Die Reise ins Feuerland, zur Terra di Fuego, nach Ushuaia, an die Südspitze des lateinamerikanischen Kontinents, zum Fitz Roy, zum Gletscher Perito Moreno, um nur wenige der Sehnsuchtspunkte zu nennen, macht man vermutlich nur einmal im Leben. Daher ist sie sorgfältig zu planen, will man nun als Backpacker, als Rucksacktourist, oder als natur- und kulturinteressierter Gast unterwegs sein, der auch am Ende der Welt nicht auf einen zivilisatorischen Mindeststandard verzichten will.
Wir waren mit der Firma Rotel Tours aus Tittling bei Passau unterwegs, mit der wir bereits eine Reise nach Island und gute Erfahrungen gemacht hatten. Rotel lobt sich, „weltweit unterwegs mit unseren Rollenden Hotels auf außergewöhnlichen Routen“ zu sein. Rotel Tours wurde 1945 von Georg Höltl gegründet und bezeichnet sich als „Pionier im Tourismus.“ Diesmal sollten wir mit einem solchen „rollenden Hotel“ unterwegs sein.
Eine Katastrophe – nicht mal eine Heizung
Es war, in einem Wort gesagt, eine Katastrophe, die vielleicht nur ein bezahlter Influencer oder ein gesponserter „Reisejournalist“ schön schreiben kann. Es fehlte in dem umgebauten Lkw der Komfort eines Reisebusses, und in dem Schlaftrackt, den er hinter sich herzog, war von einem Hotel keine Spur. Es war kalt und feucht wie in einer Katakombe oder wie in einem italienischen Stapelfriedhof, der wohl auch die Geschäftsidee für diese Art des Reisens gegeben hatte. Und die Aussage, so auch an Orte kommen zu können, wo es keine Hotels gibt, stimmte jedenfalls für diese Reise nicht. Denn überall, wo der Lkw hielt, gab es auch die Möglichkeit, am Ort oder in der Nähe ein Hotel aufzusuchen, was not- und krankheitsgedrungen immer mehr Teilnehmer taten. „Wir freuen uns über unseren neuen Bus! Mit dem Kennzeichen PA-PA 11 kommt der 20-Sitzer ab Herbst 2018 in Südamerika zum Einsatz“, hatte sich Rotel Tours bei Facebook gelobt. Und ein User hatte schlicht gefragt: „Wie macht Ihr das mit dem TÜV? Kommen die alle 2 Jahre mal nach Hause, oder ist das im Ausland egal?“ Jedenfalls ist der Lkw fünf Jahre später ohne Heizung und ohne Strom an den Sitzplätzen und in den Kojen eine Zumutung.
Ein entscheidender Punkt war jedoch die Reisezeit. Denn Ende November, Anfang Dezember ist hier in Patagonien der Frühling angesagt. Aber es kann genauso gut regnen oder schneien. Und den pfeifenden Wind, den muss man immer einkalkulieren. Natürlich gibt es einen Zusammenhang zwischen Reisezeit und Preis, ein Zocken mit dem Wetter, und das tut jeder Reiseanbieter. Rotel war unter den von uns geprüften der Preiswerteste. Aber da fast alle Mitglieder unserer 19-köpfigen Reisegruppe erkrankten, teilweise schwer, war dieser Preis zu hoch. 17 Tage kosteten mehr als 4.000 Euro, hinzu kamen die üblichen „optionalen“ Ausflüge. Alle anderen Pauschal-Anbieter waren 2-3.000 Euro teurer. Stellt man die Frage zurück, was einen die Realisierung eines Traums kosten darf, beschäftigen wir uns damit, was wir konkret sehen wollten, um diesem Traum einen Inhalt zu geben.
Klassische Patagonien- Reiseziele sind das Graham Land in der Antarktis, der Perito Moreno Gletscher, El Calafate, der Nationalpark Los Glaciares, der Torres del Paine National Park, Bariloche, die Drake Passage, der Puerto Madryn, die Tierra del Fuego (der Nationalpark Feuerland), die Magellanstraße, Ushuaia, Punta Arenas.
Sich Buenos Aires, die Hauptstadt Argentiniens, anzusehen Rotel ließ seinen Gästen wenig Zeit, weder auf der Hin- noch auf Rückfahrt, außer einer gehetzten Stadtrundfahrt am Tag vor dem Rückflug. Dann ging es nach Ushuaia, San Sebastian, Punta Arenas, Paine Nationalpark, El Chalten (Fitz Roy), Calafate, Perito Moreno, Flug nach Buenos Aires und zurück nach Europa. Insgesamt betrug die Reisedauer 17 Tage. Es gab keinen Standort, an dem nicht Betten in Hostels oder Hotels erreichbar gewesen wären. Die Kombination aus Bus und Hotel war also auf dieser Reise völlig überflüssig. Sie ging zu Lasten des Komforts während des Fahrens und der Gesundheit des Nachts.
Sich Buenos Aires, die Hauptstadt Argentiniens, anzusehen Rotel ließ seinen Gästen wenig Zeit, weder auf der Hin- noch auf Rückfahrt, außer einer gehetzten Stadtrundfahrt am Tag vor dem Rückflug. Dann ging es nach Ushuaia, San Sebastian, Punta Arenas, Paine Nationalpark, El Chalten (Fitz Roy), Calafate, Perito Moreno, Flug nach Buenos Aires und zurück nach Europa. Insgesamt betrug die Reisedauer 17 Tage. Es gab keinen Standort, an dem nicht Betten in Hostels oder Hotels erreichbar gewesen wären. Die Kombination aus Bus und Hotel war also auf dieser Reise völlig überflüssig. Sie ging zu Lasten des Komforts während des Fahrens und der Gesundheit des Nachts.
Schlafplätze feucht und kalt
Der Rotel-Bus, der ein umgebauter Lkw war, bestand aus den Bereichen Sitzplätze, Schlafplätze, Fahrerkabine, Küchentrakt. Die Schlafplätze entsprachen nicht den klimatischen Verhältnissen an den Orten der vereinbarten Reise. Abgesehen von der gegebenen Enge waren sie feucht und kalt, und dies in gesundheitsschädigender Weise. Die Reiseleitung, Angelika, wurde umgehend über die auftretenden Krankheitsfälle informiert. Die Reaktion reichte von „einige haben sich wohl mit dieser Reise übernommen, dabei ist es eine Pipi-Reise“, bis man sollte sich „zusammennehmen“. Eine professionelle Reaktion, insbesondere eine Absprache mit einer anwesenden Ärztin unterblieb, obwohl der „Sicherungsschein für Pauschalreisen“, der dem Reisenden ausgehändigt wurde, feststellt, dass Rotel-Tours „zum Beistand verpflichtet ist, wenn sich der Reisende in Schwierigkeiten befindet“. Das war bei fast allen der Fall.
Kein Interesse der Reiseleitung an Gesundheit der Reiseteilnehmer
Die Reiseleitung zeigte indes generell keinerlei Interesse für die Rotel-Gäste. Eine Vorstellungsrunde unterblieb ebenso wie der Versuch, aus einzelnen Reisenden eine Gruppe zu formen. Die Mitarbeiterin trug zu den geographischen Attraktionen Wikipedia-Wissen vor. Der Versuch, zu der Bevölkerung Kontakt aufzunehmen, Verständnis zu bekommen für die Zivilisation, die Geschichte und die Kultur des Landes etwa durch den Besuch einer Estancia, unterblieb. Gerade in den Estancias trifft man aber das Erbe der Kolonisatoren. Oft leben und arbeiten die Nachfahrer derer noch, die sich seit ihrer Ankunft mit der harten Umwelt auseinandergesetzt haben, die oft auch die Ureinwohner gemordet und den Aufstand der Gauchos haben niederschlagen lassen. In dem „Buch von Patagonien“ von Juan Manuel Herrera Traybel und in den Erzählungen von Bruce Chatwin „In Patagonien“ finden sich viele Anregungen. Eine Empfehlung, das Museum in Ushuaia zu besuchen, war zwar sinnvoll, genügte aber nicht. Das, was geboten wurde, war primär eine Busfahrt. Bilder durch die Scheibe, die auch eine TV-Dokumentation geboten hätte, zudem angenehmer, und nach Minuten bemessene Foto-Termine machten dieses Manko nicht wett.
Exkursionen organisierte sie, Angelika zeigte aber ihr Desinteresse dadurch, dass sie selbst fernblieb.
Bereits ab dem ersten Tag der Reise gab es einen akuten Brech-Durchfall, welcher bei einem Passagier zu einer Synkope führte. An den darauf folgenden Tagen erkrankten mindestens vier weitere Passagiere. Zum Ende der Reise waren fast alle Gäste einmal mehr oder weniger ernsthaft erkrankt. Mehrere Gäste zogen sich Erkältungskrankheiten zu. Der verantwortliche Kraftfahrer Markus sowie die Reiseleitung wurden umgehend über die bestehenden Mängel und potentiellen gesundheitlichen Schäden informiert. Die Verantwortlichen beantworteten die Notwendigkeit einer alternativen Unterbringung als „nicht machbar.“ Viele Gäste riskierten ihr Leben dadurch, dass sie erkrankt trotzdem in den engen, feuchten und kalten Kojen die Nächte zubringen mussten, wenn sie nicht die Möglichkeit hatten, auf Hotels auszuweichen.
Viele Gäste mussten ihr Leben riskieren
Der Busfahrer erschien von der Doppelrolle als Fahrer und Koch völlig überfordert. Die Bitte, für eine Übernachtung im Sitzbereich des Busses, um die kalte und feuchte Schlafkabine zu vermeiden, den Bus aufzuwärmen, wurde abschlägig beschieden.
Als die Ärztin für einen Gast, um heißes Wasser bat, um ein Medikament vorzubereiten, wurde sie abgewiesen. Als ein anderer Gast Markus wegen dieser unterlassenen Hilfeleistung zur Rede stellte, wurde ihm gesagt: „schleich dich!“
Die Bitte einer Reisenden um glutenfreie Ernährung wurde ebenfalls abgeschlagen. Mit dem Risiko einer gesundheitsschädigenden Ernährung wurde sie alleine gelassen. Reisende, die sich nicht an Auf- und Abbauarbeiten beteiligten, wurden als „faul“ beschimpft.
Zur Vermeidung weiterer Risiken für Leben und Gesundheit wählten einige Reisende die Übernachtung in einem Hotel oder Hostel und zahlten diese selbst. Andere schlossen sich dieser lebensrettenden Alternative an. Auf die von dem Fahrer ausgegebene Kost wurden wegen hygienischer Bedenken von einigen verzichtet.
Was wäre die Alternative gewesen? Neben den klassischen Pauschalreiseanbietern, inklusive Flug von Europa nach Argentinien, bieten sich lokale Agenturen und Organisatoren an. Das bedeutet, man plant, eventuell mit Hilfe eines Reisebüros eine Grundstruktur bestehend aus den Flugreisen zu den Flughäfen Buenos Aires, Ushuaia und Calafate. Von dort aus organisiert man mit Hilfe lokaler Firmen die Ausflüge zu den Zielen, die man für sich vorher definiert hat. Man fährt dorthin in Kleinbussen und übernachtet, je nach Geldbörse, in Hostels oder Hotels.
So entstehen maßgeschneiderte Kleingruppenreisen, in denen, wenn vielleicht auch teurer, der Genuss an den Schönheiten des Landes und nicht der Kampf ums Überleben im Vordergrund steht.
An Rotel Tours wurde – auch als Anregung für Verbesserungen – eine „Mängelrüge“ geschickt. Darauf wurde jedoch in Tittling nicht reagiert.
BU: Das “rollende Hotel” von Rotel, Foto: hhh