Montafon – kann man da auch Golf spielen? … und andere Überraschungen.

Sennigrat

Als ich das erste Mal das Wort “Montafon” hörte, kam mir einiges in den Sinn: Exotik, ein fernes Land, oder gar Technologie – hat das was mit Telefon zu tun? Kenner wissen natürlich, dass darunter ein Tal im südlichen Vorarlberg gemeint ist. Das Vorarlberg hat schon etwas spezielles an sich, denn diese Region Österreichs ist zwar zum Bodensee, zur Schweiz und Deutschland hin offen, aber vom Kernösterreich durch hohe Berge – dem Arlberg  – getrennt.

Von Wien aus betrachtet ist das Vorarlberg also weit weg, geradezu am Ende der Welt; aber vom Westen aus betrachtet, ist die Gegend das erste was man von Österreich kennenlernt, geradezu der Anfang der Welt, zumindest der Welt,  die von Touristen so geschätzt wird. Gegen Süden hin erstreckt sich das Montafon, ein etwa 40 km langes Tal, das in Richtung Süden nur über die berühmte Silvretta Hochalpenstrasse verlassen werden kann.Hof in Schruns-Tschagguns

Täler, hohe Berge, Gastfreundschaft, wilde Bäche, Almen, Skifahren, Wandern, Klettern, Motorradfahren, (e)biken, Gletscher, gutes Essen, ein fast schweizerisch angehauchter Dialekt: das alles wird für gewöhnlich mit dem Montafon verbunden. Was macht dann das Wort “Golf” im Titel dieses Beitrages?

Ich hatte Ende September Gelegenheit, erstmals die Region zu besuchen und schreibe nun einfach auf, was mich in den wenigen Tagen dort überrascht hat.

Keine Autobahn verschandelt das Tal. Auch wenn es den Verkehr ab und an etwas langsam macht, bleibt also genug Platz für die recht schmale Talflur, Weiden, und nicht allzu dichte Bebauung, Die Natur ist also nah. Für manche gar zu nah. Denn, erste Überraschung, ein Hotelgast aus Köln, den ich fragte, ob es ihr hier gefalle, meinte “nicht so sehr”, die Berge seien zu nah und zu hoch.

Golf in der Region

Man kann in der Tat Golf spielen, gut sogar. Ich habe auf drei Plätzen gespielt, die unterschiedlicher nicht hätten sein können: dem GC Bludenz-Braz, dem GC Montafon in Schruns-Tschagguns und dem GC Silvretta, bei Partenen. [1]

Golfclub Bludenz-Braz

Klostertal

Der GC Bludenz-Braz[2] liegt im nahen Klostertal, etwa 20 Autominuten von Schruns entfernt. Diese 18-Loch Anlage ist hügelig und wies, als ich dort spielte, super-gepflegte Fairways und Greens auf, bietet eine zweigeschossige Driving Range sowie ein recht elegantes Clubhaus. Die grandiose Aussicht ist in der Greenfee mit inbegriffen, wie übrigens auch bei den anderen beiden Plätzen. Zu den Greenfees komme ich noch.

GC Bludenz-BrazEiner der Spieler, mit denen ich sprach, war offenbar nur tafelebene Plätze gewohnt, denn er meinte, nachdem sein Spielergebnis offenbar nicht so grandios, wie erhofft war, dass hier kein Ball je auf ebener Fläche liegen würde. Ich bin da anderer Meinung.GC Bludenz-Braz

Allerdings liegen etwa 180 Höhenmeter zwischen dem tiefsten und dem höchsten Abschlag; doch alles ist gut zu schaffen, zur Not halt mit Buggy. Was mich hier überrascht hat: es fand am gleichen Tag ein sehr gut besuchtes Turnier statt, dessen Erlös in die Förderung eines Jungstars floss, der dort Golf gelernt und gespielt hat und nun in den USA mit einem Golf-Stipendium studierte.

Golfclub Montafon

GC Montafon

Der GC Montafon[3] hat mich mehrfach überrascht. Zum einen liegt diese 9-Loch Anlage so nah am Ort Schruns-Tschagguns, dass man fast zu Fuss, oder auch mit dem Bus hin kann – auf jeden Fall in nur wenigen Minuten mit dem Auto. Zum anderen hat er mit 542 Metern (ab Abschlag “gelb”) das längste Par-5 in ganz Westösterreich (bis hin nach Salzburg). Dabei ist der Kurs insgesamt relativ kurz, und flach.

Weitere Überraschung: man kann dort mit einer Greenfee den ganzen Tag Golf spielen. Wer also nach einer Runde noch nicht müde ist, und noch nicht alle Bälle vor den Inselgrüns oder in einem der Biotope verloren hat, kann hier weitere Runden drehen, bis in der gemütlichen kleinen Clubstube (ein ehemaliger Stall) oder den draussen aufgestellten Tischen feste oder flüssige Nahrung lockt.

GC MontafonUnd noch eine Überraschung: die Benutzung der Driving-Range ist kostenlos. Nur für die Bälle muss man eine Münze in den Automaten stecken, und wer keine Schläger dabei hat, auch die werden gestellt.

Wen wundert es da, dass dieser Club allein 170 Fernmitglieder hat, zumeist aus der Schweiz oder Deutschland, und fast 3000 Greenfeespieler im Jahr.

GC Montafon
.. mit Morgentau

Dabei zahlen viele gar keine Greenfee, sondern kommen mit einem Voucher. Wie das? Nun, wie ich gelernt habe (es fällt wieder das Wort “Überraschung”), wer in einem von ca. 8 Partnerhotels in der Gegend von Schranz und weiteren Partnerhotels in der Gegend von Partenen wohnt, braucht für den GC Montafon und den GC Silvretta keine extra Greenfee zahlen.

Die sieben Golfplätze des Vorarlberg[4] sind überdies in einem Verbund zusammengeschlossen und geben sich gegenseitig gute Rabatte auf die Greenfees. Das nenne ich Golfer-freundliche Dienstleistung.

Golfclub Silvretta

GC Silvretta

Der GC Silvretta[5] hat mich auf andere Weise überrascht. Er liegt auf 1100 Meter Höhe bei Partenen, nicht weit von der Mautstation der Silvretta Hochalpenstrasse. Es ist ein sehr kleiner Club. Im Clubhaus mit seiner Terrasse machen wohl eher Motorradfahrer, Auto-Touristen und Wanderer Pause als Golfer. Dennoch gibt es hier eine 9-Loch Anlage, die man fast als naturbelassenen alpinen Links-Kurs bezeichnen kann. Wer mit der Nagelschere gepflegte flache Fairways erwartet, wird hier enttäuscht sein.

GC SilvrettaMitten in die Natur, zum Teil an Höfen und Scheunen vorbei, auf Gelände, das im Winter von Lawinen heimgesucht wird und auch nicht leicht als Weide- oder Bauland genutzt werden kann, wurden die Spielbahnen gebaut. Die Abschläge gehen zumeist bergauf oder bergab, die Grüns sind klein. Wer üblicherweise seine Bälle streut sollte genug Reserve dabei haben.

Dafür entschädigt der Club mit einer kostenlosen Driving Range (auch die Bälle werden momentan gestellt), und vor allem mit einem herrlichen 9.Loch. Dies ist ein wahres “signature hole”. Das Grün liegt hinter einer Natursteinmauer, die es zu überwinden gilt, vor dem Gufelstein, ein gewaltiger Felsen, der, in der Mitte gespalten, am Rande des Fairways thront.

Was mich sonst noch überrascht hat:

Die meisten Touristen im Montafon kommen aus der Schweiz und Deutschland, ein kleiner Teil auch aus dem Elsass und den Benelux Staaten, aber offenbar nur wenige aus Österreich.

Pfarrkirche Gaschurn
Pfarrkirche Gaschurn

Eisstöcke rutschen auch auf Asphalt. Im kleinen Ort Gaschurn war gerade 100-Jahrfeier des Ski-Clubs und der Vortag des Kirchenheiligen. Das Festzelt war direkt vor der schönen Dorfkirche aufgebaut und versperrte fast den Eingang. Und auf der Strasse versuchten Festgäste, die Eisstöcke (sie ähneln Curling-Steinen) in gerader Linie auf Nummernplatten zu schiessen. Das Festzelt verdeckte übrigens auch die “Tanzlaube”[6], ein überdeckter, zum Platz hin offener Pavillon und Begegnungsstätte. Früher soll es solche Holzkonstruktionen in jedem Dorf gegeben haben, nun gibt es im ganzen Gebiet offenbar nur noch zwei. Eine weitere sah ich übrigens in Luven, einem Dorf der Surselva, Graubünden, Schweiz.

Golfen im Schnee! Alle zwei Jahre veranstaltet der GC Montafon Ende Februar ein Turnier im Schnee. Auf dem Sonnenplateau oberhalb von Schruns werden mit der Pistenraupe 9 Spielbahnen planiert, jeweils ca. 80 bis 200 Meter lang. Die Löcher werden ausgefräst und sind wohl etwa grösser als auf einem sommerlichen Grün, und „out of bounds“ ist jeweils ausserhalb der planierten Strecken.

Kirchturm in SchrunsBis ins 15. Jahrhundert wurde im Montafon rätoromanisch gesprochen, ähnlich wie heute noch in Teilen Graubündens. Das erklärt, wieso die Orts- und Flurnamen alles andere als Deutsch klingen. “Piz” (wie bei “Piz Buin”) ist halt mit dem französischen “pic” (oder spanischen “pico”) verwandt.  “Zimba” heisst Spitze oder oben  (ähnlich dem frz. “cime” oder zB dem portugisierischen Wort for oben, “encima”) und so heisst auch der  2600m hohe Berg,  Herausforderung für manchen Bergsteiger. Er ist von Schruns aus zu sehen, und hat einem Geschäft seinen Namen gegeben sowie einem der besseren Hotels im Ort.

Und nun?

Die Montafon-Silvretta Region hat ihre ganz eigene Kulturgeschichte. Über Jahrtausende hinweg hielten sich Kelten, Römer und Rätoromanen, Hirten, Soldaten, Sennerinnen und Schmuggler in diesem Gebiet auf und nun vielleicht auch zunehmend Golfer.

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[1] Siehe auch mein Video auf https://youtu.be/fPpFvQV_Ytw
[2] gc-bludenz-braz.at
[3] golfclub-montafon.at
[4] vgv-golf.at/clubs/menü-id-224.htm
[5] www.golfclub-silvretta.at
[6] www.kulturatlas.at/aut_v/page/00011210.htm

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Gregor C. Heinrich

Autor Kurzvorstellung:

In Argentinien geboren, in 10 Ländern aufgewachsen und/oder gearbeitet, wohne ich seit vielen Jahren in der Schweiz. Reiseartikel schreibe ich seit ca 1988.

Hinweis: Dieser Beitrag wird regelmäßig von Mitgliedern der Reise-Stories Redaktion wie Heiner Sieger, Gerhard Fuhrmann und Jupp Suttner auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft. Falls Sie Anmerkungen zu diesem Beitrag haben, kontaktieren Sie bitte direkt hier die Redaktion.

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