bereits vorbei und die Narzissenpflücker haben ihre liebe Mühe ausreichend Blumen zu finden.“

Dennoch sind eine ganze Reihe Leute, Einheimische wie Touristen, unterwegs, die, ausgerüstet mit Küchenmessern, nun etwas genauer schauen müssen, ob die wenigen verbliebenen Narzissen für ihre Zwecke geeignet sind. Mit den Blumen werden alljährlich Figuren verziert, die man zuvor in aufwendiger Kleinarbeit gestaltet hat und die zunächst auf den Straßen und Plätzen in Bad Aussee dem Publikum präsentiert werden, bevor man sie in einer Art Prozession im jährlichen Wechsel zum Altausseer See oder zum Grundlsee fährt. Dort erfolgt dann die nicht ganz einfache Verladung mittels eines mobilen Krans auf einen schwimmenden Untersatz. „Und dann haben unsere Plätten ihren großen Auftritt. Die flachen, breiten traditionsreichen Holzboote, die ursprünglich wie eine venezianische Gondel nur mit einem Paddel bewegt und gesteuert wurden, heute jedoch alle mit einem Elektromotor ausgestattet sind, dienen als Zugfahrzeuge für die einzelnen Figuren.“ Der Umzug auf dem Wasser, der sogenannte Bootskorso, bildet den abschließenden Höhepunkt des Narzissenfestes, das sich 2019 zum 60. Mal jährt.

Nur allmählich füllen sich die mitgebrachten schwarzen Bottiche mit weißen Blumenbündeln. Viele Blüten beginnen bereits zu vertrocknen. „Es ist ausgesprochen schwierig, die Pflanzen über einige Tage zu konservieren. Gleich nach dem Schnitt, die Zwiebeln bleiben im Boden, das gewährleistet, dass die Narzissen auch im nächsten Jahr wieder blühen, stellen wir sie ins Wasser und bringen sie in einen kühlen, dunklen Raum. Schließlich bleibt uns ja nur wenig Zeit zur Verarbeitung.“ Gepflückt wird traditionell am Fronleichnamstag und am Samstag danach steht die größte Herausforderung bevor. Dann nämlich müssen die Narzissen in die kunstvoll aus Hasendraht gearbeiteten Figuren eingeflochten werden. So entsteht nach und nach ein erstaunliches florales Kunstwerk. Während Hotels zum Gaudium ihrer Gäste und insbesondere der Kinder öffentliches Narzissenstecken, sogenanntes Schaustecken, gerne auch unter Teilnahme prominenter Persönlichkeiten, arrangieren, geht es bei den Profis wesentlich ambitionierter und sorgfältiger zu. Denn man hat ja einen Ruf zu verlieren und möchte daher unbedingt bei der späteren Bewertung der Arbeit ganz vorn landen. Entsprechend nimmt die ausgeklügelte Gestaltung sehr viel Zeit in Anspruch und oft wird bis spät in die Nacht gesteckt, um am nächsten Tag auch wirklich ein perfektes Ergebnis präsentieren zu können.

Schon am frühen Sonntagmorgen pilgern die Prozessionsteilnehmer ins Zentrum von Bad Aussee und stellen ihre auf Wagen und Anhängern sorgsam drapierten Narzissenfiguren an vorbestimmten Plätzen auf, während die ersten Zuschauer bereits bewundernde Kommentare abgeben und Fotos schießen. Den Mangel an Narzissen haben die kreativen Skulpteure mit Hilfe von Margeriten und Wollgras elegant und stilsicher in den Griff bekommen. Farbige Accessoires runden die bis zu drei Meter hohen Objekte ab und geben ihnen den letzten dekorativen Schliff. Bei den Figuren dominieren Tierdarstellungen und bekannte Comiccharaktere, die durch ihren künstlichen Blütenpelz eine geradezu flauschige Anmutung bekommen. Aber es fehlt auch nicht an Alltagsobjekten und aus Blüten komponierten, überdimensionalen Blumenbildern oder Landschaftsdarstellungen.

Schnell füllen sich die Straßen und Gassen des Ortes mit Schaulustigen aus Nah und Fern. Auf einer Bühne am Kurpark beginnt das offizielle Programm mit einer Rede des Ortsvorstehers und mit der Vorstellung der “Hoheiten“. Drei junge, vom Narzissenkommittee ausgewählte Damen lächeln um die Wette, gewandet im lokalen Dirndl, denn Bad Aussee gilt nicht von ungefähr als Zentrum der Trachtenmode, und erzählen ebenso charmant wie eloquent aus welchen Beweggründen sie sich der ehren- und verantwortungsvollen Aufgabe stellen, die sie im Laufe des Jahres im Rahmen zahlreicher repräsentativer und sozialer Verpflichtungen zu erfüllen haben. Anschließend spazieren sie, sich steten Fotowünschen und Selfies geduldig stellend, durch Bad Aussee, betrachten die Narzissenfiguren und plauschen mit ihren, teilweise nach langer Nachtschicht des Figurensteckens erschöpften, aber zufriedenen Erbauern. Die Hoheiten sind die eigentlichen Aushängeschilder des Narzissenfestes, denn sie vertreten Ausseerland, Salzkammergut und Steiermark auf den unterschiedlichsten nationalen wie internationalen, nicht nur touristischen Veranstaltungen.

Selbstverständlich dürfen die Damen auch beim abschließenden Bootskorso vor spektakulärer Alpenkulisse mit einer eigenen, speziell hergerichteten Plätte nicht fehlen. Während sich das teilweise mit Tribünen ausgestattete Ufer des Altausseer Sees zusehends mit Gästen und Besuchern füllt, werden am waldreichen Nordufer die Narzissenfiguren vorsichtig zu Wasser gelassen und noch viel behutsamer auf Plätten und Flößen platziert. In der Vergangenheit kam es zuweilen zu kleineren Unfällen, wenn die Blütenplastik Übergewicht bekam und unfreiwilligen, engen Kontakt mit der Wasseroberfläche aufnahm. Meist waren dabei ungünstige Winde die Auslöser für derlei Malheur. Nun aber gewährt das ruhige, fast glasklare Wasser schier ungetrübte Sicht in die Tiefe, wenngleich sich Saiblinge und Seeforellen angesichts des Trubels weitgehend zurückgezogen haben. Entspannt treiben die bereits schwimmenden Narzissenfiguren mit ihren Erbauerteams auf dem See und warten bis letztlich alle Korsoteilnehmer versammelt sind. Alsdann promenieren sie gemächlich schwimmend in zugewiesener Reihenfolge am begeisterten Publikum vorbei, das über Lautsprecher mit den jeweiligen Informationen zu den einzelnen Gruppen und Werken versorgt wird. Der Applaus findet kaum ein Ende und hallt noch lange von den umliegenden Felswänden wider.

Die Ursprünge der mit 60 Jahren eigentlich noch jungen Tradition des Narzissenfestes gehen vermutlich auf Autoweihen in der Region zurück, bei denen in den 1950er Jahren hübsch mit Narzissenblüten verzierte Autos zu ihrer kirchlichen Segnung fuhren. Ende Mai 1960 fand dann über zunächst zwei Tage das erste Fest mit blumendekorierten Figuren statt. Es verhalf dem Salzkammergut zu zusätzlicher touristischer Anziehungskraft, etablierte sich über die Jahre und wurde als Höhepunkt des Frühlings und Start in den Sommer auf insgesamt vier Tage ausgedehnt, begleitet von diversen weiteren, auch sportlichen Veranstaltungen. So gibt es Narzissenlaufwettbewerbe und machen sich am Samstag motorisierte, gut gepflegte Oldtimer, historische Motorräder wie PKWs, auf den umjubelten und vielfach bestaunten Weg durch den Ort. Gut und gerne 20.000 Besucher zählen die Veranstalter des Narzissenfestes alljährlich und das österreichische Fernsehen ist sogar mit Live-Übertragungen dabei.

Information:

Salzkammergut Tourismus, Salinenplatz 1, 4820 Bad Ischl, Tel. +43 6132 26909, www.salzkammergut.at
Tourismusverband Ausseerland, Bahnhofstrasse 132, 8990 Bad Aussee, Tel. +43 3622 540400, www.ausseerland.at

Das 60. Narzissenfest findet vom 30. Mai bis zum 2. Juni 2019 statt. Dabei führt der Bootskorso in diesem Jahr über den Grundlsee.
www.narzissenfest.at

Anreise:
Mit Eurowings von den meisten deutschen Flughäfen nach Salzburg (www.eurowings.com), weiter mit Bus oder Taxi-Transfer (www.zwetti-bus.at) nach Bad Aussee.

Unterkunft:
Mitten im Zentrum Bad Aussees liegt das Spa Hotel Erzherzog Johann mit gemütlichen Zimmern, ausgezeichnetem Restaurant und Wellnessbereich, www.erzherzogjohann.at. Insbesondere wegen seiner vielfältigen Aktivitätsmöglichkeiten und der Grimming-Therme empfiehlt sich auch als ausgesprochenes Familienhotel der Aldiana Club Salzkammergut in Bad Mitterndorf, www.aldiana-salzkammergut.at

Essen und Trinken:
Das Angebot an Gaststätten und Restaurants in und um Bad Aussee ist gut und vielfältig mit traditioneller, aber auch ambitioniert moderner Kulinarik. Empfehlenswert u.a. das Café Strenberger in der Ischler Straße mit süßen Verführungen passend zu typischen Kaffeevariationen, das Genuss Gasthaus Kohlröserlhütte am Ödensee (www.genussamsee.com), das Dorfwirtshaus Stöckl in Grundlsee (www.gasthausstoeckl.at), die Villa Salis in Altaussee (www.villa-salis.at), der Gasthof Kalßwirt an der Kainischtraun (www.kalsswirt.at) oder das Restaurant im Narzissen Vital-Resort (www.vitalresort.at).

Aktivitäten:
Wandern, Klettern, Mountain-Biking – es bleibt die Qual der Wahl aus einer Unmenge an tollen Angeboten jenseits des Narzissenpflückens und –steckens

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Udo Haafke

Autor Kurzvorstellung:

freiberuflicher Foto-Designer und Bildjournalist, Autor diverser Bildbände, Kalender und Reiseführer, Ausstellungen im In-und Ausland, freie Mitarbeit bei verschiedenen Tageszeitungen im Bundesgebiet.

Hinweis: Dieser Beitrag wird regelmäßig von Mitgliedern der Reise-Stories Redaktion wie Heiner Sieger, Gerhard Fuhrmann und Jupp Suttner auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft. Falls Sie Anmerkungen zu diesem Beitrag haben, kontaktieren Sie bitte direkt hier die Redaktion.

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