BERNIES BLOG | CAMPING & CORONA – aktuelle Notizen aus Spanien

Bernhard Schöneck (76) schrieb einst für den KICKER, LUST AM LAUFEN sowie weitere Fachmagazine. Und er war zu seiner hochsportlichsten Zeit einer der bekanntesten 24-Stunden-Läufer der Welt. Seine persönliche Bestleistung: 247,330 km. Außerdem durchlief er in Amerika The Death Valley, das berüchtigte ‚Tal des Todes‘, und fuhr mit dem Fahrrad von Chicago durch den Mittleren Westen bis Mexiko. Der ehemalige Taubstummenlehrer ist seit 48 Jahren verheiratet mit Masako aus Tokyo. Das Ehepaar verbringt seit 2003 die Wintermonate mit dem eigenen Wohnmobil auf dem Campingplatz Azahar in Benicassim in der Provinz Valencia/Spanien. Wie es den beiden dort ergeht – lesen Sie hier (die Zeilenbrüche bitten wir zu verzeihen – sind der Übermittlung via Handy geschuldet).

 

VON BERNHARD SCHÖNECK

 

DONNERSTAG, 19. MÄRZ 2020.

 

Vor einer Woche waren wir Camper noch freie Menschen. Zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit dem Auto durchquerten wir das hübsche Eingangsportal von Camping Azahar.Das Städtchen ist nah, die vielen Restaurants, Cafés, die vielen Banken, die Supermärkte, Lidl. Zum Strand – ein Katzensprung …der Radweg nach Oropesa im Norden und Grao und Castellón im Süden … in die nahen Berge!

Am Montag war ich am Vormittag noch am Strand von Vorramar. Ich merkte es gar nicht sofort: Ich war allein … mutterseelenallein! Was war geschehen?

,Apocalypse now‘, schoss es mir durch den Kopf! Das Gefühl: Ich bin der letzte Mensch auf dieser Erde …

Erst auf dem Heimweg wurde mir klar: Die Avenida Barcelona, die Hauptstraße der Stadt, war menschenleer … kein Auto weit und breit …

Ich ,flüchtete‘ zurück zum Campingplatz. Menschen standen in Gruppen zusammen.

Gerüchte machten die Runde: ,Bald dürfen wir nicht mehr raus! Keine Märkte mehr!

Die Geschäfte und Restaurants in der Stadt sind geschlossen!

Keiner der Gäste wusste Genaues. Nach Stunden sickerten Details durch:

,Supermärkte mit Lebensmitteln sind offen. Alle anderen Läden zu. Bei MERCADONA (ein Supermarkt) gibt es kein Fleisch, kein Toilettenpapier und keine Bananen mehr!

Für den Supermarkt gilt: , Bitte eintreten – aber bitte nur einzeln. Bitte stets 2 m Abstand halten zu anderen Besuchern! – Besonders im Kassenbereich!’

,Hier ist der Tuchspender – und da das Desinfektionsmittel. Bitte desinfizieren Sie damit die Griffe Ihres Einkaufswagens!’

Mit Mundschutz – wer noch einen ergattern konnte … auf der Jagd nach Vorhandenem.

Unterwegs – strenge Polizeikontrolle:

-,Woher kommen Sie?‘

– , Von MERCADONA’.

-,Haben Sie einen Kassenzettel? – Wohin wollen Sie?’

Waschraum auf Camping Azahar: Seit Tagen sind die Eingangstueren entfernt. Kein Türgriff – weniger Ansteckungsgefahr.
Desinfektionsmittel steht zur Verfügung – die Anleitung nur in Spanisch.

Wir dürfen den Campingplatz (auf dem Foto unser Standplatz) nicht…

…mehr verlassen! Nicht mehr in Gruppen zusammenstehen!

Was ist eine Gruppe? Vier! Nur vier!

Nur Hundebesitzer dürfen noch nach draußen … aber nur  e i n e r!‘

Das hübsche Eingangsportal von Camping Azahar wurde mit der Schiebetür geschlossen – am helllichten Tag! Nur der zentrale Fußgängerdurchlass blieb offen. Die Gäste können die Heimreise antreten – oder bleiben. Neue Gäste werden keine mehr aufgenommen.

Das schöne Eingangsportal! Von außen immer so einladend! Der Schriftzug

,AZAHAR camping‘! Die meist wehenden Fahnen! Jetzt stehe ich an der Innenseite: Grüne Gitterstäbe! Ein Gefühl  w i e  i m  K ä f i g!

Nur mit Hund oder zum Einkaufen soll es von nun an noch einen Durchlass für uns geben … für jeweils nur einen …

Meine Frau Masako und ich (siehe Foto) entschließen uns, zu bleiben. Eine überstürzte…

…Heimreise erscheint uns jetzt nicht ratsam.

 

FREITAG, 20. MÄRZ:

 

Inzwischen schlagen die Wellen auch am Mittelmeer sehr hoch! Alle unsere Planungen wurden überrollt, – nein! – besser: überspült!!! Eigentlich hatten wir die feste Absicht, hier an der milden Costa Azahar diese Krise, die sich schleichend wie ein flaches Well-chen andeutete, auszusitzen. Unser Motto: Es wird schon besser werden.

Wir hatten kleine Vorräte angelegt und waren guter Dinge, denn wir hatten ja erst die 2.Halbzeit unseres Aufenthaltes erreicht. Die Einschränkungen wie die Ausgangssperre haben wir mit leichtem Klagen hingenommen. Wir haben ja einen Hund und dürfen daher 3 x am Tag Gassi gehen! Aber heute Vormittag verbreitete sich die Hiobsbotschaft: Camping Azahar wird spätestens am 26. März geschlossen! Meine Frau Masako fand die Nachricht bei Google: Alle Hotels  u n d  Campingplätze in Spanien müssen schließen.

An diesem Vormittag verließen noch zwei unserer langjährigen Freunde den Platz.

Sie kamen mit dem ,Platz-Arrest‘ nicht zurecht. Jetzt sind wir nur noch wenige ,Mohikaner‘:

Unsere langjährigen Freunde Anne und Colin aus GB. Sie wollen trotz der offiziellen Schließung des Platzes auf ihrem Stellplatz überdauern!

Eine z.Z. körperbehinderte Holländerin steht mit Auto, Wohnwagen und Vorzelt alleine auf dem Platz. Sie wartet auf ihren Mann, der wegen der Krise aber nicht von Amsterdam wegfliegen kann. Sie ist verzweifelt.

Willi und Marlene aus der Gegend von Aachen. Sie stehen seit Jahren in unserer Nachbarschaft mit Ihrem gigantischen Wohnmobil im LKW-Format. Sie haben uns heute beim Packen geholfen und wir werden nächste Woche in lockerem Verbund die Heimreise antreten.

Den nötigen Passierschein für Frankreich haben wir uns schon besorgt. Da für die nächsten Tage hier Regen angesagt ist, haben Masako und ich schon heute mit den Abbauarbeiten begonnen. Es ist jetzt alles etwas hektisch.

Auch was das Schreiben betrifft. Bin schon den ganzen Tag bemüht, mein iPad, mit dem ich die Texte schreibe, mit dem WLAN-System des Campingplatzes zu verbinden. Es gelingt einfach nicht! Ich habe bereits alle ,technikbegabten‘ Nachbarn heimgesucht, aber keiner kann mir helfen. Entweder haben Sie Android und schimpfen über Apple mit seinem IOS, oder sie gehen mit mir alle Einstellungen durch – aber ohne Erfolg.

,Der Edwin, der junge Holländer, der da vorne am Swimmingpool stand, der hätte Dir bestimmt helfen können. Aber der ist ja noch vor der Krise abgereist‘, meinte mein Nachbar Willi aus Aachen.

Albert aus der Gegend von Stuttgart hat eine eigene WLAN-Antenne. Ich suche ihn auf und sehe, daß er voll im ,Aufbruch-Stress‘ ist: Er hat bereits das Vorzelt seines Wohnwagens abgebaut und hundert Sachen liegen  überall herum und wollen noch verstaut werden. ,Du, weischt, i würd‘ dir ja gern hälfe, aber i hab das mit dem WLAN längscht aufgäbe.‘

,Ich könnte zu dem jungen Mann bei BEEP (= ein Computer-Laden in Benicassim) gehen’, schießt es mir durch den Kopf.  – – – Sch – – da darf ich ja gar nicht hin! Und zudem hat der Laden ja zu!‘ Die Corona-Krise …

Wir sind nur noch wenige Campinggäste hier und niemand weiß eine Lösung.

Ich überlege: Mit meinem iPhone habe ich über den spanischen Provider ,movistar‘ eine Internetverbindung. Also habe ich den Text mit dem iPad geschrieben und…

Should I stay or should I go? Da schlaf ich doch erst einmal darüber…

 

…mit dem iPhone fotografiert. Geht doch…

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Hinweis: Dieser Beitrag wird regelmäßig von Mitgliedern der Reise-Stories Redaktion wie Heiner Sieger, Gerhard Fuhrmann und Jupp Suttner auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft. Falls Sie Anmerkungen zu diesem Beitrag haben, kontaktieren Sie bitte direkt hier die Redaktion.

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