Fränkische Schmuckkästchen: Advent in Dinkelsbühl und Rothenburg ob der Tauber

Wer in die mittelalterlichen Kulissen von Dinkelsbühl und Rothenburg ob der Tauber eintaucht, fühlt sich in eine längst vergangene Zeit versetzt. Besonders stimmungsvoll zeigen sich die romantischen Altstädte in der Adventszeit. 

Leise rieselt der Schnee über das abendliche Dinkelsbühl. Es ist bitterkalt. Das hält Richard Kirchner nicht davon ab, in seinem historischen Nachtwächtergewand Richtung Marktplatz aufzubrechen. Hier wartet eine kleine, dick eingemummte Besuchergruppe, mit der er, das Horn um den Hals, Laterne und Hellebarde in den Händen, bei Glockenschlag neun seinen Rundgang startet. Über schmale Gehwege geht es durch verwinkelte Gassen, vorbei an bunten Häuserfassaden mit handbemalten Schriftzügen. Alles wirkt wie eine große Puppenstube. Bevor die Glocke zehn schlägt, bläst der beflissene Nachtwächter zum Zeichen der beginnenden Nachtruhe in sein Horn.

Ihr Kinderlein kommet

Am nächsten Morgen herrscht geschäftiges Treiben in dem überschaubaren Städtchen. Im historischen Spitalhof werden letzte Vorbereitungen zur Weihnachtsmarkteröffnung getroffen. Am späten Nachmittag ist es soweit. Zum Auftakt stimmt der Kirchenchor „Ihr Kinderlein kommet“ an und erinnert damit an den unvergessenen Christoph von Schmid, der das weithin bekannte Weihnachtslied einst hier in seiner mittelfränkischen Heimatstadt komponiert hat. Im Münster St. Georg wurde der große Sohn der Stadt mit einem Denkmal verewigt.

Das Augenmerk fällt in der Weihnachtszeit indessen auf die raumgreifende Weihnachtskrippe, die eine kleine Gruppe Handwerker in ehrenamtlicher Arbeit alljährlich gestaltet. Unermüdlich werkeln und basteln die Enthusiasten bis die Weihnachtsgeschichte in der Szenerie der Dinkelsbühler Altstadt detailgetreu dargestellt ist. In den einzelnen Szenen werde die bewegte Geschichte der Stadt nachempfunden, sagt der Handwerksmeister, der den Krippenbau initiiert hat. Von den 60 Wehrtürmen, die Dinkelsbühl im Dreißigjährigen Krieg vor Eindringlingen schützen sollten, seien ganze vier erhalten geblieben. Versiegt seien auch die vielen Fischteiche rund um die einst bedeutende Reichsstadt. „Früher gab es hier so viele Karpfenteiche, wie das Jahr Tage hat“, erzählt der Meister der Weihnachtskrippe. 

Trotz der weitgehend versiegten Teiche spielt der Karpfen, der früher per Verordnung beim einfachen Bauern ebenso wie beim reichen Kaufmann regelmäßig auf den Tisch kam, noch heute eine Rolle. Besonders im Winter finden sich in den bodenständigen Gasthäuern variantenreiche Karpfengerichte auf den Speisekarten.

Schneeballen aus Brandteig

Die kulinarische Antwort findet sich in Rothenburg ob der Tauber in jedem Bäckerladen: Schneeballen in Form von faustgroßen Brandteigkugeln türmen sich in den Schaufenstern. Auch auf dem Rothenburger Reiterlesmarkt ist das traditionelle Backwerk allgegenwärtig. Zur Eröffnung des Weihnachtsmarktes trabt das Reiterle hoch zu Ross Richtung Rathaus. „Das Reiterle war früher ein gefürchteter Geist, der Bösewichter in sein düsteres Reich entführte“, erklärt Felicitas Höpfner. Doch daraus sei ein gutmütiger Geselle geworden, betont die Volkskundlerin auf ihrer Führung durch das Rothenburger Weihnachtsmuseum.

Vor dem Rathaus mit seiner markanten Fassade aus Elementen der Gotik und Renaissance verliest das Reiterle die mittelalterliche Marktverordnung und verkündet damit die Eröffnung der 60 Buden rund um den Marktplatz. Wenn Hans Georg Baumgartner dann sein Reiterle-Gewand wieder ablegt, taucht er als Rothenburger Nachtwächter ins Mittelalter ein und erzählt kuriose Geschichten „aus den düsteren Zeiten“. „Es geht um General Tilly, Bürgermeister Nusch und um einen Deal“, gibt der graugelockte Nachtwächter bedeutungsvoll zu verstehen.

Falls der Stadtregent einen Humpen mit dreieinhalb Litern Wein auf einen Zug leeren könnte, ließe er, Tilly, Gnade walten und Rothenburg bliebe vor Brandschatzung und Zerstörung verschont. Der Stadtvater setzte an und leerte den Krug bis auf den letzten Tropfen. Damit bewahrte er seine Stadt im Dreißigjährigen Krieg vor der Vernichtung durch Tillys Truppen. Zur Erinnerung an die weinselige Rettung öffnen sich noch heute stündlich zwei Fenster im Giebel der Ratstrinkstube und wiederholen die Trinkszene, die laut Legende dazu beigetragen hat, dass das mittelfränkische Schmuckkästchen heute zu den berühmtesten Kleinstädten Deutschlands gehört.

Text und Bilder: © Renate Wolf-Götz 

Weitere Infos zu Dinkelsbühl und Rothenburg ob der Tauber

www.tourismus-dinkelsbuehl.de

www.rothenburg.de

       

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Hinweis: Dieser Beitrag wird regelmäßig von Mitgliedern der Reise-Stories Redaktion wie Heiner Sieger, Gerhard Fuhrmann und Jupp Suttner auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft. Falls Sie Anmerkungen zu diesem Beitrag haben, kontaktieren Sie bitte direkt hier die Redaktion.

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