Bei einer Rangerausbildung im Kärntner Nationalpark Nockberge entdecken Kinder die Natur mit allen Sinnen.
Der aktuelle Jugendreport Natur hat einmal mehr gezeigt, wie wenig Ahnung viele Kinder davon haben, was außerhalb der Städte in Wald und Flur das Leben bestimmt. Dagegen, dass Natur für Kinder immer abstrakter wird, hilft nur eins: Rausgehen. Eltern, die selbst nicht genügend Kenntnisse über Tiere, Pflanzen, Geologie, Himmelsmechanik oder Wetterphänomene haben, können ihren Nachwuchs von St. Oswald aus im Nationalpark Nockberge mit einem Ranger auf spannende und lehrreiche Exkursionen schicken.
Leonard schmeckt die Säure. Kurz zuvor hat er auf einen riesigen Ameisenhaufen gespuckt, ein Stöckchen über die Stelle gehalten und dann die Zunge daran gehalten. „Wenn die Ameisen sich angegriffen fühlen, dann verspritzen sie Säure, um die Angreifer in die Flucht zu schlagen“, erklärt Marina. Außerdem erzählt sie, dass man nur ein Drittel des ganzen Ameisenhaufens sieht, der Rest liegt verborgen im Waldboden und der muss ziemlich gesund sein, sonst „gäbe es hier nämlich keine Ameisen“.
Marina ist Rangerin i Nationalpark Nockberge, der zwischen der Turracher Höhe und Bad Kleinkirchheim in Kärnten liegt. Mit gut 20 Kindern zwischen acht und 14 Jahren ist sie für drei Tage in dem 18.300 Hektar großen Schutzgebiet unterwegs. Durch ihre Ausbildung in der Forstwirtschaft und die Zusatzqualifikationen in Gruppendynamik und Didaktik verfügt sie nicht nur über tiefreichende Kenntnisse der natürlichen Prozesse sondern auch über das nötige Rüstzeug, um eine solch wuselige Gruppe zu führen. Nebenbei hat sie auch noch den Jagd- und Waffenschein, was besonders die Jungs beeindruckt – und noch ein Stück mehr Respekt verschafft.
Am ersten Tag steht der Wald im Mittelpunkt des Programms. Ausgestattet mit Rucksack, Wanderschuhen und Marschproviant geht es vom Feriendorf Kirchleitn am St. Oswalder Bach entlang hinein in den dunklen Tann. An einer mächtigen alten Fichte bleibt Marina stehen und lenkt die Aufmerksamkeit der Kinder auf türkisfarbene Flechten, die an dem Baum herunterhängen, wie ein wallender Bart. Baumbart heißen die merkwürdigen Pflanzen, die es außerhalb der Berge nur noch ganz selten gibt, weil sie nur in sehr sauberer Luft wachsen.
Immer wieder zeigt Marina den Kindern besondere Pflanzen: Von Arnika haben viele schon mal gehört, „die gibt es als Kügelchen“, wirft die zehnjährige Anna ein. Hier gibt es sie in echt und heißen tun sie in Kärnten Kraftrose. Kinder, die mit einem Jahr noch nicht laufen konnten, wurden früher damit eingerieben. Das linderte den Wachstumsschmerz und schon stellten sich die Kleinen auf ihre Beine. Das fleischfressende Alpenfettkraut, die giftige Wolfsflechte, das Zirbenholz mit seinen gesunden ätherischen Ölen, der duftende Speick aus dem Kosmetik gemacht wird, der Bärlapp, den es schon zur Zeit der Dinosaurier gab, das Scheiden-Wollgras dessen wollige Büschel man als Wundwatte nehmen kann und roh köstlich scharf schmeckende Pfifferlinge zählen ebenfalls zur Flora der Nockberge.
Nachdem Marina den angehenden Rangern bei der Mittagsjause erklärt hat, wozu so ein Nationalpark eigentlich gut ist, gönnt sie ihnen anschließend freie Spielzeit. Sie sollen in Zweiergruppen ihren eigenen Nationalpark bauen, aus allem, was es im Wald so zu finden gibt. Dann steht Sägen mit einer über 100 Jahre alten Zweimann-Schrotsäge auf dem Programm – auch wenn das mit praktiziertem Naturschutz nicht so viel zu tun hat. Die Nockberge sind eben mehr jahrhundertalte Kulturlandschaft als unberührte Wildnis. Die Einrichtung des Nationalparks diente eher der Bewahrung der traditionellen Nutzung dieser Landschaft durch Almwirtschaft, Speickgraben und Waldbau, denn sie verhinderte in den 80er Jahren den Bau eines riesigen Skigebiets in den Nockbergen.
Am zweiten Tag steht der Aufstieg zur Lärchenhütte an. Unterwegs werden Wasserräder gebaut und Wassertiere bestimmt. Unter dem Mikroskop zeigen sich Köcherfliegen-, Eintagesflieger und Steinfliegerlarven – ein Zeichen dafür, dass das Bachwasser Trinkwasserqualität hat. Vorbei an einer 350 Jahre alten Mühle, wo Bauer Willy zeigt, wie Mehl gemahlen wird, geht es weiter bergan. Marina lenkt den Blick der Kinder auf einen Adlerfelsen hoch über der Waldgrenze und auf die Kühe auf den Almwiesen. „Wenn sie bergauf steigen, bleibt das Wetter stabil.“ Tun sie aber nicht und kurz drauf schlägt ein Gewitter los. Selbstverständlich haben alle ihre Regensachen dabei, trotzdem meint Justin: „So als Ranger müssen wir schon einiges mitmachen.“ Den Weg zur Hütte müssen die Kinder selber finden, nachdem Marina ihnen erklärt hat, wie man mit Karte, Wegweisern und GPS-Gerät umgeht.
Oben angekommen beruhigt sich das Wetter und dem Abendprogramm mit Blasrohrschießen, Lagerfeuer, Stockbrotbacken und Nachtwanderung steht nichts mehr im Weg. Die Übernachtung auf dem Heuboden der von Bäuerin Heidi bewirtschafteten Alm ist der Höhepunkt der Rangertage. „So richtig in die Wildnis können wir nicht gehen, die meisten Kinder haben noch nie vorher auswärts geschlafen, da müssen die Eltern die Möglichkeit haben, sie im Falle eines Falles nachts abzuholen“, erklärt Marina fast entschuldigend. Wildnis light also, aber dem Spaß der Kinder und dem Stolz, als Marina ihnen am nächsten Tag feierlich ihr Ranger-Diplom aushändigt, tut das keinen Abbruch.
Informationen
PREISE
Das dreitägige Rangerprogramm kostet 45 Euro pro Teilnehmer. Mitmachen können Kinder ab acht Jahre (Eltern dürfen auch mitmachen). Durchgeführt wird das Programm von Juli bis September.
UNTERKUNFT:
Die 44 Häuser in den autofreien Feriendörfern Kirchleitn in St. Oswald sind im Stil der Nockalm-Bauernhäuser errichtet, aus jahrhundertealtem Holz, das aus 600 aufgegebenen Bauernhäusern in ganz Kärnten zusammengetragen wurde. Sie bieten eine tolle Atmosphäre in Kombination mit modernem Komfort und Service auf hohem Niveau (Mitglied bei Kinderhotels).
AUSKUNFT
Tel.: +43 (0) 42/40 82 44, www.kirchleitn.com
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