Auf das Höchste von Spanien: Die Besteigung des Teide

Blick zum Teide

Wie eine wohlgeformte weibliche Brust taucht er im Gegenlicht der späten Nachmittagssonne aus dem weißen Wolkenschaum über dem Ozean auf. Der Blick vom Pozode las Nieves auf Gran Canaria vorbei an den mythischen Felsen und heiligen Orten der früheren Ureinwohner von Gran Canaria über das Wolkenmeer zum Teide auf Teneriffa fasziniert: Von der betrachtet, hebt sich die Spitze des Pico del Teide, dem mit 3.718 Metern höchsten Berg Spaniens und damit auch der Kanaren, dunkel vom hellen Himmel und vom Wolkenmeer über dem Atlantik, ab. Beide Kanareninseln liegen etwa 30 Flugminuten oder 60 Minuten mit der Fähre voneinander entfernt.

Text und Fotos: Harald Schmidt

Hackenschuh und Kathedrale

Auf Teneriffa – die Form der größten Kanaren-Insel ähnelt einer Ente – liegt der Teide nahezu zentral im ‚Entenrumpf‘. Umgeben wird einer der größten Insel-Vulkane der Welt von dem Nationalpark Cañadas (dt. Schluchten) del Teide mit einer Fläche von 135 km2;knapp halb so groß wie die sächsische Messestadt Leipzig. Der Nationalpark ist eigentlich ein riesiger Vulkankessel (Caldera) mit vulkanischen Trümmern und dem Teide als sein höchster Punkt. Teneriffa ist wie alle kanarischen Inseln vulkanischen Ursprungs und soll vor 12 Millionen Jahren aus dem Meer empor gestiegen sein.

Teide Naturschutz
Teide in Ginstermeer

Die Ganzjahres-Bade-Ferieninsel Teneriffa mal (anders) erleben.

Das Auto fährt von Santa Cruz de Tenerife auf den Landstraßen 24 und 21 vorbei an Kiefernwäldern, steilen Hängen und Schluchten. Allmählich nimmt das Grün der Bäume ab, das Braun der nackten Felsen zu. Nach knapp 50 Kilometern wird der Nationalpark erreicht. Riesige Lavafelder wechseln die Farben von grau-schwarz bis ocker-gold-rotbraun. An verschiedenen Orten stehen vulkanische Ruinen, die Erosionen zur bizarren Skulpturen geformt haben. Viele der Felsen haben Namen. Der eigenen Phantasie steht allerdings kein Stein im Weg: Da steht ein überdimensionaler Damen-Hackenschuh,  offiziell der „Königinnenschuh“. Erde und Natur haben eine der bizarrsten Felsengruppe „Los Roques“ geformt: eine  „Kathedrale“ und eine Faust ähnelt, die aber „steinerner Baum“ oder „Finger Gottes“ genannt wird. Der Mensch baute nah ein staatliches Paradores-Hotel mit einem schönen Blick auf die Landschaft.

Zwischen den scharfen Steinen der ehemaligen Lavaströme aus unterschiedlicher Zeit behaupten sich dornige Sträucher, Sukkulenten, der Teide-Ginster oder die Natternzunge mit bis zu hundert Blütenständen. Die Natur ist auch hier eine (Überlebens-)Künstlerin. An die 40 Pflanzenarten sollen sich in dieser scheinbar kargen Stein-Landschaft behaupten. Allerdings lenkt der Teide die meisten Blicke auf sich: ebenfalls dunkelbraun-anthrazit, aber mit einer weißen ‚Krawatte‘ aus  Bimsstein.

Lift zum Gipfel
Schnelle und leichte Auffahrt zum Teide
Teide-Spitze nah
Die Spitze lockt

Bei der Talstation des Lifts in 2.350 Metern wartet Juan Carlos, einer der Naturpark-Ranger. Er hat für uns die Tickets reserviert. Bis zu 44 ‚Schnell-Berghüpfer‘ steigen in die moderne Gondel und erreichen mit diesem Meisterwerk der Ingenieurskunst locker in etwa acht Minuten die Bergstation auf 3.446 Metern Höhe.

„Ihr könnt unterschiedlich zum Gipfel gelangen“, informiert Juan beiläufig. Ihr habt mit der Kabinenseilbahn die leichtere Variante gewählt. Aus Zeitmangel selbst-verständlich“, fügt er höflich grinsend hinzu. „Für die andere Variante zu Fuß braucht ihr etwa fünf, sechs Stunden bis zur Berghütte ‚Alta vista‘ (dt. Hohe Aussicht) in 3.260 Metern Höhe. Hoch und runter benötigt Wanderer mit durchschnittlicher Kondition zwei Tage.“

Ein Pass für den Gipfel

Die Gondel erreicht die Bergstation. Die restlichen 272 Höhen-Meter bis zum Gipfel werden erwandert. Doch zuvor heißt es, den Pass bereitzuhalten. Es wird zwar keine Grenze überschritten, aber sortiert zwischen Angemeldeten und nicht Angemeldeten. „Durch das vorherige Anmelden über Internet oder per Fax werden unvorbereitete vermeintliche Gipfelstürmer etwas gebremst. Früher wollte jeder, konnte aber nicht. Manche kamen mit Flipflops, unterschätzten die niedrige Temperatur und den Wind in der Höhe. Oft mussten Leichtsinnige gerettet werden“, meint Juan. „Unser Nationalpark muss vier Millionen Besucher im Jahr aushalten. Damit ist er der meist besuchte Nationalpark Europas.“ Verständlich – da muss schon etwas der Drang im Interesse von Natur und Mensch gebremst werden. Angemeldet, ausgewiesen und damit privilegiert geht es den schmalen Pfad gen Spitze und azurblauen Himmel. Der Aufstieg beginnt.

Dunkelbraunes Lavagestein wird abgelöst von Lava-Asche, dem weiß-grauen Bimsstein, und  grünen Salpeterflächen. Plötzlich – ein 30 cm großer Mini-Saurier kreuzt den Pfad, wenig später noch einer. Lagarto Tizon – Kanaren-Eidechse – heißt  das gut getarnte Tier, gefärbt wie die vulkanische Umwelt von anthrazit, ocker, rötlich-braun. Ein großer leuchtender, ein neon-blauer Fleck zwischen Kopf und Rumpf weist diese Weg-Kreuzer als Männchen aus. Sie stoppen, schauen zum Wanderer schräg nach oben und huschen weiter ins sichere Geröll.

Die weißen Schwefeldämpfe haben Miniatur-Krater, Gesteins- und Geröllspalten weiß-gelb gefärbt. Vulkanologen haben in einigen dieser Spalten Messfühler gesetzt. Man weiß ja nie. „Auf Teneriffa haben wir mehrere Vulkane, die schlafen. Etwa alle 300 Jahre soll einer erwachen. Größere vulkanische Aktivitäten wurden auf Teneriffa Anfang des 18. Jahrhunderts und in der Teide-Region 1909 verzeichnet“, erklärt der Ranger das zunehmende Temperament der Dämpfe und Gase. Nur noch wenige Meter trennen die Wanderer vom Gipfel. Es riecht nach fauligen Eiern. Aus kleinen Miniaturkratern zischt und faucht es heftiger. Die Spitze mit weiß-grauer Kappe wird erreicht. Es weht ein rauer Wind hier oben. Doch der wird kaum gespürt. Sind es die modernen Textilien oder die Euphorie? Was für ein Augenblick mit Ausblick: Wie bei einem Meeres-Zunami zieht sich das Wolkenmeer zurück. Im Dunst werden die Umrisse der Nachbarinseln erkennbar: östlich von Gran Canaria, westlich von Gomera und sogar noch weiter von El Hierro. Die Farben – das tiefe Blau des Meeres, das Weiß der Spitze und der Wolken, das Anthrazit und das unterschiedliche Braun des tieferliegenden Lavagesteins sowie das helle Blau des Himmels – faszinieren. Ringsherum brodelt, dampft und zischt es. Der Mensch steht zwischen der weißen Teide-Spitze und dem Himmelblau.

  

Harald SchmidtNatternzungeTipps für Interessierte

Um langes Anstehen an der Seilbahn des Teide zu vermeiden wird eine Reservierung empfohlen (http://www.telefericoteide.com/de).

Öffnungszeiten von 9:00 bis 16:00 Uhr. Letzte Bergfahrt um 16:00 Uhr und Rückfahrt ab Seilbahn-Station um 16:50 Uhr. Der Parkplatz an der Station ist kostenlos.

Für das Ersteigen des Teide-Gipfels von der Hütte bzw. von der Bergstation bedarf es einer kostenlosen Genehmigung der Nationalpark-Verwaltung. Sie rät: „Wenn Sie auf den Gipfel steigen möchten, sichern Sie sich zuerst einen Platz, denn es werden nur eine begrenzte Anzahl Genehmigungen erteilt.“ Rechtzeitiges Reservieren wird empfohlen. Buchungen sind unter www.reservasparquesnacionales.es möglich.

Die Berghütte ‚Alta vista‘ wurde vor vier Jahren renoviert und verfügt über 56 Plätze. Sie ist ab 17 Uhr geöffnet und schließt morgens um 8 Uhr. Der Aufenthaltsraum ist ab 11 Uhr geöffnet. Die Hütte hat Wasser, Küche und Sanitäreinrichtungen. Voranmeldung ist auch hier wichtig (info@refugioaltavista.com oder telefonisch an 922 010 440 von 8 bis 16 Uhr). Nur eine Übernachtung ist möglich. Sie kostet 24 €

www.spain.info

Fotos

Der Teide verbindet die Kanaren: Blick von Gran Canaria über das Wolkenmeer zum Teide auf Teneriffa.

Teide im Ginstermeer

Die Spitze lockt

Ein schneller Aufstieg

Spezielles von Teneriffa – die Natternzunge

 

 

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Hinweis: Dieser Beitrag wird regelmäßig von Mitgliedern der Reise-Stories Redaktion wie Heiner Sieger, Gerhard Fuhrmann und Jupp Suttner auf Richtigkeit und Vollständigkeit geprüft. Falls Sie Anmerkungen zu diesem Beitrag haben, kontaktieren Sie bitte direkt hier die Redaktion.

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