Luxemburg

Luxemburg. Vom Gibraltar des Nordens zur Wiege Europas

Kleinstädtisch oder kosmopolit, multikulturell oder malerisch verträumt? Zwischen Weltstadtflair beim Mittagessen im eleganten Casino „Bourgois“ mitten in der Oberstadt und der dörflichen Idylle in der Unterstadt überrascht Luxemburg mit unerwarteten Gegensätzen. Das Zentrum der kleinen Hauptstadt, in der große Politik gemacht wird, thront auf einem Kalkfelsen. Zu Füßen des Felsens haben sich zwei Flüsse, die Alzette und der Petrusse, über Jahrtausende tief in das Gestein gefressen und so der Stadt zwei Gesichter gegeben.

Lea LInster Restaurant mit Stahlfassade | Renate Wolf-Goetz

In der Oberstadt pulsiert das Leben. Ein guter Ausgangspunkt ist der Place Guillaume II. mit seinem Wochenmarkt. Hier trifft man sich zum Einkaufen und Plaudern oder einfach auf ein „Kippchen“. Das sei meistens ein feiner Crémant, erklärt Brigitte. „Aber ohne „Knippchen“ kein „Kippchen“, lächelt unsere Begleiterin. Als Häppchen zum Schaumwein empfiehlt sie Leckereien in lokaler Variante wie Gromperekichelcher, also Minikartoffelpuffer mit Letzebuerger Geméis (Gemüse), eine „Rieslingpaschteit“ (Pastete) oder Fritures de la Moselle, knusprig gebratene Fischchen aus der Mosel. „Wir legen viel Wert auf gutes Essen“, betont Brigitte.

 

Europäische Geschichte en miniature

An den Marktständen auf dem Knuedler, wie die Einheimischen ihren Place Guillaume, auf deutsch Wilhelmsplatz, nennen, wird dreisprachig diskutiert. Manchmal wechseln die Leute sogar mitten im Satz von luxemburgisch zu französisch oder deutsch. Die Bezeichnung „Knuedler“ für den Marktplatz der Altstadt lässt sich allerdings in keine der drei Sprachen übersetzen. Damit sei der Knoten der Kordeln gemeint, die sich die Franziskaner im Mittelalter um ihre Kutten gebunden haben. Der Klerus, der Jahrhunderte neben Adel und Kaufleuten in der Oberstadt auf dem Bockfelsen siedelte, hat viele Spuren hinterlassen. Dazu gehören die vielen historischen Gebäude verschiedener Epochen und Stände. Europäische Geschichte en miniature gleichsam. Burgunder und Habsburger, Spanier, Franzosen und die Preußen, alle Eroberer haben die kleine Hauptstadt Luxemburg, die knapp 110.000 Einwohner zählt, auf ihre Art geprägt. Mit ihrem Stilmix aus gotischen und barocken, Renaissance- und Jugendstil-Fassaden deuten die noblen Bauten der mondänen Shoppingmeilen „Grand Rue“ (Groussgaas) und „Rue Beaumont“ darauf hin, dass hier von jeher Adel und Geldadel ansässig war.

Wachablösung vor dem Großherzoglichen Palast | Renate Wolf-Goetz

Rund um die dreitürmige Kathedrale „Unserer Lieben Frau von Luxemburg“ schlägt das politische Herz des letzten Großherzogtums in Europa. Der Großherzog (seit 2000 führt Henri von Nassau das Amt) ist Oberhaupt des demokratischen Staates in Form einer parlamentarischen Monarchie. Vor seiner Residenz setzt sich der Wachmann zu jeder vollen Stunde höchst zeremoniell zur Ablösung in Bewegung. Mit Pomp und Glamour habe das nichts zu tun, meint Brigitte. Im beschaulichen „Letztebuerg“ gibt es keine Berührungsängste. Wenn der Großherzog in seiner Limousine mit Krone im Kennzeichen in die Hofeinfahrt seines Amtssitzes einbiegt, hört man von den Einheimischen vielleicht ein beiläufiges „Ah, Henri kommt“. Das klingt eher vertraut als ehrfürchtig. Auch im schicken Café „Chocolate House“ der Starköchin Léa Linster, einen Steinwurf vom Schloss entfernt, wirft man eher einen Seitenblick auf den UN-Generalsekretär, wenn er samt Entourage vorbeiläuft. Hier gehört die ganze Aufmerksamkeit den verführerischen Törtchen und Madeleines, einer Leidenschaft von Léa Linster.

 

Der Graf von Luxemburg

In keiner anderen europäischen Stadt spürt man das internationale Miteinander so hautnah wie im kleinen Letzebuerg. Schon wegen der Vielzahl an internationalen EU-Instituten, allen voran der Verwaltungssitz der Europäischen Union, der Sitz des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und der Europäische Rechnungshof, leben und arbeiten hier Menschen aus zahlreichen Nationen. In der einstigen Trierer Abtei St. Maximin, wo heute das Außenministerium residiert, hat Graf Siegfried I. Luxemburg vor über tausend Jahren gegründet. Marschall Vauban baute die Stadt im 17. Jahrhundert zur stärksten Festung Europas aus. Bis zu 40 Meter tief ließ er Kasematten zum Schutz für die Soldaten samt Tross und Arsenal in den Fels schlagen. Im „Gibraltar des Nordens“ sind noch 17 der einst 23 Kilometer langen Galerien erhalten.

Blick auf die unteren Stadtviertel | Renate Wolf-Goetz

Unterhalb der Kasematten gibt sich Luxemburg dörflich-idyllisch. Die verträumten Gassen, Winkel und Gärten in den Unterstadtvierteln Clausen, Grund und Pfaffenthal am Ufer der Alzette sind heute begehrt als Wohn- und Erholungsgebiet. Früher hatten sich Handwerker in den unteren Stadtteilen niedergelassen. Da spielte auch die Gottesfürchtigkeit eine Rolle. In einer der schönsten Stilkirchen aus dem frühen 18. Jahrhundert im Ortsteil Grund entdecken wir ein sakrales Kleinod in Form einer mittelalterlichen „Schwarzen Madonna“. Bevor es dann auf ein Glas Moselwein in eine der beschaulichen Gartenwirtschaften im Pfaffenthal geht, werfen wir in Clausen noch einen Blick in das Geburtshaus von Robert Schumann.

 

Die Wiege Europas

Mit dem provisorischen Sitz der europäischen Gemeinschaft (EG) für Kohle und Stahl hat Luxemburg 1962 die große weltpolitische Bühne betreten. Die EG richtete sich auf dem Kirchberg-Plateau am Stadtrand ein. Aus der „Wiege Europas“ wurde das Verwaltungsghetto der EU-Behörden mit Gerichtshof, Rechnungshof und Investitionsbank. Zwischen den banalen Plattenbauten der Administration beeindrucken Renommiergebäude internationaler Architekturgrößen. Mit seinem Megamix aus Politik, Kultur und Wirtschaft – 140 Banken aus 24 Nationen zeigen auf dem staatstragenden EG-Hügel Flagge – lockt der Kirchberg inzwischen auch als Wohnviertel.

Philharmonie auf dem Kirchberg | Renate Wolf-Goetz

Mittelpunkt auf dem Kirchberg ist der Europaplatz, auf dem sich die avantgardistische Philharmonie wie eine überdimensionale Harfe ausbreitet. Den kühnen Plan für den 2005 eröffneten Musiktempel hat sich der Franzose Christian de Portzamparc ausgedacht: 823 weiße, als Bäume stilisierte Säulen fassen die Fassade des elliptisch gestylten Foyers ein. Nicht weniger spektakulär wirkt das „Museum of Modern Art, kurz Mudam, nach den Plänen des amerikanischen Architekten mit chinesischen Wurzeln, Ieoh Ming Pei. Der Meister herausragender Museumsbauten hat den futuristischen Neubau behutsam in die historischen Elemente des benachbarten „Fort Thüngen“ aus dem 18. Jahrhundert eingebettet. Die lichtdurchflutete „Grand Hall“ aus Glas und honigfarbenen Kalkstein ist Ausgangspunkt für die Ausstellungsräume, in denen eine Vielfalt an zeitgenössischer Kunst gezeigt wird.

Restaurant in der Mudam Lichthalle | Renate Wolf-Goetz

Mit ihrem vielfältigen Kulturangebot braucht sich die kleine Landeshauptstadt hinter den großen Metropolen nicht zu verstecken. Luxemburg konnte allerdings nicht immer derart aus dem Vollen schöpfen. Eine Stahlkrise hatte das Land kalt erwischt. Vor gut 30 Jahren ging im letzten der 35 Hochöfen, die bis dahin auf Hochtouren Eisenerz geschmolzen hatten, das Feuer aus. Damit wurde es ruhig in Esch-Alzette, dem wichtigsten Standort der Montanindustrie im Süden des Landes. „Das war eine riesige Herausforderung“, sagt Rolo Fütterer. Nach kurzem Stillstand hieß es Ärmel hochkrempeln und einen Masterplan schaffen. „Wir haben hier eines der größten städtebaulichen Entwicklungsvorhaben Europas umgesetzt“, betont der leitende Architekt des ehrgeizigen Projekts. Rund um die beiden zuletzt erloschenen Hochöfen ist der neue Stadtteil Belval gewachsen. Die Industriebrache von einst ist jetzt Museumspark zwischen grün eingebetteten Ruhezonen, Neubauten zum Wohnen und Arbeiten, Forschung und Freizeitzentren sowie Raum für Start-Up-Teams und nicht zuletzt dem monumentalen Rockpalast „Rockhal“. „Hier verschmelzen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu einem neuen Lebensgefühl“, ist Fütterer überzeugt.

Stollenbahn der Mine Rumelange |Renate Wolf-Goetz

 

Land der roten Erde

Mit der Stahlkrise kam nicht nur für die Hochöfen das Aus. Auch die Eisenerz-Stollen im „Land der Roten Erde“ mussten ihre Schotten dicht machen. Heute rattert die Stollenbahn in Rumelange mit Besuchergruppen ins Innere der Mine. „Vor knapp 60 Jahren sind hier noch Arbeiter zu ihren 12-Stunden-Schichten eingefahren“, erzählt Wolfgang Wagner. „Ein Hauer und ein Schlepper, das war immer ein Team“, sagt der Lehrer, der in seiner Freizeit ehrenamtlich Besucher durch die Mine führt. Harte Arbeit für wenig Geld sei das damals  gewesen. Rund acht Franc habe ein Arbeiter im Monat verdient. Arbeitskleidung und die Hacke musste jeder dafür noch selbst kaufen. Trotz der harten Bedingungen kamen Gastarbeiter aus Portugal, Italien und Deutschland. Für alle sei genügend Arbeit dagewesen, als der Eisenerzabbau um die vorletzte Jahrhundertwende seinen Höhepunkt erreicht hatte.

Luxemburg. Vom Gibraltar des Nordens zur Wiege Europas
Industriemuseumspark in Esch Belval | Renate Wolf-Goetz

„In unserer Region hat jeder Wurzeln in der Stahlindustrie“, sagt Lynn Reiter vom regionalen Tourismusbüro. Mit einer neu aufgelegten „Minett-Tour“ können Besucher auf mehrtägigen Wander- oder Radtouren in fünf Stationen die Industriegeschichte des kleinen Landes zwischen Mosel und Ardennen hautnah erleben wie etwa in Belval oder in der Mine Rumelange . „Minett“ solle aber nicht als Verniedlichung verstanden werden, betont die Touristikerin: „Vor dem Ersten Weltkrieg hat Luxemburg zu den zehn weltgrößten Roheisen- und Eisenerz-Produzenten gezählt“. Kaum zu glauben, wenn man in Belval den Blick von der 40 Meter hohen Plattform des Museumshochofens über die grüne Landschaft mit ihren rötlich schimmernden Hügeln schweifen lässt.

Renate Wolf-Götz

 

Informationen
www.visitluxembourg.com

 

Anreise
LuxAir fliegt ab München, Berlin und Hamburg

 

Übernachten

In Luxemburg Stadt: Melia Hotel
www.melia.com

In Belval: Ibis Hotel
www.ibis.com

 

Besichtigen
Hochofenfest in Belval mit Führungen und Konzerten – erstes Juliwochenende

Nationales Minenmuseum Rumelange
www.mnm.lu

Minettpark, Fond-de-Gras
www.minettpark.lu

 

Tipp
Mit der Luxemburg Card ist der Eintritt in einige Museen sowie Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln gratis

 

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Hinweis: Dieser Beitrag wird regelmäßig von Mitgliedern der Reise-Stories Redaktion wie Heiner Sieger, Gerhard Fuhrmann und Jupp Suttner auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft. Falls Sie Anmerkungen zu diesem Beitrag haben, kontaktieren Sie bitte direkt hier die Redaktion.

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