In der Wintersportarena in Holzelfingen kann man coronakonform für 150 Euro die Stunde den ganzen Skilift mieten.
Von Jürgen Löhle
Die Einsamkeit kommt plötzlich und mit Macht. Ein paar Meter hinter den letzten Häusern von Holzelfingen fallt der Blick auf eine verschneite Hochebene, über die noch ein paar Nebelfetzen aus der Nacht wabern. Kein Mensch zu sehen, das schwarze Asphaltband ist das einzige Zeichen, dass hier noch etwas mehr sein muss als sibirisch anmutende Weite. Ein paar hundert Meter weiter tatsächlich ein Schild: „Wintersport-Arena Holzelfingen“. Danach geht es rechts ab zum Parkplatz P3 und zum Salach-Lift. Da soll ich hin, steht auf der Bestätigungsmail. Und da bin ich jetzt – und fast alleine. Zu normalen Winterzeiten herrscht hier Betrieb wie samstags im Baumarkt. Heute stehen da zwei Autos, den Nummern nach wohl das Liftpersonal, und ein Mini Van in dem gerade eine Mutter ihren zwei Kleinen die Skistiefel zumacht.
Der P3 ist das vorläufige Ziel einer Aktion, die vor ein paar Tagen angefangen hat. Als begeisterter Skifahrer leide ich unter dem Liftstopp in Deutschland. Aber klar, da man muss man halt jetzt durch, dem Virus Kante zeigen und auf das Frühjahr hoffen. Dann plötzlich die Meldung – auf der Alb hat ein Liftbetreiber in Holzelfingen mit einem Corona-Konzept die Erlaubnis zum Liftbetrieb bekommen. Und das funktioniert so: Man kann täglich zwischen 7 und 18 Uhr jeden der vier Lifte der Arena mieten, jeweils für eine Stunde. „Man“ heißt in dem Fall Angehörige des eigenen Haushalts und eine weitere nicht zum Haushalt gehörenden Person. Konkret bedeutet dies – ein Lift exklusiv für einen alleine oder für eine Familie mit einem Freund, das wären dann je nach Kinderreichtum zwischen drei und sagen wir mal maximal sieben Personen. Man hat die Piste also sozusagen für sich, die Skihänge sind für die Öffentlichkeit gesperrt, ebenso die zur Arena gehörende Rodelbahn. Auch die zwei Hütten sind zu und die Mieter der anderen Lifte trifft man nur, wenn man sie auf den insgesamt 3,5 Kilometern Piste mit acht Abfahrtsvarianten suchen würde.
Das Angebot wird rasend angenommen. Immer Punkt Mitternacht wird auf der Internetseite des Betreibers das Buchungsportal für ein Datum drei Tage im Voraus freigeschaltet. In den Ferien waren alle Stundenslots in einer halben Minute weg, selbst die um sieben Uhr in der Früh‘, wo Flutlicht die Dunkelheit brechen muss und es auf der Alb meist grimmig kalt ist. Auch aktuell muss man sich für einen Termin am Nachmittag sputen, vormittags hat es sich entspannt, auch weil mittlerweile andere Lifte auf der Alb und im Schwarzwald die Idee kopiert haben.
Also dann, rein in sie Skistiefel, Helm auf und ab zur Kasse. Halt – erst noch Maske auf, das ist Pflicht auch wenn die Frau im Kassenhaus hinter Glas sitzt. Auch sie trägt Maske. Es ist bitterkalt, zum Glück habe ich das Pflichtformular mit meinen Daten schon daheim ausgefüllt. Zusammen mit der Buchungsbestätigung und 150 Euro für die Stunde geht das Formular durch den Schlitz, dafür gibt es die Liftkarte für das kontaktlose Öffnen des Drehkreuzes. Hinter mir schieben sich die drei Vormieter vorbei Richtung Parkplatz. „Sie dürfen jetzt – genießen sie es“, hallt es aus dem Kassenhaus. Na dann.
Ski anschnallen, Maske weg, rein in den Lift. Den Bügel muss man sich natürlich selbst schnappen und los. Nach ein paar Sekunden verklingt die alpine Gaudimusik aus den Außenboxen der geschlossenen Hütte an der Talstation, nur noch das Knirschen der Ski in der Spur ist zu hören. Zügig geht es durch den Wald nach oben, vor und hinter einem tanzen die leeren Bügel im Wind. In der Ruhe kommen die Gedanken, was man hier gerade treibt? Ist das zu verantworten in Zeiten der Pandemie? Ist es politisch korrekt? Schließlich kann nicht jeder 150 Euro für eine Stunde Skispaß ausgeben. Der erste Teil ist einfach zu beantworten. Da keinerlei Nähe zu anderen stattfindet, hat auch das Virus keine Chance. Und das Geld. Natürlich sind 150 Euro viel, zumal für nur eine Stunde, aber wenn eine vierköpfige Familie einen Skitag im Allgäu verbringt, ist das mit Fahrt und Einkehr eher teurer. Ich tröste mich damit, dass mein Geld dazu beiträgt, dass das Gebiet auch am Ende der Pandemie mit seinen Liften und Hütten noch weiter am Start ist.
Ausstieg auf exakt 801 Meter Meereshöhe. Der Blick fällt auf die maschinell frischgewalzte Piste, ins Tal und ins Nichts. Menschen – Fehlanzeige. Doch halt, da unten ganz rechts die drei Punkte, das ist die Frau mit den zwei Kindern, die über eine Wellenbahn hoppeln und hier sind, weil die Kita zu hat, wie die Frau auf dem Parkplatz gesagt hat. Also dann, los geht’s. Der sonst vor dem Losfahren obligate Blick nach hinten entfällt, ist ja keiner da. Die Piste ist sauber präpariert, das Vergnügen aber kurz, weil selbst die längste Abfahrt nur 900 Meter misst. Aber es ist schon richtiges Skifahren und eines ist sogar besser als zu normalen Zeiten. Keiner kreuzt gefährlich deine Spur, keine Pistenrambos zu sehen, die mit hohem Tempo und geringer Technik für Gefahr sorgen. Ich kann schwingen wann, wo und wie ich will. Und das ganz schön intensiv. Kein Warten, nur fahren. Gebremst wird nur kurz vor dem Lift, damit mir das Drehkreuz nicht die Kniescheiben ramponiert.
Die Stunde ist ziemlich schnell um. Man sieht es auch ohne Uhr, weil an der Kasse schon die Nachmieter stehen. „Einmal geht noch“, ruft mir die Kassiererin zu. Schön, aber danach ist wirklich Schicht und zehn Minuten später rolle ich wieder auf der Straße durch die nach wie vor menschenleere Hochebene zurück nach Holzelfingen. Aprés Ski gibt es nicht. Es wird also Zeit. Der Nebel hat sich verzogen, die Sonne scheint und – tatsächlich – die Oberschenkel brennen ein wenig.
Anreise:
Mit dem Auto sind es über die A5 bis Karlsruhe, die A8 bis Stuttgart und die Bundesstraßen 27 und 312 Richtung Lichtenstein-Holzelfingen 162 Kilometer. Näher wären zum Beispiel die Skilifte in Kaltenbronn im Nordschwarzwald. Über die A5 bis Rastatt dann Richtung Gernsbach sind es 104 Kilometer.
Essen & Trinken: Restaurants und Hütten sind im Lockdown generell überall geschlossen. Getränke und Snacks To-Go gibt es zwar, es empfiehlt sich aber eher ein Vesper fürs Auto mitzunehmen. Bedenken muss man aber, dass die Toiletten geschlossen sind.
Allgemeine Infos zur Liftmiete in Holzelfingen unter www.wintersport-arena.com. Man kann sich auch unter 0 71 29 / 600.987 informieren, aber nicht reservieren. Mittlerweile gibt es auch andere Skilifte, die man mieten kann. Eine Auflistung der Lifte im Internet gibt es aber nicht. Am besten den gewünschten Lift direkt im Netz suchen.
Infos zur Liftreservierung: www.skilifte-kaltenbronn.de
Weitere geöffnete Skilifte
https://www.hofeck.de/
https://www.schwarzwald-tourismus.info