Hollywood-Regisseure hätten es kaum besser hinbekommen: Wie auf Bestellung vertreibt ein sanfter Wind den Morgennebel, der bis dahin die Spitzen des Latemar verhüllt hatte. In Minuten, nein, fast in Sekunden wird der Blick frei auf die Berge, als unsere Gruppe eine Lichtung unterhalb des Felsmassivs erreicht hat.
Die Temperaturen sind an diesem Septembertag angenehm warm auf rund 1600 Meter Höhe. Angenehm deshalb, weil um etwa 11.30 Uhr gerade rund 400 Höhenmeter am Stück hinter uns liegen – auf dem Mountainbike. Und es ist noch nicht drückend, wie es der Wetterbericht einige Tage zuvor noch prophezeit hatte für das Eggental in den Südtiroler Dolomiten.
Die Ausrüstung erinnert an Rugby-Spieler
Hierher hat es mich verschlagen, weil ich mir vorgenommen hatte, es erstmals mit einer Mountainbike-Tour zu versuchen. Geführt, damit man sich nicht allein gelassen fühlt. Mit Tipps und praktischen Ratschlägen vom Tourismusverband des Eggentals, zu dem die Orte Deutschnofen, Eggen, Obereggen und Petersberg gehören, geht es dann auf eine Tour rund um die Latemar-Gruppe.
Glück gehabt bei der Gruppeneinteilung, ist mein Gedanke, als sich die Spreu vom Weizen trennt. Norbert nimmt die Mountainbiker unter seine Fittiche, die – ausgerüstet mit Schienbeinschonern und legerer Kleidung – eher an Rugby-Spieler erinnern denn an Radfahrer. Somit allerdings Erfahrung dokumentierend. Die Familienrunde mit Gertrud indes erscheint angesichts der Achtjährigen dabei etwas wenig Herausforderung zu sein. Also hinstellen bei Christian, zu dem sich nach etwas Zögern Ulli mit Sohn Fabian gesellen. Beide allerdings auch ausgerüstet mit eigenen Bikes – sie machen das also öfter. Ich scheine also derjenige zu sein, der erstmals auf so einem Gerät sitzt.
Umgekippt ist man schnell einmal
Das Gefühl allerdings ist überraschend, denn ich habe ein so genanntes fully erwischt, heißt Vollfederung. Somit versinke ich zunächst nach dem „Aufsatteln“. Ohne großes Zögern geht es auch schon los, und nach wenigen hundert Metern – der Schuh hakt noch in der Klickpedale fest – bremst Guide Christian plötzlich nach einer kurzen Spitzkehre auf dem Weidenweg, um das Gatter zu öffnen für uns. Nun, wenn man nicht schnell genug aus der Pedale kommt, kippt man halt um. Das sollte dann aber auch das einzige Mal bleiben, denn fortan geht’s bergan.
Immer wieder mal rutscht das Hinterrad an einer morgenfeuchten Baumwurzel oder einem größeren Schotterstein zur Seite. Sicherheit auf dem Rad stellt sich nicht sofort ein, das sähe anders aus. Kurze Pause nach rund sieben Kilometern dann am Karersee. Gegenüber unserem Standpunkt, auf der Straßenseite, drängeln sich die aus Bussen quellenden Menschen am Aussichtspunkt, dröhnen Motorradfahrer in Richtung Karerpass vorbei, schieben sich Autos bergan.
400 Höhenmeter am Stück
Dann geht’s bergauf. Rund 400 Höhenmeter am Stück, bis auf etwa 1600 Meter Höhe, wie Christian erklärt – hinterher. Unser Guide gibt nach und nach seine Zurückhaltung auf und beginnt auch, kleine technische Details zu erklären. Schade, eine Ansage hätte sich auch vorhin beim plötzlichen Stopp gut gemacht.
Indes genießt den Anblick, wie sich der Morgennebel rasch von den Bergspitzen zurückzieht, die letztlich noch rund 1000 Meter in die Höhe ragen.