Vom Bergell zur Bernina: Hotel Palazzo Salis und Gasthaus und Hotel Berninahaus

Bergdörfer_Europa

„Prego, prego, ein bisschen Honig auf das Kastanienbrot und dazu ein Gläschen Wein?“ Schwerlich können Besucher den zahlreichen lukullischen Angeboten widerstehen.

Vom Bergell zur Bernina – ein Besuch bei traditionsreichen Hotels

In Castasegna im Bergell ist das Kastanienfestival in vollem Gange. Für den nicht ganz billigen Rundgang erhält jeder sein eigenes Glas, als Hygiene-Maßnahme und Vermeidung von Plastik. Zuerst führt der Weg vorbei an Rauchhäusern. Hier trocknen Esskastanien, bevor sie später zu Mehl gemahlen werden. Aus manchen Schornsteinen raucht es. Strahlender Sonnenschein taucht die Bäume im größten zusammenhängenden Kastanienwald Europas in leuchtendes Gelb. Uralte Veteranen und Nachkömmlinge säumen den Wanderweg durch den Wald. Viel Pflege verlangt so ein Baum, bevor stachlige Früchte schmackhafte Maronen aus dem Innern der Schale freigeben. Sammeln ist strengstens verboten, die Bäume sind Privatbesitz. Entlang des Pfades werden allerhand Spezialitäten angeboten: Honig, selbst gebackenes Brot, Salami, Kastanien-Bier, Wein aus der Umgebung und natürlich auch Kastanien-Torte. Besteck und Teller sind aus Bambus, Plastik wird möglichst vermieden. Ein buntes Sprachengemisch ist zu hören: Schweizerisch, italienisch, rätoromanisch und noch ein weiterer Dialekt, der nur noch von einer kleinen Gruppe im Bergell gesprochen wird.
Soglio – wo Künstler und Gäste Inspiration finden © Rainer Hamberger
Moderne Koffer werden ratternd über mit Steinen gepflasterte Gassen gezogen. Nein, für Parkplätze und breite Straßen gibt es hier oben keinen Platz. Einst bahnten sich wohl Pferde-Fuhrwerke den Weg hinauf nach Soglio in 1090 Meter Höhe, das von Castasegna über einen Wanderweg erreichbar ist. Erst kam das nötige Baumaterial für den Palazzo Salis, dann die berühmten Gäste, die das Juwel im Bergell zu schätzen wussten. Im Rosengarten unter zwei Mammutbäumen sitzend schwärmt der aus Maloja stammende Maler Giovanni Segantini: „Soglio ist die Schwelle zum Paradies!“ Im Jahr 1894 zieht er mit seiner Familie in diese Gegend und verbringt die Wintermonate auf der Sonnenterrasse.
Soglio © Rainer Hamberger
Palazzo Salis im Dorfzentrum © Rainer Hamberger
Auch der 1875 in Prag geborene Dichter Rainer Maria Rilke mietete sich für zwei Monate im Palazzo Salis ein. „Ich bin der Verführung dieses Hauses ganz und gar erlegen“, notiert er. Besonders der leicht verwilderte Garten hat es ihm angetan: „Das ist mein Garten.“ Buchsbüsche gliedern das Terrain, dazwischen blüht es üppig bunt durcheinander. Die beiden Riesen-Bäume tragen zur Vorstellung einer verwilderten Ordnung bei. Rilke erwandert die Umgebung und diniert im seit 1876 genutzten Gasthaus des Palazzos, dort wo auch dem heutigen Besucher eine erlesene Küche in einem rustikal-gemütlichen Restaurant zwischen Antiquitäten geboten wird. Rilkes Werke haben überlebt, einer der wunderbaren Mammutbäume fiel bereits einer heimtückischen Erkrankung zum Opfer.
Historischer Speisesaal im Hotel Palazzo Salis

Historischer Speisesaal im Hotel Palazzo Salis

Familienspaß und Philosophie

Rauch steigt am Ufer auf. Kinder werfen Steine ins Wasser. Eltern bewachen die auf dem Grill bratenden Würste. Eine der vielen Schweizer Familien-Grillstellen am Silser See wird gerne in Anspruch genommen. Für Feuerholz ist gesorgt. Immer wieder ist ein Lagerfeuer nicht nur für Kinder faszinierend. Und in diesem Fall auch noch praktisch.  „Denn alle Lust will Ewigkeit!“ Lust wohl anderer Art wünschte sich der Philosoph Friedrich Nietzsche, der im Sommer 1879 erstmals das Engadin besuchte. Auch er fand die Gegend sehr inspirierend und verbrachte von 1881 bis 1888 die Sommer in Sils. Ein Gedenkstein mit Inschrift auf der romantisch im See gelegenen Halbinsel Chasté gedenkt seiner. Entlang des Silser und Silvaplaner Sees führen breite Wander- und Fahrradwege durch Lärchenwälder und geben immer wieder den Blick auf die Wasserflächen frei. Dort flitzen Kitesurfer über die Wellen und erheben sich immer wieder mit waghalsigen Sprüngen in die Lüfte.

Ein Pass mit vielen Möglichkeiten

St. Moritz ist ein Thema für sich. Wir lassen Juwelierläden und Luxus-Hotels hinter uns, und steigen am Bahnhof in den Bernina-Express. Bahnfahren ist in der Schweiz eine beliebte Fortbewegungsart. Zumal die Züge meist pünktlich und sehr gepflegt sind. Gemütlich geht es Richtung Berninapass, vorbei an dem malerischen Bergdorf Pontresina. Bekannt für seine Hotels aus der Belle Époque und den traditionellen Engadinerhäusern, teilweise mit kunstvoll verzierten Fassaden, ist der Ort allemal einen Rundgang wert. Von Pontresina aus geht es auf schattigen Waldpfaden auch ins südwestlich gelegene Rosegtal. Für den Rückweg kann man die gemütlichere Variante mit der Pferdekutsche wählen.   Allmählich ändert sich die Landschaft. Niedrige Latschen säumen die Gleise. Zwischendurch schimmert es rot: Die Alpenrosen stehen in voller Blüte. Es geht ständig bergauf, die Zugkraft der Maschine ist jetzt gefragt. Abenteuerliche Brücken werden überquert, Wasserfälle stürzen in die Tiefe. Ringsum Bergriesen, viele davon zwischen 3000 und 4000 Meter hoch.

Ein über 500 Jahre altes Traditionshotel an der Bahnstation

„Nein diese Hühner landen nicht auf der Speisekarte. Da wäre meine Tochter lebenslänglich mit mir beleidigt. Das Geflügel als Hauptgericht hier, die Mistkratzerle, die kaufen wir separat,“ erklärt der Gastgeber und Küchenchef Riccardo Cicognani. „Von den Hühnern draußen dürfen wir nur ihre Eier verwenden!“ Wir haben an der Bahnstation Bernina Suot auf dem Bernina-Pass in 2046 Meter Höhe den Zug verlassen. Nur wenige Minuten davon entfernt liegt das traditionsreiche Hotel. Das mit viel Holz im alpenländischen Stil ausgestattete Haus empfängt den Gast mit einer heimeligen Atmosphäre. 
Über Häuser am Fuße des Bernina-Passes gibt es Nachweise, die aus dem Jahr 1515 stammen. Sie entstanden damals im Zusammenhang mit dem Silberbergwerk und dienten vorwiegend landwirtschaftlichen Zwecken. Doch gab es schon zu der Zeit eine Unterkunftsmöglichkeit. Unterwegs zu den Silberminen legten Fuhrleute hier eine Pause ein. Eine Rast- und Pferdewechselstation mit Übernachtung fanden Reisende entlang des Säumerweges zwischen Puschlav und Oberengadin. Die Schweizer Post richtete 1882 hier eine Poststelle ein.
Im Jahre 1908 nahm die Berninabahn ihren fahrplanmäßigen Betrieb auf. Bereits vier Jahre später trafen erste ausländische Gäste aus Barcelona, London, Paris und Hamburg ein, wie aus dem Hotelbuch ersichtlich ist.  Das im Engadiner Stil aus Stein erbaute Haus liegt nicht nur mitten in einem Wandergebiet mit zahlreichen Möglichkeiten die alpine Flora zu erkunden. Die Haltestelle der Rhätischen Bahn und des Berninaexpress ist fast gegenüber dem Hotel.
Die Rhätische Bahn auf dem Weg nach Italien © Rhätische Bahn - Kreisviadukt in Brusio 
Nur wenige Gehminuten entfernt führen Bergbahnen auf die 2959 Meter hoch gelegene Lagalb, oder auf die Diavolezza, 2973 Meter hoch. Hier lassen sich nicht nur atemberaubende Ausblicke genießen. Geübte Bergsteiger starten ihre Touren in dieser Höhe. Es ist Abend geworden. Alpinisten kommen zurück von den Gipfeln mit schweren Rucksäcken, an denen noch Steigeisen und Seile baumeln. Jetzt ist Zeit für ein fantasiereiches Abendessen, ganz gleich ob es Mistkratzerle, Forellen oder Steaks sind. Über den umliegenden Bergen färbt sich der Himmel rot. Draußen ist nochmals das Tuten der Bahn zu hören. Es muss wohl die letzte Fahrt sein. Nach 21 Uhr fährt sie nicht mehr. Die Gäste sitzen noch bei einem Glas Wein zusammen und tauschen Erlebnisse aus. Hier oben über 2000 Meter kommt man sich schnell näher.

Text: Monika Hamberger 
Fotos: Rainer Hamberger, Gasthaus und Hotel Berninahaus, sowie Palazzo Salis und Rhätische Bahn

DETAILS ZUR STORY

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© Palazo Salis

Hotel Palazzo Salis

Die beschriebenen Hotels liegen im Einzugsbereich des Oberengadins im Kanton Graubünden der Schweiz und gehören derselben Familie.  Der im 17. und 18. Jahrhundert erbaute Palazzo Salis in etwa 1000 Meter Höhe mit seiner über 140-jährigen Geschichte als Hotel seinem zauberhaften Ambiente, sowie seiner prächtigen, historischen Gartenanlage, gehört zu den Wahrzeichen des Bergells. Abseits der hektischen Welt und im Herzen der imposanten Berge des Val Bregaglia liegt das historische 1630 erbaute Hotel Palazzo Salis mit seinen 16 verzauberten Zimmern und seinem gemütlichen Restaurant; Sommersaison ist zwischen dem 1. April und 31. Oktober.

  • Plazza 2, CH-7610 Soglio
  • historisches 1630 erbautes Hotel
  • ab ca. 343 € pro Nacht (2 Pers.)
Im Arvenholzrestaurant des Gasthaus und Hotel Berninahaus

Im Arvenholzrestaurant des Gasthaus und Hotel Berninahaus

© Hotel Berninahaus

Gasthaus und Hotel Berninahaus

Abseits der hektischen Welt und im Herzen der imposanten Berge des Bernina-Passes, liegt das historische Gasthaus und Hotel Berninahaus. Dieses wurde im Jahre 1515 erbaut und 2006 mit seinen 24 Zimmern und Restaurant liebevoll und vollständig renoviert. Sommersaison ist zwischen 4.Juni und 22. Oktober 2022. Das Hotel liegt nahe einer Station der Rhätischen Bahn, bzw. des luxuriösen Berninaexpress, die den Berninapass bis hinunter nach Italien ganzjährig befahren.
Gemütliches Zimmer im Gasthaus und Hotel Berninahaus

Gemütliches Zimmer im Gasthaus und Hotel Berninahaus

  • Bernina Suot 3, CH-7504 Pontresina
  • Sommer- und Wintersaison
  • ab ca. 224 € pro Nacht (2 Pers.)

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Bildrechte zum Titelbild: © Rainer Hamberger

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Rainer Hamberger

Autor Kurzvorstellung:

Monika und Rainer Hamberger haben alle Erdteile mehrfach besucht zwischen dem 80. Breitengrad im Polargebiet, bis hinab zur Antarktis. Rainer hat über 12 Bildbände aus 5 Erdteilen herausgegeben. Es liegen ihnen Reiseziele besonders, wo authentische Erlebnisse möglich sind. Er ist meist der Fotograf, während Monika für die Texte verantwortlich zeichnet. Ihre Reportagen erschienen in den großen deutschen Zeitungen, sowie bei DuMont, Baedeker, Merian, Geo-Spezial und anderen Magazinen. Bei Reise-stories sind sie seit 6 Jahren Autoren.

Hinweis: Dieser Beitrag wird regelmäßig von Mitgliedern der Reise-Stories Redaktion wie Heiner Sieger, Gerhard Fuhrmann und Jupp Suttner auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft. Falls Sie Anmerkungen zu diesem Beitrag haben, kontaktieren Sie bitte direkt hier die Redaktion.

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