Dornburg, Warten auf die Schlössernacht

„An der Saale hellem Strande

Stehen Burgen stolz und kühn.

Ihre Dächer sind gefallen,

Und der Wind streicht durch die Hallen,

Wolken ziehen drüber hin.“

Nein, von den Schlössern in Dornburg, die hoch über der Saale am westlichen Ufer aufragen, ist kein Dach gefallen, sie glänzen unter den Wolken. Das Gedicht und das gleichnamige Lied, haben mit unseren Schlössern nichts zu tun.

Wir warten auf die Nacht, in der sie gefeiert werden.

„Früh, wenn Tal, Gebirg und Garten

Nebelschleiern sich enthüllen,

Und dem sehnlichsten Erwarten

Blumenkelche bunt sich füllen;

Wenn der Äther, Wolken tragend,

Mit dem klaren Tage streitet,

Und ein Ostwind, sie verjagend,

Blaue Sonnenbahn bereitet;

Dankst du dann, am Blick dich weidend,

Reiner Brust der Großen, Holden,

Wird die Sonne, rötlich scheidend,

Rings den Horizont vergolden.“

Goethes Gedicht “Dornburg”

Ja, ich danke, ich danke Johann Wolfgang von Goethe, der dieses Gedicht „Dornburg“ geschrieben hat, ich danke dem Schicksal, dass ich am 24. August die Schlössernacht erleben darf. Ich habe die Karte schon gekauft, ich muss nur noch sehen, wo ich eine Unterkunft bekomme. In Dornburg in der Pension Liesa ist kein Zimmer mehr frei. Und sonst im Ort gibt es nichts. Aber wir werden schon etwas finden, Jena und Apolda sind nicht weit.

Goethe liebte das Schlösser-Dreieck aus Rokoko-, Renaissance- und Altem Schloss. Auch 1828, als dieses Gedicht entstand, war er zu Gast auf „Thüringens Balkon“. Am 14. Juni des Jahres war der Lebensfreund Goethes, der Großherzog Carl August, gestorben. „Bei dem schmerzlichsten Zustand des Innern“, schrieb er am 10. Juli 1828 an Carl Friedrich Zelter, „mußte ich wenigstens meine äußern Sinne schonen, und ich begab mich nach Dornburg, um jenen düstern Funktionen zu entgehen, wodurch man, wie billig und schicklich, der Menge symbolisch darstellt, was sie im Augenblick verloren hat und was sie diesmal gewiß auch in jedem Sinne mitempfindet.

Ist Dornburg Dir bekannt?

Ich weiß nicht, ob Dornburg Dir bekannt ist; es ist ein Städtchen auf der Höhe im Saaltale unter Jena, vor welchem eine Reihe von Schlössern und Schlößchen gerade am Absturz des Kalkflötzgebirges zu den verschiedensten Zeiten erbaut ist; anmutige Gärten ziehen sich an Lusthäusern her; ich bewohne das alte neu aufgeputzte Schlößchen am südlichsten Ende. Die Aussicht ist herrlich und fröhlich, die Blumen blühen in den wohlunterhaltenen Gärten, die Traubengeländer sind reichlich behangen, und unter meinem Fenster seh´  ich einen wohlgediehenen Weinberg, den der Verblichene auf dem ödesten Abhang noch vor drei Jahren anlegen ließ und an dessen Ergrünung er sich die letzten Pfingsttage noch zu erfreuen die Lust hatte. Von den anderen Seiten sind die Rosenlauben bis zum Feenhaften geschmückt und die Malven und was nicht alles blühend und bunt, und mir erscheint das alles in erhöhteren Farben wie der Regenbogen auf schwarzgrauen Grunde.“

Die Ruhe des Ortes und der landschaftliche Zauber des Saaletales ließen den Gast länger als ursprünglich geplant bleiben und  in einem zehnwöchigen Aufenthalt Trauerarbeit verrichten. Goethe selbst berichtete seiner Schwiegertochter Ottilie: „Hier auf diesem alten Schlösschen finde ich alles, wonach ich mich so lange gesehnt habe; bequeme heitere Wohnung, gute Hausleute, gesunden und wohlschmeckenden Tisch.“

Außergewöhnliche Kostüme, Spielfreude, Humor und Leichtigkeit

Die beiden Dornburg-Gedichte „Dem aufgehenden Vollmonde…“und „Früh, wenn Tal, Gebirg und Garten…“ sprechen für seine wiedergefundene Seelenruhe, den erneuerten Lebensmut.

Ich werde hoffentlich keine Trauerarbeit leisten müssen, meine Seelenruhe ist intakt. Ich werde mich von der Gruppe Art Tremondo  und seinem „ Stelzen-Walkact“ verzücken lassen. Außergewöhnliche Kostüme, Spielfreude, Humor und Leichtigkeit, das verspreche ich mir von ihrem Auftritt.

Zur Schlössernacht tritt Art Tremondo als Trio mit dem Programm „Greife und Troll TugdiNut“ auf.

Am 24. August 2024 findet die 11. Dornburger Schlössernacht ab 18:00 Uhr statt – ein Sommerabend voller musikalischer und artistischer Darbietungen im Schlosspark und den drei Schlössern.

Zu den Höhepunkten zählen die Auftritte des Leipziger Calmus-Ensembles mit seinen à Capella-Darbietungen und der Band Caracou mit Chansons et „jazz à la manouche“ – ebenso das Höhenfeuerwerk aus dem Saaletal zum Abschluss der Schlössernacht in Dornburg. Der Park wird im Schein vieler hunderter Laternen leuchten, ich werde von einem musikalischen Erlebnis zum nächsten flanieren, von der Klassik, über den Tango, zu Klezmer, Swing und Jazz.

Dornburg – eine Idylle in der Provinz

Jetzt, einige Wochen noch vor dem Ereignis, sitze ich auf einer Bank im Schlosspark von Dornburg, habe das Programm in den Händen und blicke zur Saale herab, erahne im Norden Naumburg, im Süden Jena, mir gegenüber sehe ich den Hankelsberg im Naturschutzgebiet Tautenburger Forst. Es ist noch früh am Morgen, ein blauer Himmel verspricht einen sonnigen Tag. Und frage mich, wie kommt so eine Idylle mitten in die Provinz? Die Antwort ist  – wie so oft in Thüringen – einfach: Die Fürstentümer waren zu klein, um machtpolitisch oder gar militärisch eine Rolle zu spielen. Wer was auf sich hielt, setzte auf die Kultur. So wurde Meiningen zu einer Stadt des Theaters.

Und Dornburg von 1776 bis 1831 zu einem Lieblingsort Goethes. Seit 1739 in herzoglichem Besitz bewohnte Goethe in den Jahren sowohl das Renaissance- als auch das Rokokoschloss. Die Bergstube im Renaissance-Schloss, auch Goethe-Schloss genannt, erinnert daran. Weitere museale Räume sind die Diele mit dem Gemälde „Die Mandolinenspielerin“ nach Peter Paul Rubens, das Kaminzimmer, der Saal im Parterre.

Die Vielfalt der Gartenanlage in Dornburg

 „Heiter, munter, verständig, schön, weitläufig und doch übersehbar“, so lobte bereits Goethe 1828 die Vielfalt der Dornburger Gartenanlage. Dieser Beifall gebührte indirekt dem jungen Hofgärtner Carl August Christian Sckell. Aus einer berühmten Gärtnerdynastie stammend, zeichnete er ab 1823 ein halbes Jahrhundert als Gartenkondukteur und Schlossverwalter für Dornburg verantwortlich, diente drei Generationen Weimarer Großherzöge und verband die Gärten zu einem harmonischen Gesamterlebnis, das man heute noch erleben kann.

Der Dichterfürst Goethe zeichnete die drei Schlösser in Dornburg und schrieb 1867 an Charlotte von Stein: „Ich bin eben nirgend geborgen.  Fern an die Saale hier verfolgen mich manche Sorgen und meine Liebe zu dir.“

Wieso eigentlich verdanken die drei Schlösser ihre Berühmtheit eigentlich ausschließlich Johann Wolfgang von Goethe?  Dieser Sache ist nachzugehen, denn jedes der drei Bauwerke hat einen eigenen Charakter.

Das “Alte Schloss” in Dornburg war eine Grenzfeste

Drei Schlösser, drei Charaktere – das einzigartige Ensemble der Dornburger Schlösser thront auf einem Felsen über dem Saaletal. Die Geschichte des „Alten Schlosses“,  nomen est omen, reicht bis in die Zeiten Kaiser Ottos I. zurück, der hier mehrmals geweilt hat. Mit der auf hohem Felsenufer über der Saale gelegenen, bereits aus dem 11. Jahrhundert stammenden Burg war Dornburg eine Grenzfeste. Die kleine Ortschaft hatte bereits 937 Stadtrechte und besaß eine kaiserliche Pfalz. Die Kaiser Otto II., Otto III. und Heinrich II. waren öfters in Dornburg, der letztere hielt 1005 hier einen Reichstag.

Aus dieser frühesten Zeit und dem 13. und 14. Jahrhundert stammten der Palas, die Nebengebäude und der Küchenbau. 1486 wurde Dornburg an den Kurfürsten Ernst von Sachsen verkauft. Bei der Landesteilung 1603 fiel die Stadt an Altenburg, kam 1672 an Sachsen-Jena und 1691 an Sachsen-Weimar.

Nach wechselvollem Schicksal wurde die Burg 1451 bis auf wenige Überreste zerstört. Aus der Zeit nach dem Wiederaufbau war der Kroateneinfall im Dreißigjährigen Krieg von besonderer Dramatik. Dornburgs Bürger griffen selbst zu den Waffen und warfen die Eindringlinge den steilen Abhang hinunter. Die wichtigsten Umbauten erfolgten Ende 16. Jahrhundert. Die Kuppel stammt aus dem 17. Jahrhundert und die sogenannte Trompeterstube wurde um 1730 angebaut. Nach dem schweren Brand von 1717, dem auch das städtische Amtshaus zum Opfer fiel, wurde die landesfürstliche Verwaltung ins Schloss gebracht. „Hier, am nördlichen Ende, ein hohes, altes, unregelmäßig-weitläufiges Schloß, große Säle zu kaiserlichen Pfalztagen umschließend, nicht weniger genugsame Räume zu ritterlicher Wohnung; es ruht auf starken Mauern zu Schutz und Trutz,” schmeichelte Goethe dem „Alten Schloss“.

Rokkokoschloss und Gartenanlagen

 Um 1740 ließ Herzog Ernst August I. von Sachsen-Weimar-Eisenach das Rokokoschloss selbstbewusst in die Mitte des Dornburger Ensembles setzen. Es war eines von vielen Bauprojekten des absolutistisch regierenden Fürsten. Dornburg schätzte er vor allem wegen seiner nahegelegenen Jagdgebiete. Außerdem wollte er Kurfürst August dem Starken nacheifern und eine Heerschau nach dem Vorbild von dessen berühmtem Zeithainer Feldlager veranstalten. Dazu kam es zwar nie, Sachsen war doch ein anderes Kaliber.

Jedoch erinnern die bastionsartigen Terrassen am Steilhang an diese Idee. Das Schlösschen nutzt die Hanglage phantasievoll aus. Die Geschosse sind direkt von den Gartenterrassen aus zugänglich – das Obergeschoss über eine elegant geschwungene Freitreppe. Dort spiegelt der Festsaal mit seinem Stuckmarmor in kräftigen Farben die barocken Herrscherambitionen des Bauherrn wider. In den seitlich angeordneten Appartements fanden später die schlichteren Vorstellungen des Klassizismus ihren Niederschlag. Den letzten Schliff gab Großherzog Carl Alexander ab 1875 dem Schloss. Er orientierte sich konsequent am Stil der Erbauungszeit und stattete den Speisesaal in Rokokoformen aus, um die viele seiner Zeitgenossen einen Bogen machten. Dort versammelte er eine Sammlung von Porzellanen aus China, den Niederlanden und Thüringer Manufakturen.

Das “Rokokoschloss”, war bereits zu des jungen Goethes Zeiten wohnlich hergerichtet. Am 4. März 1777 schreibt er an Charlotte von Stein: “Auf meinem Schlösschen ist’s mir sehr wohl, ich habe recht dem alten Ernst August gedankt, dass durch seine Veranstaltung an dem schönsten Platz, auf dem bös’ten Felsen eine warme gute Stätte zubereitet ist.”

Das “Stohmannsche Schlößchen” auch „Renaissancehaus” genannt

Das dritte der Dornburger Schlösser ist das sogenannte “Stohmannsche Schlößchen” auch „Renaissancehaus” genannt, das aus der Mitte des 16. Jahrhunderts stammt und um 1600 vom Dornburger Amtsschosser Wolfgang Zetzsching erworben und renoviert wurde. Die Familie Zetzsching blieb über vier Generationen im Besitz des Schlosses, erweiterte sogar im 18. Jahrhundert das Bauwerk um einen Anbau, musste es jedoch 1739 aus finanziellen Gründen dem Herzog Ernst August überlassen.

Herzog Karl August erwarb es 1824 und richtete es sich als Wohnsitz ein. Er ließ eine breite Treppe einbauen, die oberes und unteres Stockwerk miteinander verband. 1921 ging der großherzoglich-sächsische Besitz in Staatseigentum über, 1923 wurden Renaissance- und Rokokoschloss der Goethegesellschaft als Geschenk überlassen. Seit 1928 sind beide Schlösser und die Gartenanlagen der Öffentlichkeit zugänglich. Da eine neuerlich notwendige Restaurierung die finanziellen Kräfte der Goethegesellschaft überstiegen hätte, beschloss die Mitgliederversammlung 1954 die Rückgabe an den Staat.

Zunächst dienten die Schlösser aber ganz verschiedenen Zwecken und gehörten nicht einmal zusammen. Erst Großherzog Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach kaufte das Renaissanceschloss zu den beiden anderen Schlössern hinzu und ließ sie durch vielfältige terrassierte Gartenanlagen verbinden. Heute sind das Renaissance- und das Rokokoschloss sowie die Gärten zu besichtigen. Das Alte Schloss wird als Tagungszentrum genutzt.

Dort Saaleck, hier die Rudelsburg

So, nun steht die Sonne hoch über dem Saaletal, ich habe meine Karten im Vorverkauf erworben, wer welche will, wende sich an den Ticketshop Thüringen oder an die schlossverwaltung@dornburg-schloesser.de.

Was ich noch nicht weiß ist, wie ich die Anreise organisiere, da ich in Dornburg keine Unterkunft gefunden habe. Vom Bahnhof Dornburg läuft man eine halbe Stunde, das mag nachmittags angehen. Aber vor Mitternacht? Oder ich komme mit dem eigenen Auto. Aber wo werde ich in der Nähe der Schlösser einen Parkplatz finden?  Oder ich nehme mir von Jena ein Taxi und lass mich auch wieder abholen. Vielleicht ist das am Vernünftigsten. Hauptsache, es fällt mir kein Schlossdach auf den Kopf. Aber das Lied vom hellen Strande der Saale bezog sich auch nicht auf Dornburgs Schlösser, sondern auf die Rudelsburg. Die hat zwar ihr ursprüngliches Dach nicht zurück, ist aber in den 90er Jahren soweit saniert worden, dass man es sich auch in ihren Mauern gut gehen lassen kann.

Bilder: Thüringer Schlösser, www.thueringen.info

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Hans-Herbert Holzamer

Autor Kurzvorstellung:

Freier Journalist und Autor

Hinweis: Dieser Beitrag wird regelmäßig von Mitgliedern der Reise-Stories Redaktion wie Heiner Sieger, Gerhard Fuhrmann und Jupp Suttner auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft. Falls Sie Anmerkungen zu diesem Beitrag haben, kontaktieren Sie bitte direkt hier die Redaktion.

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