Carezza: Auf dem Olymp

Im Herzen der Dolomiten, der Rosengarten

„Es ist wie Weihnachten und Ostern gleichzeitig.“ Georg Eisath, ungekrönter König des vom ihm so genannten Reiches Carezza, das einer gekrönten Vorgängerin, landläufig Sissi genannt, unter dem Namen Karersee bekannt war, empfängt auf der Terrasse der Moseralm. Strahlender Sonnenschein über einer sattweißen Landschaft gibt ihm Recht. Der Schnee ist wie zu Weihnachten, die Temperatur wie über Primeln. Dabei ist Eisath auf himmlischen Segen nicht angewiesen. Er ist Mitbegründet von Tecno Alpin, einem weltweit aktiven Schneeproduzenten. Als er sich aus dem aktiven Management der Firma zurückzog, suchte er ein neues Ziel für seine Umtriebigkeit. Seit 2008 ist er Präsident seines Skigebiets, 20 Kilometer nordöstlich von Bozen. „Ein Liebhaberprojekt“ sei es, sagt er. Mit neuen Liften, besseren Pisten und natürlich vielen Schneesprühern hat er inzwischen das kleine Skigebiet am Karersee, das früher Vorführgebiet seiner Schnee-Peitschen und –Kanonen war, nach oben gebracht..

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Carezza-König Georg und Olympia-Teilnehmer Florian Eisath

Inzwischen ist Carezza ein von der Europäischen Union anerkanntes und gefördertes „Alpines Klimaskigebiet“, in dem „Pilotmaßnahmen zur Energieeinsparung“ zur Anwendung kommen. Auf 41 km Pistenlänge, von 15 Anlagen erschlossen, werden vollautomatische und GPS-gesteuerte Pistenraupen, technische Schneemaschinen, ansonsten nur Wasser und Energie eingesetzt. Der Wintertourist bekommt davon wenig mit, und wenn, würde er staunen, welche Symbiose Hightech und Natur dort zu Füßen von König Laurins Rosengarten eingegangen sind. „Auch jetzt, bei idealen Wetterverhältnissen“, sagt Eisath, „kommt Kunstschnee zum Einsatz, mit ihm wird Naturgelände geglättet, und die stabile Pistenstruktur auch für schlechteres Wetter gewährleistet.“ In 80 Stunden, wenn 5 Geräte im Einsatz sind, könnte das Areal „vollbeschneit“ werden.
Der Skifahrer spürt den Unterschied zwischen den Schneearten nicht mehr, wenn die Raupe die Piste einmal in der Mache hatte. Ihn interessiert mehr, was aus Georg Eisaths Lieblings-Projekt geworden ist, der Verbindung des Karerpasses, der schon längst über den Hubertus-List mit den Pisten vom Kareresee verknüpft ist, mit Moena im Fassatal. „Versenkt“, sagt der König von Carezza etwas schmallippig, sei das Vorhaben, „gestorben im Streit der Politiker aus Fassa und Fieme, Ladinern halt.“ Vielleicht gefällt auch nicht jedem Eisaths forsches Auftreten.
Der blickte kaum im Amt als Carezza-Präsident sehr bald über seine Hänge hinaus zu den Nachbarn. Sein Ziel war die „Latemar- Runde”, in Anlehnung an die Sella Ronda, die Touristenattraktion in den Dolomiten. Sie sollte eine Verbindung nach Moena und Soraga, später über Predazza sogar mit dem Skigebiet Obereggen bringen. Dieses Projekt hatte als „Mobilitätsprogramm” vor seinem – jedenfalls vorläufigem – Scheitern noch einen 1. Preis der Arge Alp gewonnen.

Der Carezza-König hat inzwischen bereits ein neues Projekt – eine Kabinenbahn zwischen Tiers und der Frommeralm über St. Zyprian und die Nigerstraße, was auch für den Sommertourismus von Interesse wäre. Aber was Eisath auch plant, stets setzt er sich dem Verdacht aus, das Sportgerät Alpen zu Lasten der Natur weiter perfektionieren und die Gäste aus den Nachbarregionen zu sich locken zu wollen. Und da die Dolomiten UNESCO-Naturerbe sind, besteht da auf allen politischen Ebenen, nicht nur bei den ladinischen Nachbarn, erhöhte Wachsamkeit. Auch der „Bruder” Obereggen fürchtet Wilderei. Eisath sieht das nicht so: „Wir sind das traditionelle Bozner Skigebiet, wo man Skifahren lernt, doch dann zieht es die Skifahrer zum Latemar. Dabei erreicht man in nur 15 Minuten von Bozen Nord die Kabinenbahn im Ortszentrum von Welschnofen.” Das Problem ist, dass man in den Bus oder das eigene Auto steigen muss, um zum anderen Skigebiet zu kommen, und auch der gemeinsame Skipass „Valle Silver” im Verbund von Dolomiti Superski vermag daran nichts zu ändern. Die Skipass- und Pauschalen-Preise sind inzwischen zudem so komplex, dass lediglich das direkte Nachfragen am Ticket-Schalter eine verlässliche Antwort geben kann.

Die in den Blick genommene Niger-Trasse berührte immerhin keine ladinischen oder Trentiner Befindlichkeiten. Dann käme man der Verbindung zwischen der Seiser Alm und der Kölner Hütte näher, von der man inzwischen, Georg Eisath sei Dank, eine sieben Kilometer lange Abfahrt, Anfangs als „schwarz“, später als „blau“ gekennzeichnet bis Welschnofen herabbrausen kann. Eine 10er Bahn wird bald den Transport hinauf zur „Laurins Lounge“ bewerkstelligen.

Als Zwergenkönig Laurin und später die Kaiserin Elisabeth hier den Ton angaben, war noch alles anders. Es gab das Grand Hotel, das seit diesen gloriosen Tagen nicht mehr auf die Füße kommen will, und ein paar Lifte. Vermarktet wurde es gemeinsam mit dem nahen und anziehungsstärkeren Obereggen, ein paar Autokilometer entfernt. Man konnte die Pisten mit Fug und Recht einen „Geheimtipp” nennen, und viele Gäste, die abends in der Paolinahütte bei Schrammelmusik im Lichte des Enrosadira, des leuchtenden Rosengarten, den Tag ausklingen lassen, wollten unbedingt, dass es so bliebe. Aber Georg Eisath sieht das anders, „in den 70er Jahren war das Skigebiet eigentlich tot.“
Denn gerade im Wettstreit um das Sportgerät Alpen sei Stillstand Rückschritt, und das Engagement und die Investitionen der Vergangenheit seien morgen nichts mehr wert, wenn man auf die Veränderungen nicht reagiert. „Mehr Gäste müssen ins Gebiet, wenn Carezza und mit ihm das Tal leben sollen.” Und die bekommt man, glaubt er, durch eine Vergrößerung des Angebots und eine Verbesserung der Zufahrt. So werden ständig neue Liftanlagen eingeweiht. Neu sind auch ein Fun Park für sprungbegeisterte Snowboarder, ein Naniland für die (menschlichen) „Zwerge” mit unterschiedlichem Gefälle von 5 und 8 Prozent und ein Trainingshang, auf dem auch Eisath-Sohn Florian übt, der auch von Skiclubs und Trainingsgruppen reserviert werden kann. So wurde der Anspruch, mit Preisen ausgezeichnetes Familienskigebiet zu sein, deutlich manifestiert.

Dass sich Eisath nun auf der Höhe seiner Macht fühlt, ist verständlich und nicht nur dem Zusammentreffen von Weihnachten und Ostern geschuldet. Sein Sohn Florian hat die Qualifikation im Riesenslalom für Pyeongchang geschafft, und sein Vater fährt mit auf den Olymp.

Information:
das Skigebiet Carezza, das zum Ticketverbund Dolomiti Superski gehört, ist etwa 20 Minuten von der Brennerautobahn entfernt, Ausfahrt Bozen Nord, und der Straße durchs Eggental haben mehrere Tunnel die Schrecken der steil aufragenden Porphyrwände genommen. Von München aus beträgt die Anfahrt etwa 300 Kilometer. Dann eröffnet sich ein alpines Urlaubsgebiet für Langläufer, Schneeschuhwanderer und Abfahrer.

Ski Area Carezza, I – 39056 Karersee (BZ), Tel. +390471619520
www.carezza.it

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Hans-Herbert Holzamer

Autor Kurzvorstellung:

Freier Journalist und Autor

Hinweis: Dieser Beitrag wird regelmäßig von Mitgliedern der Reise-Stories Redaktion wie Heiner Sieger, Gerhard Fuhrmann und Jupp Suttner auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft. Falls Sie Anmerkungen zu diesem Beitrag haben, kontaktieren Sie bitte direkt hier die Redaktion.

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