Von Käse aus Grauvieh-Milch bis Bier mit Lagrein: Beim FarmFood-Festival in Meran zeigen Südtirols Bäuerinnen und Bauern, wie Regionalität heute schmeckt – überraschend, herzhaft, lecker. Ein erfüllter Tag zwischen Gespräch, Genuss und gelebter Regionalität.
Bäuerliche Seele trifft höchste Kochkunst
Es ist kurz nach zehn Uhr vormittags. Deutsch-italienisches Stimmengewirr durchzieht das ehrwürdige Meraner Kurhaus. Der Duft von frisch aufgeschnittenem Speck und Käse liegt schon in der Luft. An den vielen Marktstände probieren die Besucher eingelegten Ziegenkäse, handgebrautes Bier aus alpinem Hopfen, Apfelsekt, Speck vom Wildschwein und Shiitake aus dem Heustadl. Hier treffen heute zwei Welten aufeinander: Die bäuerliche Südtiroler Seele und die kreative Kochkunst. 90 ausgewählte Direktvermarkterinnen und -vermarkter aus ganz Südtirol zeigen beim FarmFood-Festival 2025, wie spannend und vielfältig echte Regionalität sein kann. Und Südtiroler Köche kochen auf, was die Südtiroler Erde hergibt.












Organisiert wird das Festival vom Südtiroler Qualitätssiegel „Roter Hahn“ in Zusammenarbeit mit dem Merano WineFestival. Die Marke „Roter Hahn“ ist seit 1998 das Qualitätszeichen des Südtiroler Bauernbundes für bäuerliche Direktvermarktung, Urlaub auf dem Bauernhof, Bauernhofgastronomie und Handwerk vom Hof. „Wir wollen Vertrauen aufbauen und die Personen hinter den vielen traditionellen und innovativen Produkten zeigen“, sagt Dr. Hans Kienzl, Marketingleiter beim Südtiroler Bauernbund. „Wir bieten mit dem Festival eine Bühne, um Lebensmittelproduzenten mit Einheimischen und dem Lebensmitteleinzelhandel zusammenzubringen. Es kommen auch immer mehr Hoteliers und Gastronomen, die sich für die Produkte interessieren und diese in ihre Menüs einbinden. Davon profitieren auch die Gäste, erst recht, wenn die Hoteliers das an die Gäste kommunizieren und die Zusammenarbeit hervorheben.“

Echte Begegnung – vom Kuhstall bis zur Apfelsekt-Perlage
Im Gespräch mit Stefan Köhl vom Learnerhof in Deutschnofen wird klar, dass Käse nicht einfach ein Produkt ist. Es ist Philosophie. An seinem Stand funkeln Laibe von Bergkäse unter Lichtkuppeln. Vier von seinen zehn Sorten hat er mitgebracht, darunter den „Latemar“, einen monumentalen 40-Kilo-Bergkäse, gereift aus Milch vom seltenen Südtiroler Grauvieh. „Die Milch ist fettarm, aber intensiv – und das schmeckt man.“ Besucher dürfen wie an allen Ständen probieren, fachsimpeln, kaufen. „Es ist unser drittes Mal hier – ein Festival, das wirklich etwas bewegt und an dem unsere Arbeit verstanden wird.“

Nur ein paar Stände weiter schenkt Peter Thuile vom Sandwiesenhof in Gargazon Apfelsekt aus Braeburn-Äpfeln und einen Holundersekt aus. Und verrät, dass er auch mit Sekt aus weiteren heimischen Früchten wie Birnen und Johannisbeeren experimentiert. „Wir wollen, dass die Leute schmecken, was wir in unsere kleinen Welt mit Liebe machen – und es dann vielleicht sogar auf unseren Hof schaffen.“ Regionalität heißt hier nicht Rückzug, sondern Einladung.
Von Shitake-Pilze und Bier mit Lagrein
Andreas Kalser und Josef Obkircher vom alten „Hof im Thal in Aldein züchten dort in einem Heustadl Shiitake, Austernseitlinge und Löwenmähne – und bringen inzwischen mit der eigenen Marke „Kirnig“ zwei Tonnen Pilze pro Woche auf den Markt. „Kirnig steht für kernig und Vitalkraft“, erzählen sie. „70 Prozent unserer Produktion gehen an Südtirols Gastronomie. Wir sind zwar klein, aber schon auf vielen Gourmetkarten präsent.“

Auch Matthias Volgger vom Guggenbräu ist da – sein Bier reift in einem alten Mussolini-Bunker bei Jenesien, oberhalb von Bozen. Auf dem Festival stellt er sechs seiner mehr als 30 Kreationen vor, darunter ein Italian Grape Ale, gebraut aus Einkorn, zwölf eigenen Hopfensorten und verfeinert mit 25 Prozent Lagreintrauben. „Ich bin gelernter Biersommelier. Mein Ziel: Bier endlich als Speisebegleiter etablieren – das funktioniert am besten im Gespräch mit den Köchen.“ Mit einigen Gourmet-Restaurants entwickelt er bereits Menüs mit Bier-Begleitung.


Direkt, ehrlich, wild
Lukas Wallnöfer vom Hof am Schloss in Lichtenberg bringt Wildbret, Speck und Salami mit – von Tieren, die er selbst jagt. „Wir sind drei Jäger in der Familie. Was wir schießen, verarbeiten wir. Wild ist ehrlich – und die Leute schätzen das mehr denn je.“

Auch Robert Sinn vom Weingut St. Quirinus aus Kaltern setzt auf Herkunft: Seine Weine reifen ebenfalls teils in einem Bunker aus der Mussolini-Zeit. Mitgebracht hat er einen Pet Nat „Opera 24“ – überraschend frisch und wild. „Früher haben wir für die Benediktiner vom Tegernsee produziert. Heute wollen wir vor allem als nachhaltiger Familienbetrieb wahrgenommen werden.“ Sein Standnachbar ist Georg Fink vom 600 Jahre alten Ansitz Ronhof in Tramin. „Meine Frau ist die Kellermeisterin, ich bin der Landwirt“, erzählt er. „Wir bekommen hier Kontakte zu neuen Gastronomen, die wir von unserem Produkten überzeugen wollen.“ Mitgebracht hat er einen Südtiroler Weißburgunder, einen Südtiroler Gewürztraminer und einen süffigen Rose aus Vernatsch und Lagrein. Die erfreuen den Gaumen der Festival-Gäste auch schon am Vormittag.


Auch Digestive fehlen nicht auf dem Kulinarik-Festival: Martin Rastner vom Obst- und Weinbau Knöspele aus Brixen im Eisacktal, ist spezialisiert auf edle Brände. „Alle Früchte, die wir verarbeiten, kommen von unserem Hof. Wir haben 15 verschiedene Produkte von Fruchtbrände bis zum Trester, vom Zweigelt und Zwetschgen bis zum Kräuter und Nusseler. Und unser Apfel-Zirben-Brand, der ist ganz was Besonderes“, lacht er stolz.

Kochkunst trifft Löwenmähne – das Gala-Dinner der Extraklasse
Am Abend dann folgt noch ein kulinarischer Höhepunkt: Der Pavillon des Fleurs wird zur Bühne. Neun Spitzenköche aus ganz Südtirol zaubern aus den Produkten des Tages ein Menü, das in Erinnerung bleibt. „Keine Kompromisse – es kommt nur auf den Teller, was heute hier am Stand war“, betont Chris Oberhammer, Koch und Inhaber des Restaurants Tilia aus Toblach, das einen Michelin-Stern und vier Gault&Millaut-Hauben trägt. Sein Menü variiert täglich. Heute kocht er mit Wildhuhn, Frischkäse und fermentiertem Gemüse, morgen vielleicht mit Reh und Löwenmähne-Pilzen.

„Wir müssen endlich in der Gastronomie verstehen, dass Herkunft kein Trend, sondern unsere Verantwortung ist“, sagt der Mitinitiator des Festivals leidenschaftlich. „Und diese Veranstaltung bringt uns mit denen zusammen, die unsere Zutaten mit Herz produzieren. Wir haben zum Beispiel 20 verschiedene Sorten Kartoffeln in einer Gemeinde. Davon hat aber jeder Bauer nur ein paar 100 Kilo. Er könnte aber auch mehr anbauen, wenn er mehr Kunden in der Gastronomie finden würde. Das zu vermitteln, darum geht es hier auch.“



Das Ziel: mehr Nähe, mehr Wert
„Für viele ist das Festival ein kulinarischer Ausflug“, sagt Alberich Hofer, Landesbauernrat für die Bergregionen. „Für uns ist es auch ein Dialog. Wer einmal versteht, wie viel Arbeit in echter Lebensmittelproduktion steckt, der denkt beim Einkaufen anders.“
Und genau das ist es, was bleibt – ein Gefühl für Wert und Herkunft. Das FarmFood-Festival ist keine Messe im klassischen Sinn, sondern ein Marktplatz echter Begegnung. Für Gäste, für Köche, für Produzenten – und für eine Zukunft, in der regionale Qualität mehr zählt als globale Quantität.

ℹ️ Infobox: Was ist „Roter Hahn“?
Roter Hahn ist seit 1998 das Qualitätszeichen des Südtiroler Bauernbundes für bäuerliche Direktvermarktung, Urlaub auf dem Bauernhof, Bauernhofgastronomie und Handwerk vom Hof. Ziel war es, bäuerlichen Familienbetrieben in Südtirol eine starke Plattform zu bieten, um ihre Produkte und Dienstleistungen unter einem einheitlichen Qualitätszeichen zu vermarkten. Wer das Siegel sieht, bekommt Qualität mit Gesicht und Geschichte.
Mehr als 1.600 Betriebe sind Teil des Netzwerks, das vier zentrale Werte garantiert:
- Herkunftssicherheit: Alle Produkte stammen direkt vom Hof.
- Handwerkliche Verarbeitung: Vom Speck bis zur Marmelade – alles wird in kleinen Mengen mit großer Sorgfalt erzeugt.
- Nachvollziehbarkeit & Kontrolle: Jede Erzeugung wird regelmäßig geprüft.
- Regionale Identität: Nur was in Südtirol wächst und hergestellt wird, darf das Siegel tragen.
Die Recherche wurde unterstützt von Roter Hahn. Alle Fotos: Heiner Sieger
Mehr Informationen zu Südtiroler Kulinarik unter:
www.roterhahn.it
https://meranowinefestival.com/