DER ADAM, ZU DEM DIE SCHMETTERLINGE ZUM STERBEN KOMMEN

Unsere Gruppe gehört definitiv nicht zu denjenigen, die Anstrengungen im Urlaub vermeiden. Die Reise, die wir jetzt unternehmen, wird den einen oder anderen von uns an seine physischen Grenzen führen. Zumindest  für eine kurze Zeit. Denn: Auf der Jagd nach unvergesslichen Erlebnissen machen wir uns auf den Weg quer durch das Königreichs des Tees. Quer durch  Sri Lanka. Auf dem Weg zum Adam`s Peaks – dem heiligen „Schmetterlingsberg“, wie er von den Einheimischen genannt wird. Was meint: „Da, wohin die Schmetterlinge zum Sterben kommen“.

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Bild oben: Adam´s Peak am hellichten Tag (c) Iva Simova

Text: Iva Simova
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Wenn man die Busfahrt nach Dalhousie mit einem Wort beschreiben kann, dann lautet jenes: „authentisch“. Stundenlang fuhren wir stehend und zusammengequetscht in einem regionalen Bus erstmals von Nuwara Eliya nach Hatton und von dort weiter nach Dalhousie. Angst, in dem ruckelnden Gefährt um zu fallen, mussten wir keine hegen. Dazu war kein Platz. Nichtsdestotrotz durften wir uns während der Fahrt über viele neue Bekanntschaften freuen und uns mit den netten Einheimischen die ganze Zeit unterhalten, wobei wir wertvolle Tipps zur Ersteigung des Adam`s Peaks, erhielten. In Sri Lanka spricht fast jeder gut Englisch – unabhängig, welcher sozialen Schicht die Person entstammt.

Ein ganz besonderes Ziel in Ceylon ist Adam`s Peak, welche die gebräuchlichste Bezeichnung des Berges ist, aber auch Sri Pada genannt. Aus dem Sanskrit übersetzt bedeutet das „Heiliger Fußabdruck“ oder „der edle Fuß“, welchen Buddha bei seinem letzten Besuch auf der Insel auf dem Gipfel hinterlassen haben soll. Es heißt: Von der Spitze des Berges soll Buddha ins Nirwana übergegangen sein. Der 2.243 m hohe Berg thront im zentralen Sri Lanka und ist der vierthöchste des Landes. Als der heiligste aller Gipfel zieht der Adam`s Peak jedes Jahr in der Hauptsaison Hunderte von Pilgern an, die rechtzeitig zum Sonnenaufgang den Berg erklimmen wollen – der Höhepunkt der gesamten Pilgerreise.

Unsere Reise zum Adam`s Peak beginnt von der britisch angehauchten Stadt Nuwara Eliya, oder Nurelia, wie sie von den Einheimischen auch gerne genannt wird. Mit dem regionalen Bus fahren wir nach Hatton und von da geht es auch weiter mit dem nächsten nach Dalhousie – einer kleinen Stadt, die direkt am Fuße des Berges liegt. Für 150 Rupien (umgerechnet etwa 1 Euro) erreicht man am Ende des Tages erschöpft aber glücklich das Hotel. Das einzige, was wir jetzt noch wünschen: uns nieder zu strecken und gehörig aus zu ruhen, um wieder zu Kräften zu gelangen. Denn der nächste Tag wird sehr früh beginnen. Im Dunkeln noch.

Vor der Überfüllung: Die Fahrt nach Dalhousie (c) István Vass
Bevor der Bus voll wurde: Die Fahrt nach Dalhousie (c) István Vass

 

Und schon rumpeln wir aus der Unterkunft. Es ist 2 Uhr morgens. Der Pilgerweg am Adam’s Peak ist in der Nacht deutlich zu erkennen. Eine ewig lange Lichterkette erstrahlt den Weg bis zum Gipfel. Ein Mensch stapft nach dem anderen. Sieben Kilometer bergauf sind zu bewältigen. Unser Ziel: pünktlich zum Sonnenaufgang ganz oben zu stehen.

Der Berg wirkt im geheimnisvollen Licht der Nacht noch gigantischer als bei Tage. Und flößt Respekt ein. Doch keine Furcht. Denn unsere Gewährsleute haben versichert: „Lasst euch nicht von den vielen Berichten abschrecken,  in denen von überirdischen Anstrengungen, unerträglicher Hitze oder von Todesfälle berichtet wird. Jeder mehr oder weniger körperlich fitte und aktive Mensch ist im Stande, die Stufen bis zum Gipfel zu besteigen.“

Vom Fuß bis zur Spitze des Berges verlaufen Treppen, die oft unterschiedlich hoch sind – ausgestattet mit zirka 5.300 Stufen. Nach einer Stunde Steigen sind wir bereits vollkommen in Schweiß gebadet. Und wir spüren: Jede(r) muss hier  versuchen, sein eigenes Tempo zu finden – und genügend Pausen einlegen. Zahlreiche Verkäufer bieten auf dem Weg zum Gipfel eine reichliche Auswahl an Getränken und einheimischen Snacks – wie Rotis und Samosa. Dabei handelt es sich um Fladenbrot ähnliche Snacks und köstlich gefüllte Teigtaschen für zwischendurch, meistens als vegetarische Variante angeboten. Glucose-Puder ist auch erhältlich. An diesen sogenannten „Teashops“ kann man sich ausruhen und zu Kräften kommen.

Nach buddhistisch-singalesischem Glauben sollte der Sri Pada mindestens einmal im Leben bestiegen werden. Unsere neue Bekanntschaft – drei sehr freundliche buddhistische Pilger, alle nicht älter als 25 – besteigen den Gipfel mindestens zweimal im Jahr, wie sie uns erzählen. Jeder erfolgreiche Aufstieg soll das Leben um ein ganzes Jahr verlängern, heißt es.
Auf dem Weg nach oben bewältigen Pilger jeder Generation die Treppen – manche gar Barfuss. Die meisten brennen sichtlich vor Vorfreunde,  endlich den Gipfel zu erreichen. Sie lachen uns an und versuchen uns Mut zu machen: „Come on, almost done“.  Offensichtlich erwecken wir einen etwas schwächlichen Eindruck. Der nicht trügt. Dennoch versuchen wir aus Gründen der Höflichkeit – und natürlich auch der Zustands-Überspielung wegen – zurück zu lachen. Die Funktionsbekleidung ist zum Auswringen nass – Zeit für eine kurze Pause. Nach einer Tasse warmen Tees machen wir uns wieder auf dem Weg.

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Adam`s Peak (c) István Vass

Der größte Teil ist fast geschafft. Wir gönnen  uns noch einen weiteren kurzen Stopp – der letzte, bevor wir den Gipfel erreichen. „Vor euch liegt nur noch 1  km – eine Stunde Treppensteigen“ – feuert uns der nette Teeverkäufer an. Eine ganze Stunde noch! Wir versuchen diesen Gedanken aus den Köpfen zu verjagen. Stattdessen bewundern wir diesen überaus freundlichen Mann und es stellt sich uns die Frage, wie er seine Ware den Berg hinauf trägt – und zwar jeden Tag! Verständlich, dass die Preise mit steigender Höhe mit steigen.

Das letzte Drittel und somit der Final-Teil der Treppen ist am Schlimmsten. Wo sich anfangs die Stufen immer wieder mit ebenerdigen Abschnitten abwechseln, werden sie irgendwann so steil, dass man sich mit den Armen am Geländer hochziehen muss.  Wenn wir nach oben blicken, sehen wir nur eine Menschenmasse, die langsam mit schweren Schritten die Treppen hinauf krabbelt. Die Beine werden immer schwerer und die Muskeln brennen. Gesprochen wird nicht mehr. Selbst Platz für Gedanken existiert kaum mehr, das gesamte Denkzentrum scheint ausschließlich erfüllt vom Schmerz, den die Beine ausstrahlen.

Als Trost stellen wir fest: Fünf Stunden Steig-Zeit, wie die meisten Reiseführer angeben, sind großzügig bemessen. Die meisten – und jetzt auch wir – benötigen trotz der Pausen lediglich vier Stunden. Und so erreichen wir unser Ziel noch vor dem Sonnenaufgang. Die Aufregung der Pilger und natürlich ebenso die unserige ist deutlich zu spüren, als wir uns dem kleinen Kloster auf dem Gipfel nähern. In dem Bau befindet sich ein in Stein gemeißelter, ca. 160 x 75 cm.  großer Fußabdruck, der sowohl von Buddhisten, Hindus und Moslems als auch Christen verehrt wird. Einer volkstümlichen Sage nach ist dieser jedoch nur eine vergrößerte Kopie von dem echten Fußabdruck. Dieser soll sich darunter – in Saphir eingebaut – befinden.

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Pilger verneigt sich vor dem Heiligen Fußabdruck (c) István Vass

Ganz oben angekommen, pfeift der Wind und es ist bitterkalt. Wir werden von mystischem Mönchsgesang empfangen, der aus dem kleinen Tempel am Gipfel ertönt. Jetzt rasch warme und trockene Sachen anziehen, um den Sonnenaufgang ohne Frösteln genießen zu können. Wir ziehen unsere Schuhe aus und reihen uns in die Warteschlange, um Buddhas Fußabdruck im Kloster zu bestaunen. Für die Hindus ist dieser Shivas Abdruck, für die Muslime – der von Adam und die Christen wiederum sehen darin den Fußabdruck des heiligen Thomas.

Wegen der großen Schwärme Schmetterlinge, die sich jedes Jahr im Frühling aus allen Teilen der Insel in Bewegung setzen und zum Adam´s Peak zum Sterben fliegen, heißt er auch im Volksmund “Schmetterlingsberg”. Für dieses rätselhafte Phänomen, hat die Wissenschaft bisher immer noch keine Erklärung.

Sonnenuntergang am Adam´s Peak (c) Iva Simovadddd

Sonnenaufgang am Adam´s Peak
Bild links (c) Iva Simova  | 
Bild rechts: (c) István Vass

In den frühen Morgenstunden sind wir alle hier oben Zeugen eines einzigartigen Naturschauspiels. Eine außergewöhnliche Atmosphäre breitet sich aus, als die Sonne aufgeht und die ersten Strahlen die Wolken durchbrechen – alles ist plötzlich in rosa, orange und rot getaucht. Die Landschaft wird von den Strahlen umhüllt und der Sri Pada wirft seinen eigenen Schatten auf das Umland. Man ist regelrecht hypnotisiert von dem atemberaubenden Naturschauspiel: einfach nur magisch! Mit der steigenden Sonne löst sich auch der Nebel auf und der Schatten des Berges wandert über das sich ausbreitende Gebiet.

Buddhistische Mönche am Gipfel (c) István Vass
Buddhistische Mönche am Gipfel (c) István Vass

 

Der Schatten im Westen (c) Iva Simova
Der Schatten im Westen (c) Iva Simova

 

Nach einer Weile machen wir uns auf dem Weg zurück. Es folgt der Abstieg. Dieser erweist sich – als NOCH schmerzhafter als der Aufstieg! Nach jeder Treppe zittern und schmerzen die Beine und die Kraft lässt immer mehr nach. Wir nützen die nötigen Pausen, um uns einerseits die wunderschöne Umgebung im Tageslicht anzuschauen und andererseits, die beanspruchte Muskulatur etwas zu lockern. Nach einigen Stunden Abstieg gelangen wir endlich zu unserem Hotel, wo wir uns unendlich über eine warme Dusche und ein köstliches Frühstück freuen.

Der Absieg (c) István Vass
Der Abstieg (c) István Vass

 

Ausblick vom Gipfel (c) István Vass
Ausblick vom Gipfel (c) István Vass

Gleich danach geht es wieder zurück nach Nuwara Eliya. Die nächste, garantiert wieder  unvergessliche Busfahrt. Aber wir sind uns sicher. Dieses Mal werden wir freie Plätze zum Sitzen bekommen. Das haben wir verdient.

 

Infos:

Auswaertiges Amt/Länderinformationen/SriLanka

Reise Know-How Sri Lanka: Reiseführer für individuelles Entdecken
Taschenbuch – 14. September 2015 von Rainer Krack und Joerg Dreckmann

Unterkunft in Dalhousie: Hotel SlightlyChilled
slightlychilled.tv

Route:
Von Norden aus Richtung Hatton
Für das Erklimmen des Adam`s Peak benötigt man: Warme Funktionskleidung und Proviant
Je nach Kondition ist der Weg in 2-4 Stunden zu schaffen
Der Sonnenaufgang ist zwischen 6.00-6.30 Uhr früh
Die Pilgersaison ist von Dezember bis April


Copyright:
Veröffentlichung nur gegen Honorar und erst nach Rücksprache mit der Autorin.
IvaSimova@googlemail.com

 

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Hinweis: Dieser Beitrag wird regelmäßig von Mitgliedern der Reise-Stories Redaktion wie Heiner Sieger, Gerhard Fuhrmann und Jupp Suttner auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft. Falls Sie Anmerkungen zu diesem Beitrag haben, kontaktieren Sie bitte direkt hier die Redaktion.

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