Karneval der Chöre in Cadiz

von Udo Haafke

Cadiz ist eine alte Stadt, wohl eine der Ältesten der Welt. Schon weit vor Beginn der modernen Zeitrechnung nämlich erkannten die Menschen die strategisch günstige Lage am schmalen maritimen Übergang zwischen Atlantik im Westen und Mittelmeer im Osten. Über die Jahrtausende bekam der Ort in Andalusien am Südwestzipfel Spaniens diverse Befestigungen, von denen auch heute noch immer wieder einmal hochinteressante Relikte auftauchen. Phönizier, Karthager, Römer, Westgoten, Mauren – sie alle hinterließen ihre Spuren. Viele davon sind im Cadiz Museum zu bestaunen, spannende Geschichten verbergen sich hinter den teils beeindruckenden Funden. Einstmals zu sehr viel Wohlstand gekommen, verarmte Cadiz. Doch diese Armut war, im Nachhinein betrachtet, ein wahres Glück: während andernorts die ökonomische Aufbruchsstimmung mit dem Abbruch von Traditionen und wertvoller, weil bedeutsamer Bausubstanz einherging, blieb Cadiz in seinem markanten Aussehen aus der Zeit zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert nahezu vollständig erhalten.

So ziehen alljährlich Karnevalisten durch teils abenteuerlich schmale Gassen in der Altstadt, versammeln sich auf den kleinen Plätzen, umrahmt von drei- und viergeschossigen Gebäuden mit zauberhaften kleinen Balkonen und oft hohen Fensterfronten. Manchmal überragt gar ein kleiner Turmbau das Hausdach. Noch mehr als 120 davon bieten beste Aussichten über das Stadtgebiet und das Meer. Doch die an den tollen Tagen feiernden Andalusier sind mit ihren Gedanken natürlich nicht bei den groben Sandsteinfassaden aus einer kühnen, natürlichen Mischung von Muschelkalk und braunem Sand oder den ansprechenden Pastellfarben des darüber liegenden Putzes, nein, sie konzentrieren sich ganz auf ihre Lieder.

Den Kern des traditionsreichen Karnevals von Cadiz bilden nämlich die Chöre, die jedes Jahr neues Liedgut, die chingotas, produzieren. Begleitet von Gitarre und Mandoline, oft schlicht á capella, nehmen sie in ihren Texten satirisch, scharfzüngig und kritisch die aktuelle Lage der Welt, des Landes, der Regierung oder des spanischen Königshauses aufs Korn. Ein Traktorgespann mit großem Anhänger dient dabei als mobile, pyramidenartige Bühne, die sich langsam aber stetig durch die Stadt schlängelt und immer wieder stehen bleiben muss, damit die Melodien vorgetragen werden können. Jeder Chor besteht aus 30 bis 40 Teilnehmern, oft reine Männerchöre, die in uniformer weltlicher Maskerade ihren Gesang zum Besten geben. Der Symbolik sind keine Grenzen gesetzt, die einen treten als Napoleon mit ministerialem Gefolge auf, andere als Seeleute, Ritter, Punks oder ganz klassische Clowns, als Nonnen oder Bauarbeiter. Ein Mädchen- und Frauenchor trägt sogar die kleinen Wachtürme von Cadiz auf dem Kopf.

Wer des Spanischen nicht mächtig ist, hat jedoch Schwierigkeiten den vorgetragenen Inhalten zu folgen. Es gibt weder Untertitel noch Simultandolmetscher. Der Reaktion der Zuschauermenge nach sind die Stücke und Texte jedoch aufs Höchste unterhaltsam, bald schon wird mitgesungen, im Rhythmus geklatscht. Mit sorgfältig einstudierter, gestenreicher Choreografie intonieren die Damen und Herrn ihre Lieder und ernten ein ums andere Mal gewaltigen Beifall. Im Schneckentempo bewegt sich der Corso dann wieder etwas vorwärts, man wiederholt sein Repertoire gleich mehrfach und applaudiert auch den anderen Zugteilnehmern, die ja meist gleich nebenan singen, ohne sich dabei jedoch in die Quere zu kommen. An verschiedenen Stellen in der Altstadt von Cadiz sind die Gesänge zu hören, es schallt von überall her, die meisten Straßen, Gassen und Plätze sind voller fröhlicher Menschen, so manchem Gaukler und spielenden Kindern, die Scharmützel mit Unmengen von Konfetti austragen. Dennoch gibt es selbst in den Tagen bis zum Aschermittwoch immer wieder erstaunlich stille, einsame Wege und Straßenfluchten an deren Ende dann allerdings schon wieder das nächste Spektakel lockt, an dem Tenor, Bass und Bariton lauthals schmettern.

Neben den offiziellen, etwa 50 Chören auf den Wagen, gibt es noch eine Vielzahl sogenannter “illegaler“ Gesangsgruppen. Sie stehen in Toreinfahrten, am Rande der Plätze und Märkte und singen und spielen nicht minder lautstark und inhaltsschwer. So ziehen Vortragende und Publikum scheinbar ziellos umeinander, doch von Chaos keine Spur, es herrscht auf allen Seiten heitere Ausgelassenheit. Für die Zuschauer bieten fahrende Händler noch Last Minute Masken und Kostüme feil, meist in Form von bunten Hütchen, farbenfrohen Perücken oder Masken, die ein wenig an Venedig erinnern. Für das leibliche Wohl sorgen natürlich die Straßencafés, die Tavernen und Bodegas. Ein Phänomen der jüngeren Vergangenheit sind die kleinen Stände der Fischer, die frische Meeresfrüchte kredenzen. Schnecken, Austern, Muscheln oder Shrimps zum Knabbern aus der Tüte erfreuen sich höchster Beliebtheit. Ebenso die dunkelrot geräucherten Thunfischstücke.

Ganz ohne süd- und lateinamerikanische Klänge geht es aber dann auch in Cadiz nicht. Der große Umzug über die schnurgerade Avenida Andalucia, die auf das markante Stadttor und die Altstadt zuführt, trägt mehr den Charakter hinlänglich bekannter Karnevalsveranstaltungen. Musik- und Tanzgruppen auf und vor aufwändigen, teils monströsen Wagenkreationen bilden hier den Schwerpunkt. Internationale Unterhaltung ist angesagt, während die geräuschvolle Parade langsam in die Dämmerung, vorbei an dichtgedrängten Zuschauerreihen defiliert. Selbst eine Anlehnung an die Riten des kanarischen Karnevals ist erkennbar, denn die zauberhaft gewandeten Damen auf einem der Wagen erinnern sehr an Karnevals- oder Blumenkönigin. Gleichwohl werfen sie höchst ausgelassen keine Blüten sondern Unmengen von Konfetti in die begeisterte, selig vom bunten Papier beschneite Menge. Der Karneval gilt im Jahreslauf der Stadt Cadiz als das wichtigste Fest und wurde deshalb zum Kulturereignis von internationalem touristischen Interesse erhoben.

Information:

Allgemein www.spain.info/de/
Spanisches Fremdenverkehrsamt Frankfurt/Main, Myliusstr. 14 , 60323 Frankfurt/Main, Tel.: +49(0)69 72 50 33, Email: frankfurt@tourspain.es
Spanisches Fremdenverkehrsamt Berlin, Lietzenburger Straße 99, 10707 Berlin, Tel.: +49(0)30 882 65 43, Email: berlin@tourspain.es
Spanisches Fremdenverkehrsamt München, Schubertstraße 10, 80336 München, Tel.: +49(0)89 53 07 460, Email: munich@tourspain.es
Cadiz www.cadizturismo.com

Termin: Die Kernzeit des Karnevals findet vom 23. Februar bis 6. März 2019 statt. http://www.cadizturismo.com/carnaval-de-cadiz/?set_language=de

Anreise:
Am schnellsten erreicht man Cadiz von Deutschland aus mit dem Flugzeug. Der Flughafen der Sherry-Stadt Jerez de la Frontera liegt etwa 50 Kilometer entfernt. Während des ganzen Jahres bedient die spanische Iberia die Route täglich von vielen deutschen Städten über Madrid nach Jerez (Preis ab etwa EUR 250). Im Sommer gibt es auch einige Direktverbindungen.
Einige Mietwagenfirmen bieten ihre Leistungen am Flughafen zu sehr moderaten Preisen an (www.billiger-mietwagen.de). Das Parken in den unterirdischen Parkhäusern der Altstadt ist sehr kostspielig, die Parkmöglichkeiten innerhalb der Stadtmauern sind zudem sehr begrenzt. Ortunkundige sollten vermeiden in die engen, verwinkelten Gassen zu fahren. Vor dem Altstadtbereich kann mit etwas Glück in den Nebenstraßen einen kostenlosen Parkplatz ergattern.

Unterkunft:
Im Zentrum der Altstadt von Cadiz gibt es relativ wenige adäquate Unterkünfte. Empfehlenswert in etwa 40 Kilometer Entfernung das Hotel Elba Costa Ballena Beach nahe der Küste und umgeben von einigen, sehr guten Golfplätzen. Zimmerpreise je nach Saison ab EUR 90 inkl. Frühstück (www.hoteleselba.com). Eine Katamaranfähre von Rota fährt mitten in die Altstadt von Cadiz, da lässt sich auf die Mitnahme des Autos zum Stadtbummel verzichten, Preis für die Einzelfahrt ca. EUR 9 (www.catamaranbahiacadiz.es). Bestes Haus in Cadiz selbst mit toller Aussicht übers Meer ist das moderne Parador de Cadiz nahe des Leuchtturms, Preis ab EUR 180 (www.parador.es).

Essen und Trinken:
Während der Karnevalstage lohnt sich das in Tüten servierte leckere Fingerfood in Form frischer Meeresfrüchte zu probieren. Die kleinste Tüte kostet einen Euro. In den Bäckereien werden flache, kleine süße Küchlein serviert, die man ebenfalls auf der Hand isst. Beliebt und wahrscheinlich beste Straße zum Genuss typischer andalusischer Tapas ist die Calle Zorrilla durch die auch die Tapas Route (Ruta del Tapeo) führt. Für unter drei Euro gibt es hier ein Bier und eine kleine Köstlichkeit aus Fisch, Fleisch oder Gemüse. In der großen Markthalle mitten in der Altstadt besteht reichlich Gelegenheit die große Angebotsvielfalt von Land und Meer zu erkunden. Typisch für Cadiz auch das süße Mandelbrot Turrón.

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Autor Kurzvorstellung:

freiberuflicher Foto-Designer und Bildjournalist, Autor diverser Bildbände, Kalender und Reiseführer, Ausstellungen im In-und Ausland, freie Mitarbeit bei verschiedenen Tageszeitungen im Bundesgebiet.

Hinweis: Dieser Beitrag wird regelmäßig von Mitgliedern der Reise-Stories Redaktion wie Heiner Sieger, Gerhard Fuhrmann und Jupp Suttner auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft. Falls Sie Anmerkungen zu diesem Beitrag haben, kontaktieren Sie bitte direkt hier die Redaktion.

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