In der Straße des Kunsthandwerks, der Via San Gregorio Armeno in Neapel, stehen das ganze Jahr über Weihnachtskrippen zum Verkauf
Von Elke Backert
Jede Großstadt hat eine charakteristische Straße, für die meisten Touristen ist es die Haupteinkaufsstraße: in London die Oxford Street, in New York die Fifth Avenue, in Hamburg die Mönckebergstraße, in München die Kaufingerstraße und in Düsseldorf die Kö. In Neapel ist es die Spaccanapoli, Hauptverkehrsader der City, von der alle Seitenstraßen abgehen.
Aber Neapel hat auch eine ganz besondere Straße, eine winzige, doch für die Neapolitaner bedeutsame Straße, die Via San Gregorio Armeno. Ebenso winzige Läden offerieren hier neapolitanisches Kunsthandwerk, mehr oder weniger kunstvoll. Darauf kommt es aber nicht an. Auffällt zuerst ein rotes Etwas, das wie Chilischoten aussieht. Sie heißen „corni“ oder „curnicielli“, was so viel heißt wie „Hörner“. Jeder besitzt mindestens eins davon, hat es in seinem Auto hängen und in der Jacken- oder Handtasche stecken. Sie sollen den „malocchio“ abwehren, den „bösen Blick“. Wissenschaftler glauben, dass die corni auf die antike Verehrung des Phallus zurückgehen, dem Symbol für Fruchtbarkeit und Glück.
Neben Masken aller Art stehen originelle Miniaturfiguren aus dem gesellschaftlichen und politischen Geschehen der letzten Jahre zum Verkauf, etwa das Hochzeitspaar Fürst Albert von Monaco und Charlène. Daneben eine weitere neapolitanische Schöpfung, der „Pulcinella“, eine schalkhafte Gestalt, die sich listig und spitzbübisch aus jeder verzwickten Lage rettet, etwa dem Kasper in Deutschland vergleichbar. Ursprünglich stammt er wohl aus Dantes „Commedia dell`arte“ des 16. Jahrhunderts. Wegen der langen Hakennase glaubt man, der Name rühre von „pulcino“, „Küken“. Viele Halbgesichts-Masken tragen diese hakenförmige Nase, und neben Kunsthandwerkern gestalten auch Künstler dieses Symbol der Stadt in ihren Skulpturen. Der bekannteste ist Lello Esposito.
Während sich die deutschen Weihnachtskrippen auf die heilige Familie, die Weisen, einige Hirten und möglicherweise noch auf einen Engel beschränken, ist die Krippe in Neapel, die „presepe“, sehr viel mehr und wichtiger als der Tannenbaum. Die Herkunft der Krippe wird dem heiligen Franz von Assisi im Jahre 1223 zugeschrieben, doch im 17. und 18. Jahrhundert erhielt sie in den Herrschaftshäusern Neapels eine neue Dimension und wurde zum Kernstück eines ganzen Stadt- und Landschaftsbildes, das die Adligen mit Figuren bestückten, die ihrer Meinung nach die einfachen Menschen und ihren Alltag darstellten.
Heute ist der Krippenbau eine Familiensache und beginnt schon an Allerheiligen, also am 1. November. Von da an geht es hoch her in der San Gregorio Armeno. Die Krippenbaumeister, die das ganze Jahr die „pastori“, die Krippenfiguren, fertigen, werden von den Einheimischen auf der Suche nach den perfekten Figuren für ihre Krippe überschwemmt. Neben den „pastori“ können auch leere Krippen gekauft werden. Erst am Weihnachtsabend wird das Jesuskind in die Futterkrippe gelegt.
Fotos Elke Backert