Bei den Trommelweibern von Bad Aussee

Faschingstreiben im Salzkammergut

von Udo Haafke

Es ist Waschtag im Weißen Rössl. So hat es zumindest den Anschein, denn die rustikale Gaststube des Lokals an der Hauptstraße in Bad Aussee ist zur Frühschoppenzeit bestens besucht. Zahlreiche »Damen«, in helle weiße Nachtgewänder gekleidet, mit Kittelschürze und Bluse, Haube oder Nachtmütze, sitzen und stehen an Tischen und Tresen. Sie unterhalten sich lautstark und ausgelassen, um Kraft zu sammeln für das anstrengende Tagesgeschäft. Tatsächlich handelt es sich jedoch um Männer in Frauenkleidern, wie unschwer aus dem donnernden, schon leicht biergeschwängerten Stimmengewirr zu erkennen ist. Und ihre Mission liegt in der Brauchtumspflege als Leitmotiv des Bad Ausseer Faschings: sie sind die Trommelweiber, die seit 2017 zum immateriellen Kulturerbe Österreichs gehören.

Vor über 250 Jahren zogen die ersten ihrer Zunft, damals wie heute ausschließlich eben Herren im Damengewand, Masken mit Frauengesichtern tragend und musizierend durch die Gassen des Salzkammergutstädtchens, seit 2012 offiziell Trachtenhauptstadt, in der nördlichen Steiermark. Die Verwurzelung in der Tradition der Trommelweiber ist so stark, dass selbst der österreichische Botschafter in Kanada für die Festtage in seine Heimatstadt zurückkommt, um, wie alle anderen auch, dem heiligen Schwur kompromisslos zu folgen: „Ich gelobe an den heiligen drei Faschingstagen alle Kraft daran zu setzen, jeden Arbeitseifer schon im Keim zu ersticken, die Ernährung ausschließlich auf geistvoll-flüssige Substanzen auszurichten, noch mehr Wirthäuslichkeit als üblich an den Tag zu legen…“

So kehrten und kehren sie also ein in die diversen Gasthäuser und halten auf dem Weg Reden vor Honoratioren oder Stadtoberhäuptern, bekommen dafür als Gegenleistung Speis, meist in Form von Würsten oder der traditionellen »Beugel«, Bretzeln, die auf die Standarte des Obertrommelweibes aufgesteckt werden, und Trank. Dieses Ritual pflegen sie noch immer und zelebrieren unter dem Beifall des zahlreich vertretenen Publikums unablässig die eingängige Melodie des Faschingmarsches mit einem stampfenden Rhythmus der Trommeln und weiterer Schlaginstrumente, unterstützt von den Fanfaren der Blechbläser. Einst hoffte man, mittels derartiger lärmender Kaskaden den Winter vertreiben und den wärmenden Frühling heraufbeschwören zu können. Nun ist es in erster Linie die Hymne zum großartigen Ende der fünften Jahreszeit, denn der Winter lässt sich bekanntlich von derlei Schabernack wenig beeindrucken.

Die Ursprünge des Faschings in der Region reichen wohl bis ins 13. Jahrhundert zurück, als die Salzgewinnung einen hohen Stellenwert besaß, wirtschaftlich von großer Bedeutung war und den Wohlstand im Ausseerland bedingte. So findet sich schon in den historischen Aufzeichnungen der Salinen von 1524 erstmals ein Hinweis auf den Fasching, der ausdrücklich als einer der wenigen Festtage im Jahr gefeiert wurde. Wenngleich die karnevalistischen Aktivitäten den regierenden Zünften zu Beginn des 18. Jahrhunderts häufig eher ein Dorn im Auge waren, konnten sie das Treiben nicht verhindern, blieb es doch unmöglich Verantwortliche zur Rechenschaft zu ziehen, denn die verkleideten und maskierten Teilnehmer des Faschings konnten stets unerkannt entkommen.

Mehrere Gruppen an Trommelweibern bildeten sich über die Jahrhunderte in und um die Gemeinde Bad Aussee. Sie ziehen als »Bürgertrommelweiber« traditionell am Rosenmontag durch den Ort und kreieren einen zuweilen infernalischen Lärmteppich. Den Rhythmus bestimmt dabei nicht etwa das voranschreitende und stets wortführende Obertrommelweib, sondern die »Dudl«. Sie ist unschwer an ihrer rosafarbenen, korpulenten Krinoline zu erkennen, trägt einen schmucken Strohhut und gibt mit einem alten seidenen Schirm den Takt vor für große und kleine Trommeln, die vor jeder Einkehr fein säuberlich vor dem jeweiligen Gasthaus abgestellt werden. Aber sie statten auch karitativen Einrichtungen, Krankenhaus und Seniorenheim einen Besuch ab, sehr zur Freude der Bewohner, die fröhlich mitklatschend ihrer Begeisterung freien Lauf lassen. Der fröhliche Umzug endet schließlich in der Ortsmitte und die Trommelweiber verstreuen sich in die umliegenden Lokale.

Am Faschingsdienstag sind dann die »Arbeitertrommelweiber« mit ihrem Umzug an der Reihe, begleitet von den weiteren Charakteren des Bad Ausseer Faschings wie den stolzen »Flinserl« mit ihren bunten, über und über mit Pailletten und silbernem Flitter besetzten Kostümen, bunter Maske und Spitzhut, die in ihrem Erscheinungsbild venezianischen Traditionen ähneln, und kleine Präsente, zumeist Nüsse an die Kinder verteilen, wenn diese „Nuss, Nuss“ rufen und das Faschingsgedicht aufsagen. Die »Zacherl«, deren Kostüme zwar bunt, aber weniger edel erscheinen, sorgen für den Geleitschutz der Flinserl, damit diese von Zuschauern unbehelligt bleiben. Hierfür tragen sie eine Saublase an einem Stock und verteilen damit gern einmal den einen oder anderen Hieb. Die »Maschkera-Fischer«, die Maskierten, sind in typischer Tracht gekleidet und führen eine Angelrute mit sich. An der Wäscheklammer, die statt eines Hakens angebracht ist, hängt Süßes, das die Kinder nur mit dem Mund erhaschen dürfen.

Für reichlich Unruhe sorgen die weißgekleideten »Pleß«, die, einen Bienenkorb auf dem Kopf, den Winter darstellen. Sie liefern sich mit Kindern und Jugendlichen kleine Scharmützel mit Schneebällen bis sie schließlich und so will es der Brauch flüchten. Auf der breiten Treppe am Kurhausplatz findet darüber hinaus als Höhepunkt im trubeligen Geschehen auf den Straßen und Plätzen in Bad Aussee auch die rituelle Aufnahmeprüfung für neue Trommelweiber statt. Die jungen Männer müssen hierfür zunächst diverse, eher unschöne Dinge zum Gaudium des Publikums erledigen, die zumeist mit Alkoholika und dem Verzehren scharfer, mit Senf oder Peperoni gefüllter Krapfen, aber auch dem Aufblasen von Luftballons bis zum Zerbersten zu tun haben. Danach leisten sie im Angesicht des Obertrommelweibs den Eid auf die Fahne und sind ein Leben lang in den Kreis der Trommelweiber aufgenommen.

Information:

Salzkammergut Tourismus, Salinenplatz 1, 4820 Bad Ischl, Tel. +43 6132 26909, www.salzkammergut.at
Tourismusverband Ausseerland, Bahnhofstrasse 132, 8990 Bad Aussee, Tel. +43 3622 540400, www.ausseerland.at

Fasching 2019:
2.3.2019 ab 12 Uhr Umzug der Arbeiterflinserl im Zentrum von Bad Aussee; um 13 Uhr sind die Maschkera beim Schlittgoasreitn auf dem Ischlberg auf winterlichen Transportmitteln zu bewundern
3.3.2019 Umzug der Trommelweiber in Reitern ab 9 Uhr
4.3.2019 Umzug der Bürgertrommelweiber in Bad Aussee ab 8 Uhr; Trommelweiber im Ortsteil Obertressen ab 12 Uhr; in Straßen ab 13 Uhr
5.3.2019 Umzug der Arbeitertrommelweiber in Bad Aussee ab 8 Uhr; Ausseer Flinserl ab 8 Uhr

Anreise:
Mit Eurowings von Düsseldorf nach Salzburg (www.eurowings.com), weiter mit Bus oder Taxi-Transfer (www.zwetti-bus.at) nach Bad Aussee.

Unterkunft:
Mitten im Zentrum Bad Aussees liegt das Spa Hotel Erzherzog Johann mit gemütlichen Zimmern, ausgezeichnetem Restaurant und Wellnessbereich. In den Faschingstagen treffen sich die Karnevalisten gerne im Haus, www.erzherzogjohann.at

Essen und Trinken:
Das Angebot an Gaststätten und Restaurants in und um Bad Aussee ist gut und vielfältig mit traditioneller, aber auch ambitioniert moderner Kulinarik. Empfehlenswert u.a. das Café Sternberger in der Ischler Straße mit süßen Verführungen passend zu typischen Kaffeevariationen, das Genuss Gasthaus Kohlröserlhütte am Ödensee (www.genussamsee.com), das Dorfwirtshaus Stöckl in Grundlsee (www.gasthausstoeckl.at), die Villa Salis in Altaussee (www.villa-salis.at), der Gasthof Kalßwirt an der Kainischtraun (www.kalsswirt.at) oder das Restaurant im Narzissen Vital-Resort (www.vitalresort.at).

Aktivitäten:
Wer dem Fasching entfliehen möchte, kann sich problemlos wintersportlich betätigen. Es gibt zahlreiche gespurte Loipen in der näheren Umgebung, zudem u.a. am Loser bei Altaussee (www.loser.at) oder auf der schneesicheren Tauplitz oberhalb von Bad Mitterndorf populäre Skigebiete für Skiläufer und Snowboarder (www.dietauplitz.com). Das Kammerhof Museum am Chlurneckyplatz in Bad Aussee berichtet in einem Gebäude aus dem 14. Jahrhundert kurzweilig über die kulturelle Entwicklung Bad Aussees und des Ausseerlandes, mit Schwerpunkten auf regionalem Brauchtum und der großen Tradition der Trachten (www.badaussee.at).

 

 

 

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Udo Haafke

Autor Kurzvorstellung:

freiberuflicher Foto-Designer und Bildjournalist, Autor diverser Bildbände, Kalender und Reiseführer, Ausstellungen im In-und Ausland, freie Mitarbeit bei verschiedenen Tageszeitungen im Bundesgebiet.

Hinweis: Dieser Beitrag wird regelmäßig von Mitgliedern der Reise-Stories Redaktion wie Heiner Sieger, Gerhard Fuhrmann und Jupp Suttner auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft. Falls Sie Anmerkungen zu diesem Beitrag haben, kontaktieren Sie bitte direkt hier die Redaktion.

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